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Nach Diskussion und AbwehrBornheimer Stadtrat setzt den Bürgerkoffer endlich durch

Lesezeit 4 Minuten
Winand Flohr hat den Bürgerkoffer voriges Jahr ins Gespräch gebracht.

Winand Flohr hat den Bürgerkoffer voriges Jahr ins Gespräch gebracht.

Keine Bedenken und auch kein Probejahr: Der Stadtrat von Bornheim hat nach langer Diskussion und Abwehr aus der Verwaltung den Bürgerkoffer beschlossen. Er ermöglicht die Ausweisverlängerung zu Hause.

Der Bornheimer Stadtrat hat sich gegen die Verwaltung durchgesetzt, und nun hat auch Bürgermeister Christoph Becker (parteilos) seine Meinung geändert: „Nun möchten wir die Sache zu einer Erfolgsgeschichte machen“, betonte Becker am Donnerstagabend, nachdem der Rat einstimmig für die Einführung eines „Identitätenprüfkoffers“ gestimmt hatte. „Bürgerkoffer“ ist die geläufige Bezeichnung für die tragbare Erfassungstechnik.

Die Lokalpolitiker gingen noch einen Schritt weiter als die Verwaltung, die den Koffer ursprünglich strikt abgelehnt hatte, letztlich vorschlug: Der Koffer soll nun nicht nur für eine einjährige Erprobungsphase angeboten werden, sondern dauerhaft. Dieser Vorschlag kam von Grünen-Politikerin Maria Koch: „Ein Probebetrieb ist sinnfrei. Was will man da erproben? Wir können damit die Verwaltung entlasten. Eine Einführung des Koffers steht einer Stadt, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, inklusiv zu sein, gut. Warum sollen wir den Koffer nach einem Jahr wieder einstellen?“

Wofür der Identitätenprüfkoffer?

Die Diskussion begann im Juni 2024 mit einem Antrag von Winand Flohr im Bürgerausschuss und drehte seitdem mehrere Schleifen in den Gremien, zuletzt im November im Haupt- und Finanzausschuss, wo es im Zuge der Beratungen zum Doppelhaushalt 2025/26 bereits eine einstimmige Beschlussfassung gab, der der Rat nun folgte.

Mit dem Identitätenprüfkoffer der Bundesdruckerei können künftig Verwaltungsmitarbeiter Bürger zu Hause aufsuchen, die aus gravierenden gesundheitlichen Gründen wegen einer Behinderung mobilitätseingeschränkt sind und nicht mehr persönlich das Rathaus aufsuchen können, um beispielsweise einen Personalausweis zu verlängern oder zu beantragen.

Anfängliche Bedenken wegen wenig Kapazitäten

Der Auslöser: Im vergangenen Jahr war es Winand Flohrs schwerkranker Frau nicht möglich, die Passstelle aufzusuchen, um ihre Ausweispapiere zu verlängern. Dies musste aber persönlich geschehen, da für diesen Vorgang ein Fingerabdruck genommen werden muss. Hätte es diesen Koffer damals bereits gegeben, hätte ein Kollege aus dem Rathaus die Frau in Roisdorf aufsuchen und dies vor Ort erledigen können.

Zunächst gab es in der Verwaltung Bedenken gegen dieses Instrument, da davon ausgegangen wurde, dass ein zusätzlicher Mitarbeiter plus Dienstwagen erforderlich wäre. Erfahrungen aus anderen Kommunen zeigten jedoch, dass diese Bedenken unbegründet waren. Auch ein hoher Bedarf an IT-Support ist nicht erforderlich. So wurde beispielsweise in der Stadt Gladbeck dieser Service nur fünf bis sechsmal pro Jahr angefragt. In Siegburg ist der Bürgerkoffer bereits seit dem Frühjahr 2023 im Einsatz. Wie die Rundschau auf Nachfrage erfuhr, sind die Erfahrungen dort „durchweg positiv“. Die Verwaltung werde dort weder finanziell noch personell großartig belastet, lautete die Auskunft.

Kaum ins Gewicht fallen die Kosten für den Steuerzahler. Für den laufenden Haushalt hat die Stadt die einmalige Summe von 1500 Euro eingestellt, um den Koffer anzuschaffen. In den Jahren 2021 und 2022 wurden insgesamt 115 Bürgerkoffer an Kommunen in Deutschland ausgeliefert. Das ergab im vergangenen Jahr eine Anfrage der Rundschau an die Bundesdruckerei. Weitere 350 wurden 2023/24 beauftragt und ausgeliefert.

SPD dankt Flohr für Anregung

Bernhard Strauff (CDU) äußerte vor der Sitzung bereits hinsichtlich der geringen Kosten sein Unverständnis über die monatelange Diskussion: „Wir diskutieren ja auch nicht stundenlang darüber, ob wir für die Verwaltung neue Büroklammern anschaffen.“

Die SPD-Co-Fraktionsvorsitzende Anna Peters sagte: „Wir von der SPD begrüßen den Beschluss ausdrücklich und danken Winand Flohr für diese sehr sinnvolle Anregung.“ Bernd Marx (CDU) ist es wichtig, dass die Zielgruppe, vornehmlich ältere Leute, von diesem Angebot erfahre. Daher sollten die 14 Seniorenbeiratsmitglieder als Multiplikatoren dienen und die Bürger entsprechend informieren, wie er findet.

Maria Koch und Rüdiger Prinz (CDU) schlugen zudem vor, auch mit den Senioren- und Pflegeheimen sowie den örtlichen Behinderteneinrichtungen zu kooperieren und für das mobile Bürgerbüro zu werben. Daniel Schumacher (CDU) lobte die „Hartnäckigkeit des Petenten“ und regte an, den Bürgerkoffer gegen ein Entgelt auch anderen Kommunen zur Verfügung zu stellen. Diesen Vorschlag griff auch Bürgermeister Becker auf und verwies auf die gute interkommunale Zusammenarbeit etwa mit Alfter: „Haben wir unsere Erfahrungen gemacht, werden wir diese gerne mit anderen Kommunen teilen.“

Winand Flohr selbst zeigte sich dieser Zeitung gegenüber erleichtert: „Heute hat eine langwierige Sache einen guten Abschluss gefunden. Mich hätte es gewundert, wenn diese nicht durchgegangen wäre.“