AboAbonnieren

Trotz Protesten von BürgernGrundsteuer in Alfter steigt auf fast 1000 Punkte

Lesezeit 5 Minuten
8. Dezember 2023. Alfter-Oedekoven. Rund 200 Bürgerinnen und Bürger protestierten gegen die Grundsteuererhöhung  vor der Ratssitzung in Alfter.

Rund 200 Bürgerinnen und Bürger protestierten gegen die Grundsteuer-Erhöhung vor der Ratssitzung in Alfter.

Das Leben in Alfter wird zum Jahreswechsel deutlich teurer oder wie es Kämmerer Nico Heinrich formulierte: „Wir haben einen Haushalt vor uns, der es in sich hat.“

Mehrheitlich mit den Stimmen von CDU und Grünen folgten die Ratspolitiker am Donnerstagabend der Empfehlung aus dem Haupt- und Finanzausschuss und stimmten für die Anhebung der Grundsteuer B von derzeit 763 Punkten um 30 Prozent auf 995 Punkte. Grüne, FDP und UWG stimmten dagegen, die Freien Wähler enthielten sich. Für ein klassisches Einfamilienhaus bedeutet dies rund 20 Euro mehr im Monat, Mieter zahlen entsprechend weniger, hatte Bürgermeister Rolf Schumacher (CDU) bereits vorab erklärt. Damit wäre die gefürchtete Erhöhung auf 1500 Punkte vom Tisch – zumindest vorerst. Denn, wie Kämmerer Nico Heinrich in der Ratssitzung erklärte, könnte der Hebesatz ab 2025 weiter steigen auf 1100 Punkte, 2026 auf 1.500 und 2028 auf 1700 Punkte, um einen genehmigungsfähigen strukturellen Haushaltsausgleich zu erreichen. Gleichzeitig muss weiter konsolidiert werden.

Das Haushaltsdefizit für 2024 belaufe sich laut Prognosen auf 2,7 Millionen Euro in 2024 und 2025 bei 2,6 Millionen Euro. Heinrich mahnte an, sämtliche Ausgaben unter die Lupe zu nehmen, sowohl Pflichtaufgaben als auch freiwillige Maßnahmen. Die Opposition warf den Mehrheitsparteien und der Verwaltung unter anderem vor, der neue Hebesatz sei „wie auf dem Basar gehandelt“ entstanden: „Dem ist nicht so, wir in der Verwaltung haben uns viele Gedanken gemacht, um ein Signal an die Bürger zu setzen, diesen Hebesatz so weit zu drücken, um Maß zu halten“, so Heinrich. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sei die Haushaltslage der Ampel-Koalition in Berlin: „Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen das für uns hat, derzeit ist keine dauerhafte Planungssicherheit möglich.“ Heinrich appellierte auch an Land und Bund, Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen und die Kommunen auskömmlich für deren Pflichtaufgaben zu unterstützen, dies sind vor allem Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten, die Schaffung von Kita- und OGS-Plätzen.

Gegen die Hebesatzerhöhung wetterte Christian Lanzrath (SPD) und sprach von einem „Eiertanz“. Miriam Clemens (FDP) hielt den Hebesatz für „politisch motiviert“ und „unseriös“, zudem unternehme die Verwaltung zu wenig, um die interkommunale Zusammenarbeit zu stärken. Werner Urff (UWG) sprach erneut von einer Basarmentalität. Wilhelm Windhuis (Grüne) kritisierte SPD, FDP und UWG sprachen von einem „hohen Maß an Polemik“ und bemängelte, dass von den genannten Fraktionen keine Vorschläge über die Höhe eines Hebesatzes kamen. Christopher Ehlert (CDU) erinnerte daran, dass die den Kommunen von Land und Bund übertragenen Aufgaben enorm gestiegen seien und forderte entsprechende Unterstützungen.

Zu einem emotionalen Rundumschlag holte Bürgermeister Rolf Schumacher (CDU) aus, wehrte sich gegen die Kritik der Opposition und war ihnen Inkonsequenz vor. „Natürlich ist dieser Hebesatz politisch motiviert, denn der Rat hat beschlossen, dass wir einen Haushaltsentwurf einbringen, der sozialverträglich ist.“ Schumacher betonte, dass die Gemeinde in Sachen Tourismus- und Wirtschaftsförderung oder Klimaschutz seit Jahren interkommunal zusammenarbeite. Die Anhebung des Hebesatzes sei notwendig, um wichtige Aufgaben zu erfüllen: „Es ist jämmerlich, wie Ihre Fraktionen damit umgehen. Zum Glück sitzen im Rat auch noch vernünftige Menschen. Wer gegen den Hebesatz stimmt, stimmt auch gegen Fortbestand der Alfterer Bücherei und die Ausstattung der Feuerwehr. Das könnten wir uns sonst nämlich nicht mehr leisten.“

Der Haushalt 2024 soll voraussichtlich im März verabschiedet werden.

8. Dezember 2023. Alfter-Oedekoven. Um sich Gehör zu verschaffen, verteilten die Organisatoren der Demo  an die Protestierenden Trillerpfeifen.

Um sich Gehör zu verschaffen, verteilten die Organisatoren der Demo an die Protestierenden Trillerpfeifen.

Bürgerinitiative erreicht Quorum zur Abwahl des Bürgermeisters

„Wir haben das erforderliche Quorum erreicht und sind deutlich über die 4000 erforderlichen Stimmen gekommen“, erklärte Thomas Hildenbrandt, Sprecher der Bürgerinitiative „Alfter gegen Grundsteuererhöhung“ auf Nachfrage der Bonner Rundschau. Vor der kommenden Ratssitzung am 19. Dezember möchte die Initiative dann die Unterschriften im Rathaus übergeben. Es werde aber noch weiter gesammelt, um mögliche ungültige Stimmen auszugleichen. Nachdem Bürgermeister Schumacher den Hebesatz von 995 erstmals öffentlich bekannt gegeben hatte, seien laut Hildenbrandt noch einmal gut 400 Stimmen hinzugekommen.

Vor und während der Ratssitzung machte die Bürgerinitiative vor dem Rathaus mobil und begleitete die Sitzung mit einem lauten Trillerpfeifenkonzert. Allerdings waren laut Polizei mit gut 200 Bürgern deutlich weniger Demonstranten gekommen als noch vor der Ratssitzung im September. Damals wurde die Zahl auf 600 bis 800 Protestler geschätzt.

Wegen der geringeren Teilnehmerzahl sei er nicht enttäuscht, erklärte Hildenbrandt dieser Zeitung, vielmehr sei er enttäuscht von den Vorschlägen der „Ablenkungsgruppe“. Die vorgestellten Hebesätze für die kommenden Jahre und die Nichtbeachtung der 7000 Unterschriften der Online-Petition gegen die Erhöhung hätten in ihm ein „Gefühl der Leere“ erzeugt.

Eine Stunde vor der Ratssitzung sprachen Thomas Hildenbrandt sowie Bernhard von Grünberg, Vorsitzender des Bonner Mietervereins, vom Rathausbalkon aus zu den Demonstranten: „Wir wollen uns von der Politik nicht länger für dumm verkaufen und ausnehmen lassen wie eine Weihnachtsgans“, betonte Hildenbrandt, der für den erkrankten Gründer der Initiative, Andreas Georg Geiger sprach: „Das Geld wird mit vollen Händen ausgegeben, der Bürgermeister hat mit seinem Missmanagement alles an die Wand gefahren. Stimmen Sie gegen die Geldvernichtung und gegen den Filz in der Politik.“

Von Grünberg erinnerte daran erinnerte die Bürger daran, dass nicht nur Hauseigentümer, sondern auch Mieter von der Erhöhung betroffen seien, denn die Vermieter können die Grundsteuer über die Nebenkosten umlegen. Kritik richtete von Grünberg auch an Land und Bund: „Sie unternehmen zu wenig für einen wirtschaftlichen Ausgleich. So eine kleine Gemeinde wie Alfter ist eigentlich überfordert mit dem, was sie zu schultern hat.“ Das Abwahlverfahren des Bürgermeisters sah er allerdings kritisch: „Der Bürgermeister gestaltet die Politik der Gemeinde nicht alleine, es sind politische Entscheidungen.“

Welche Auswirkungen die Hebesatzerhöhung im Einzelfall haben könnte, äußerte eine verzweifelte Bürgerin während der Einwohnerfragestunde in der Ratssitzung: „Wird der Hebesatz erhöht, werde ich stranguliert, dann kann ich mir mein Haus als Altersversorgung nicht mehr leisten.“

Käme es tatsächlich zu einem Abwahlverfahren, würde das den Steuerzahlen rund 80.000 Euro für die Vorbereitung des Verfahrens und gut 150.000 Euro für die Wahl an sich kosten, berichtete Nico Heinrich auf Nachfrage aus der Bürgerschaft.