Die Kölner Bezirksregierung möchte mit der Gemeinde Alfter als Trägerin eine Zentrale Flüchtlingsunterkunft für 350 Menschen im Baugebiet „Am Kumpelsgarten“ errichten.
„Das gemeinsam wuppen“Bürger tauschen sich über neue Flüchtlingsunterkunft in Alfter aus
„Der Rat muss eine schwierige Entscheidung treffen. Auch ich habe wackelige Knie dabei“, gab Alfters Bürgermeister Rolf Schumacher (CDU) am Mittwochabend vor rund 80 Besuchern aus der Bürgerschaft und der Kommunalpolitik offen zu. Sie waren der Einladung zur Bürgerinformation zum Thema Flüchtlingsunterkunft in den Ratssaal gefolgt. Auch Vertreter der Bezirksregierung Köln waren gekommen, um über den Bau einer sogenannten Zentralen Unterkunftseinrichtung des Landes im Baugebiet „Am Kumpelsgarten“ für 350 Menschen zwischen Witterschlick und Volmershoven-Heidgen zu informieren.
Das ist geplant: Auch in der Gemeinde Alfter steigt die Zahl der zugewiesenen Geflüchteten kontinuierlich. Derzeit sind 486 Zufluchtssuchende in der Gemeinde untergebracht. Gut 25 Menschen kommen pro Monat in die Gemeinde. Zudem muss Alfter 64 obdachlose Menschen in den gemeindeeigenen Unterkünften unterbringen, ebenfalls mit steigender Tendenz. Aufgrund dieser Zahlen kann die bisherige dezentrale Lösung, verteilt auf rund 20 Objekte, nicht mehr aufrechterhalten werden.
Um möglichst keine Turnhallen oder Vereinsheime zu belegen, soll auf dem Grundstück „Am Kumpelsgarten“ in Witterschlick eine neue Unterkunft entstehen. Das Grundstück ist groß genug, Eigentum der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Alfter (WFA), es besteht Bau- und Planungsrecht, zudem ist die Anbindung zu Bahn, Straße und zur Nahversorgung gegeben.
Da kam die Frage der Bezirksregierung, ob die Gemeinde Alfter auf diesem Gelände als Trägerin eine weitere dringend benötigte Unterkunft in zweigeschossiger Containermodulbauweise unterhalten könne. Dort könnten dann bis zu 350 Personen einziehen. Die Gemeinde würde das Gebäude errichten, sämtliche Kosten für den Bau, die Unterhaltung, sowie für den Sicherheitsdienst, Sozialarbeiter oder Betreuer würden vom Land getragen. Laut Sigrun Köhle, Dezernatsleiterin Ordnungsrecht, Gesundheit, Sozialwesen, Gefahrenabwehr und Verkehr bei der Bezirksregierung, könnte die Anlage im späten Frühjahr 2024 stehen.
Die Gemeinde strebt mit der Kölner Behörde einen Sieben-Jahres-Vertrag an mit der Option auf Verlängerung. Die genauen Modalitäten müssten noch ausgehandelt werden. Möglich wäre auch ein kleineres Gebäude für 240 Personen in Trägerschaft der Gemeinde. Dann würden allerdings sämtliche Kosten bei der Gemeinde liegen. Die Kosten liegen für beide Varianten im Millionenbereich. Schumacher warb auch im Hinblick auf den Gemeindeetat für die erste Option, also den Bau einer Zentralen Unterkunftseinrichtung: „Es würde uns extrem helfen. Wenn wir das die Bezirksregierung machen lassen, hätte es keine Auswirkungen auf die Grundsteuer B.“
Bürger äußern ihre Bedenken
Es gibt noch einen weiteren Vorteil: Da Alfter verpflichtet ist, zugewiesene Flüchtlinge aufzunehmen, würde sich diese Zahl 1:1 um die Anzahl der in der Zentralen Unterkunft untergebrachten Schutzsuchenden reduzieren, erläuterte Köhle. Das heißt, die 350 Flüchtlinge würden Alfter bei den Zuweisungen angerechnet. Die Sorgen der Bürger: Vor allem die Größe der Einrichtung trieb die Einwohner um, aber auch die Lage und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten. „Wo sollen die Menschen sich denn aufhalten? Wir haben in Witterschlick nur einen Dorfplatz mit 20 Sitzbänken. Wir befürchten, dass wir uns nicht mehr Zuhause fühlen können. Das schaffen Witterschlick und Volmershoven-Heidgen nicht, “ meinte die ehemalige Vorsitzende des Ortsausschusses, Christel Memering.
„Wo viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen, gibt es immer Probleme“, mahnte ein Bürger. Einer anderen Anwohnerin bereitet Sorgen, dass der Schulweg von Volmershoven-Heidgen zur Witterschlicker Grundschule an dem Containerdorf vorbeiführe. Andere fürchten, dass vor allem alleinreisende junge Männer einziehen könnten; sie fürchten um ihre Sicherheit „Wir glauben nicht, dass wir das in dieser Größenordnung gewuppt bekommen, egal an welchem Standort“, sagte ein anderer Anwohner.
Dazu Bürgermeister Schumacher: „Wir wollen die Probleme beim Namen nennen. Es gibt keine Unterkunft ohne Probleme. Aber es gibt Lösungen dafür. Wir müssen das gemeinsam wuppen. Das ist wuppbar.“ Schumacher zeichnete auch mögliche unbequeme Alternativen auf: „Schaffen wir diese Kapazitäten nicht, müssen wir beispielsweise die Dreifachturnhalle am Gymnasium Alfter belegen, denn die Verhinderung von Obdachlosigkeit hat Vorrang vor Beschulung.“
Sicherheitsdienst vor Ort
Gefragt wurde Sigrun Köhle auch nach einer kleineren Unterkunft als Kompromiss oder nach dezentralen Lösungen. Die Landesregierung NRW gebe eine Größenordnung von mindestens 300 Plätzen vor, alles andere sei nicht rentabel, da auch entsprechendes Personal vorgehalten werden müsse. Über die Sicherheitsaspekte informierte Jonas Höltig von der Bezirksregierung: Die Anlage werde komplett eingezäunt, damit keine Unbefugten auf das Gelände kämen. Zudem gebe es einen Sicherheitsdienst.
Die örtlichen Schulen und Kitas würden nicht belastet, da entsprechende Schul- und Betreuungsangebote für Kinder vorgehalten werden. Auch Sprachkurse und Freizeit- und Aufenthaltsmöglichkeiten gebe es in jeder Zentralen Unterkunft. Hinzu kommen eine Kantine und eine medizinische Versorgungseinrichtung. Pro Zimmer werden maximal vier Personen untergebracht. Laut Sigrun Köhle würde für eine Mischung aus Familien mit Kindern und alleinreisenden Geflüchteten gesorgt und es wäre ja auch nicht so, dass alle 350 Menschen auf einmal die Anlage verlassen würden.
Für Probleme stehen Sozialarbeiter und ein sogenannter Umfeldmanager zur Verfügung. Rolf Schumacher zufolge werde zudem eng mit dem Ordnungsamt und der Polizei zusammengearbeitet. Die Bürger bräuchten auch keine Sorge zu haben, dass die Anlage noch erweitert werde: „Das ist die maximale Auslastung, eine größere Anlage lässt das Baurecht nicht zu“, so Schumacher. Er nutzte die Gelegenheit, Kritik an Land und Bund zu äußern: „Dass keine Kommune mehr weiß, wie es weitergeht, war ein Notfall mit Ansage, den wir nun ausbaden müssen. Seit zwei Jahren reden wir Bürgermeister mit Vertretern auf allen politischen Ebenen, jetzt endlich scheinen unserer Sorgen angekommen zu sein.“
Die endgültige Entscheidung, ob die Unterkunft gebaut wird, fällt am kommenden Dienstag, 19. Dezember, um 17 Uhr, in einer Sondersitzung des Gemeinderates.