Aktion vor dem RathausLeverkusens Musiklehrer wollen feste Jobs
Leverkusen – Die Flötistin hat es schwer, am Samstagmittag durchzudringen. Im Gegensatz zu Martin Ehrhardt muss sie ohne elektrische Verstärkung auskommen auf dem Rathausplatz. Der Gewerschafter hat die gute alte Flüstertüte dabei – und Ersatzbatterien. An der Energie soll es nicht scheitern, wenn es darum geht, politische Bekenntnisse hörbar zu machen.
Im ganzen Land hat die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft Musiklehrer aufgerufen, auf die Straße zu gehen und zu dokumentieren, wie es aussieht: Honorarkräfte bestreiten an den städtischen Musikschulen einen Großteil des Unterrichts – und sind in der Corona-Krise in existenzielle Not geraten. Lohnfortzahlung? Ausfallhonorare? Gab es nicht, weil so etwas nicht vorgesehen ist im prekären System.
In Leichlingen gibt es nur freie Lehrer
Während in Leverkusen nur ein Viertel der Lehrer frei arbeitet, bestreiten in Leichlingen die Honorkräfte das Programm: Nur Leiter Andreas Genschel und seine Stellvertreterin Vera Wis sind bei der Stadt angestellt. Wie es den freien Musikschullehrern in der Corona-Krise ergangen ist, berichtet am Samstag am Rande des Wochenmarkts Irmelin Sloman. Sie unterrichtet seit zwei Jahrzehnten Gesang.
Dass das mal besonders problematisch sein könnte, hat Sloman auch nicht erwartet. „Als es dann wieder losging, sollte ich sechs Meter Abstand halten. Aber wie soll das gehen in einem Raum mit zehn Quadratmetern Platz?“ In ihrer Not ist die Gesangslehrerin mit ihren Schülern in den Sinneswald umgezogen – dessen Betreiberin Wicze Braun ist Sloman sehr dankbar.
Sloman bezeichnet das weit verbreitete Honorarmodell als „asoziale Beschäftigung“, mit dem sich die Leichlinger Musikschule erkennbar selbst schade: „In den vergangenen sechs Jahren sind 34 von 43 Lehrern weggegangen“, weiß sie. Dabei seien Lehrerwechsel besonders im Musikunterricht schlecht für die Schüler. 1678 sind es in der Blütenstadt – beachtlich, gemessen an der Größe. Gerade deshalb sei es wichtig, die Musikschule zu pflegen und nicht durch prekäre Beschäftigung auf die Dauer ausbluten zu lassen.
Der Nachwuchs hält sich zurück
Dass so etwas droht, belegt in Leverkusen Katarina Schutzius. Sie ist seit drei Jahrzehnten bei der Musikschule angestellt – „und eine der Letzten, die hier auf regulärem Weg einen festen Arbeitsplatz bekommen haben“. Nebenbei bildet sie an der Kölner Musikhochschule Pädagogen aus „mit gemischten Gefühlen: Ich weiß, dass ich viele auf einen Beruf vorbereite, von dem sie nicht anständig leben können.“ Vielen sei das bewusst, die Nachfrage habe nachgelassen.
Eine gefährliche Entwicklung, so Verdi-Mann Ehrhardt: „In den kommenden zehn Jahren werden allein durch Verrentung 30 Prozent der Musikpädagogen aus dem Berufsleben ausscheiden.“ Man müsse sich also Sorgen um den Nachwuchs machen. Und ihn mit besseren Bedingungen locken. Aus Sicht der Gewerkschaft muss eine Festanstellung die Regel werden, und wo das nicht möglich oder vom Lehrer nicht gewollt ist, das Honorar auf dem Niveau des Tarifs liegen. Wer krank wird, soll weiter bezahlt, die Stundenlöhne regelmäßig erhöht werden. Das wäre ein Novum, sagt Ehrhardt mit Blick auf die Musikschule Leverkusen: „In den letzten 17 Jahren sind die Honorare ein Mal erhöht worden – auf Druck.“
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Die Kulturpolitiker wissen das und bekennen sich vor dem Rathaus nacheinander zu besseren Bedingungen in der Musikschule. Damit das kein Wahlkampfgetöse bleibt, will CDU-Mann Bernhard Marewski die Kolleginnen und Kollegen von SPD, Grünen und FDP auf einen Antrag festlegen: Seine Partei fordert, die Lehrkräfte künftig aus dem allgemeinen Haushalt zu bezahlen, damit sie dem Spardiktat der Kulturstadt Lev entkommen. Sonst bleibt es prekär.