Essen/Düsseldorf – Nach dem bislang heißesten Tag des Jahres haben sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen direkt auf das nächste potenziell gefährliche Wetterphänomen einstellen müssen: Gewitter und Starkregen. Für die Nacht zum Donnerstag wurden vor allem für den Norden des Bundeslands Unwetter vorhergesagt, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) am Mittwoch mitteilte.
Experten hielten lokale Überflutungen in der Nacht für möglich, Informationsstufen bei den Pegelständen sollten aber voraussichtlich nicht überschritten werden. Die Niederschläge verringern aber wenigstens die Gefahr eines Problems, das in den vergangenen Tagen viele Feuerwehren in NRW beschäftigte: Waldbrände.
Der DWD rechnete vor allem für den Abend und die Nacht zum Donnerstag mit zunehmend intensiveren Gewittern. Punktuell könne es bis zu 70 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb von drei bis sechs Stunden geben, hieß es. Der Schwerpunkt des Starkregens erstrecke sich wahrscheinlich vom Ruhrgebiet bis ins Münsterland.
Der Hochwasserinformationsdienst des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) teilte mit, aufgrund der überwiegend trockenen Böden sei mit einer reduzierten Wasseraufnahmefähigkeit zu rechnen, bei Starkregen könne es lokal zu Überflutungen und Abschwemmungen kommen. Laut Lanuv ist in den Regionen Niederrhein, Münsterland und Teutoburger Wald mit Spitzen zu rechnen.
Bei kleineren Gewässern seien bei den lokalen Gewittern Ausuferungen und Überflutungen möglich. Auch für größere Gewässer in NRW müsse man mit steigenden Wasserständen rechnen. Im Extremfall könne etwa der Pegel der Berkel bei Ammeloe um einen Meter, der Pegel der Lippe bei Leven um eineinhalb Meter steigen. Damit wäre aber noch immer nicht die erste Informationsstufe erreicht, bei die Öffentlichkeit vor Ausuferungen gewarnt wird.
Zuvor hatte lang anhaltende Trockenheit für eine Häufung von Waldbränden in NRW gesorgt. Allein am Dienstag seien sieben Brände registriert worden, teilte das NRW-Landwirtschaftsministerium am Mittwoch in Düsseldorf mit. Seit vergangenem Samstag waren es demnach insgesamt elf Brände, während es in den fast vier Wochen davor im Wald gar nicht gebrannt hatte. Im laufenden Jahr gab es - abgesehen von den vielen Bränden der vergangenen Tage - im Vergleich zu den Vorjahren wenige Waldbrände. 2019 waren es noch 95 Brände gewesen. 2020 waren es 227, 2021 waren es 79.
Der Waldbrandgefahrenindex verzeichnete am Dienstag und Mittwoch hohe Gefahr in ganz NRW, in Teilen des Münsterlands und in Ostwestfalen-Lippe herrschte am Mittwoch teils sogar die höchste Warnstufe 5 - also „sehr hohe Gefahr”.
Bei Sundern im Sauerland hatten Einsatzkräfte auch am Mittwoch noch mit einem am Dienstag ausgebrochenen Brand eines Mischwaldes zu tun. Die betroffene Fläche war laut einem Feuerwehrsprecher am Mittwoch mehr als 50 000 Quadratmeter groß. Das entspricht ungefähr der Größe von sieben Fußballfeldern. Wechselnde Winde erschwerten die Arbeit, Polizeihubschrauber mit Löschtanks unterstützten aus der Luft. Dass sich der Brand noch weiter ausbreite, habe man mit in den Wald gefrästen Schneisen aber wohl verhindert, sagte er.
Auch in Attendorn, Hennef im Rhein-Sieg-Kreis, Plettenberg im Märkischen Kreis und in Detmold brachen am Dienstag beziehungsweise in der Nacht zu Mittwoch Waldbrände aus. Bei Jülich brannte laut Polizei ein Feld auf einer Fläche, die etwa 16 Fußballfeldern entsprach. Am Mittwoch brannte es in einem Wald bei Iserlohn. „Wir unterstützen die Löschmaßnahmen mit mehreren Hubschraubern und nehmen Lennewasser auf”, teilte die Polizei auf Twitter mit.
Der Regen in der Nacht zum Donnerstag macht sich auch beim Waldbrandgefahrenindex bemerkbar: Der verzeichnete für Donnerstag und ganz NRW dann wieder „sehr geringe Gefahr”.
Die Trockenheit schränkt auch das Geschäft der Frachtschiffe auf dem Rhein und anderen Flüssen in Deutschland stark ein. „Wir dürfen nur noch etwa 50 Prozent der Menge transportieren, die wir transportieren könnten”, sagte der Vorstand der Deutschen Transport-Genossenschaft Binnenschifffahrt, Roberto Spranzi. Die Pegelstände der Flüsse sind derzeit niedrig. Durch die geringere Ladungsmenge sind die Schiffe weniger schwer und nicht so tief im Wasser. Die Kapazitäten sind also reduziert, die Nachfrage aber weiterhin hoch.
Am Dienstag war es mit Temperaturen von verbreitet mehr als 36 Grad in NRW sehr heiß gewesen. Der höchste Wert wurde mit 39,5 Grad in Duisburg-Baerl gemessen. Viele Menschen zog es nach draußen ans Wasser. Bei Kerken am Niederrhein ertrank ein 15-jähriger Junge in einem Badesee. In Duisburg suchte die Feuerwehr am Mittwoch weiter mit Tauchern nach einem 33-jährigen Mann, der am Dienstagabend von einer Luftmatratze gerutscht und in den Masurensee gefallen war - seitdem wird er vermisst. Gut ging eine Geschichte in einem Freibad im Kreis Lippe aus: Ein Badegast rettete dort ein regungsloses, drei Jahre altes Kind aus dem Wasser. Die Polizei sucht jetzt den Unbekannten, um sich für sein beherztes Eingreifen zu bedanken.
In Euskirchen befreiten Feuerwehrleute einen kleinen Hund aus einem komplett geschlossenen Auto. Das geschwächt wirkende, leicht taumelnde Tier habe sofort Wasser bekommen, hieß es von der Polizei. Die 34 Jahre alte Halterin habe „nur kurz einkaufen” gehen wollen. Sie wurde wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz angezeigt.
Laut einem Sprecher der Autobahn GmbH Westfalen kam es in der Hitze am Dienstag innerhalb weniger Stunden außerdem zu drei größeren Lkw-Unfällen auf Autobahnen, was außergewöhnlich viel sei. „Wir können uns vorstellen, dass das auch auf die Hitze zurückzuführen ist”, sagte er. Man solle sich bewusst machen, dass Menschen womöglich nicht so aufmerksam unterwegs seien wie sonst.
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