Washington – Das Land der Verheißung ist ein Mythos, der so gar nicht zur amerikanischen Gegenwart passen will. Wenn Barack Obama (59) den ersten Band seiner zweiteiligen Memoiren über seine Zeit im Weißen Haus so betitelt, setzt er damit einen Kontrapunkt gegen die Regierungszeit von Donald Trump.
Das 768 Seiten starke Buch „A Promised Land“ ist nach ersten Vorabmeldungen amerikanischer Medien in weiten Teilen eine Kritik an Entwicklungen der US-Politik seit 2008. Es erscheint am Dienstag kommender Woche, zeitgleich auch in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Ein verheißenes Land“.
Vertrauen in Biden
„Es war, als ob allein meine Anwesenheit im Weißen Haus eine tiefsitzende Panik losgelöst hätte, eine Vorstellung, dass die natürliche Ordnung gestört worden sei“ - so sieht Obama im Rückblick seine Wahl zum ersten schwarzen Präsidenten der USA. Deshalb habe Trump - so fasst es der Fernsehsender CNN zusammen - mit Unterstellungen begonnen, dass Obama nicht in den Vereinigten Staaten geboren und daher kein legitimer Präsident gewesen sei. „Millionen von Amerikanern, die über einen Schwarzen im Weißen Haus erschrocken waren, versprach er ein Heilmittel für ihre rassistischen Ängste.“
Er habe festes Vertrauen in Joe Biden und Kamala Harris, schreibt Obama im Vorwort seines Buches, das die Zeitschrift „The Atlantic“ vorab veröffentlicht hat. Aber eine einzelne Wahl könne nichts grundlegend ändern. „Unsere Spaltungen sind tief, unsere Herausforderungen sind gewaltig.“
Obama der Familienmensch
In einer Besprechung für die „New York Times“ schrieb die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie, dem Autor gehe es mehr um die Politik als um persönliche Dinge - „aber wenn er über seine Familie schreibt, geschieht dies mit einer fast nostalgischen Schönheit“. Etwa wenn Obama das Lachen der kleinen Tochter Sasha beim Rubbeln ihrer Füße beschreibe. Oder das langsamer werdende Atmen seiner Frau Michelle, wenn sie an seiner Schulter einschlafe.
Seine Erinnerungen an die frühen Jahre in Honolulu und Chicago hat Obama bereits in dem Buch „Dreams from My Father: A Story of Race and Inheritance“ (1995) festgehalten, 2008 auf Deutsch unter dem Titel „Ein amerikanischer Traum. Die Geschichte meiner Familie“ erschienen. Über die Anfänge seiner politischen Karriere berichtete er in „The Audacity of Hope“, das ein Jahr nach der Originalausgabe von 2006 ebenfalls auf Deutsch veröffentlicht wurde: „Hoffnung wagen. Gedanken zur Rückbesinnung auf den American Dream“.
Persönliche Eindrücke
Nun erfahren Obamas Leser, wie der Präsident seinen Einzug ins Weiße Haus erlebt hat. Mit dem Wahljahr 2008 erhielt die Polarisierung der amerikanischen Politik im Rückblick des demokratischen Politikers - so beschreibt es CNN - einen entscheidenden Schub. Festmachen lässt sich dies aus Sicht Obamas an der Berufung von Sarah Palin als Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin durch den dann unterlegenen republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain: „Mit Palin schien es, als würden die dunklen Geister, die schon lange am Rand der modernen Republikanischen Partei lauerten - Fremdenfeindlichkeit, Anti-Intellektualismus, paranoide Verschwörungstheorien, eine Antipathie gegenüber Schwarzen und Braunen - ihren Weg auf die Hauptbühne finden.“
Mit dieser Personalentscheidung habe McCain „für die Vorlage gesorgt für künftige Politiker, für eine Verschiebung des Zentrums seiner Partei und der Politik des Landes insgesamt in eine Richtung, die er verabscheute“. McCain starb 2018. Aber er stelle sich vor, schreibt Obama laut CNN, dass McCain sich im Nachhinein anders entschieden hätte.
Trump erst auf Seite 672
Obama sei immer ein nachdenklicher Politiker gewesen, schreibt Adichie, Autorin des Bestsellers „Americanah“. In seinem neuen Buch aber stelle er sich auch immer wieder selbst in Frage. Dies reicht bis hin zur Überlegung, ob seine Entscheidung zur Präsidentschaftskandidatur wirklich eine Entscheidung gewesen sei, sich in den Dienst des Landes zu stellen - oder ob es nicht mehr um das eigene Ego gegangen sei.
Natürlich stellt der Expräsident seine Amtsjahre ganz aus seiner persönlichen Sicht dar. Historiker werden entsprechend kritisch damit umzugehen wissen. So sei in den Memoiren auch das besonders aussagekräftig, was von Obama ausgelassen werde, merkt der Rezensent Harry Siegel vom Nachrichtenportal „The Daily Beast“ kritisch an. Aber nach vier Jahren Trump sei es erfrischend, wieder zu erfahren, wie nüchtern und frisch Politik sein könne. Und Trump komme in den Memoiren erst auf Seite 672 zum ersten Mal vor.
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Das Buch sei „nahezu immer mit Vergnügen zu lesen, Satz für Satz“, in einer großartigen Prosa, die Schilderungen mit feinen und lebendigen Details, lobt die Schriftstellerin Adichie. Aber sie wünscht sich mehr Emotionen des Politikers, vermisst den Ärger über immer wieder neue Hindernisse, die ihm von der republikanischen Opposition in den Weg gelegt wurden.
Offener spreche Obama über seine Begegnungen mit ausländischen Politikern, bemerkt Adichie. Hier biete das Buch eine Fülle von kleinen biografischen, oft humorvollen Skizzen. Über seinen Vizepräsidenten und gewählten Nachnachfolger schreibt Obama, Joe Biden sei anständig, ehrlich und loyal. Aber er könne auch „pieksig“ werden, wenn er nicht das bekomme, was ihm zustehe. (dpa)