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TV-KritikDieser „Tatort“ war nichts für Fans des klassischen Krimis

Lesezeit 3 Minuten
Tatort Ludwigshafen 08032020

Leons Mutter Katja (Karoline Eichhorn, r.) will es keinesfalls zugeben, aber Johanna Stern (Lisa Bitter, l.) und Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, m.) sind überzeugt davon, dass ihr Sohn gefährdet ist.

Die TV-Kritik zum aktuellen Tatort.

Der Fall

Als der Wirt Hans Schilling in seiner Kneipe tot aufgefunden wurde, standen Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und ihre Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) vor einem Rätsel, denn ein Motiv für den Mord schien es auf den ersten Blick nicht zu geben. Erst im Zuge ihrer Ermittlungen erfuhren sie, dass Schilling gerne den Ortssheriff spielte. Hatte er sich damit womöglich Feinde gemacht? Gefunden hatte den Toten der junge Migrant Samir (Mohamed Issa), dessen Aussage den beiden Kommissarinnen eigenartig erschien, fehlten doch zehn Minuten in seiner Erzählung zwischen dem Pistolenschuss und dem eingegangenen Notruf.

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Ebenso seltsam mutete Samirs Beziehung zu der 15-jährigen Vanessa (Lena Urzendowsky) und dem ebenso alten Leon (Michelangelo Fortuzzi), die gemeinsam das für die Folge namensgebende Duo „Leonessa“ bildeten. Deren Lebensstil machte die beiden Ermittlerinnen nachdenklich, denn gerade Vanessa kleidete sich in auffällig teure Kleidung und besaß das neueste Handymodell. Wie konnte sie sich diesen Lebensstil nur leisten?

Die Auflösung

Schnell wurde klar, dass Vanessa und Leon sich ihr Geld mit Prostitution verdienten. Auf dem Dach eines Parkhauses empfingen sie ihre Freier, die sich über eine Internetseite bei ihnen meldeten. Auch das Mordopfer Hans Schilling hatte dies herausgefunden und heimlich Bilder der Treffen geschossen. Als der Wirt Samir mit den Tätigkeiten seiner Freundin konfrontierte, plante der Jugendliche den Mord an Schilling. Er traf sich mit Leon, der versuchte, Samir von seinem Vorhaben abzubringen. Als Samir am nächsten Morgen dennoch mit der Waffe seines Bruders in der Hand in die Kneipe trat, fand er den Wirt bereits tot auf dem Boden. Es stellte sich heraus, dass Leon Schilling mit dessen eigener Waffe erschossen hatte. Bevor Odenthal Leon jedoch zur Rede stellen konnte, musste sie erkennen, dass es bereits zu spät war: Leon beging Selbstmord.

Die Figuren

In der kühlen, tristen Szenerie fiel vor allem Lena Odenthal auf, die überraschend emotional reagierte. Während sie versuchte, die Jugendlichen immerhin ein Stück aus der Hoffnungslosigkeit zu holen, verschloss sich Stern eher, erschien kühl und distanziert. Dies führte letztendlich zu einem Streit zwischen den beiden Kolleginnen.

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Ebenfalls gut dargestellt waren die Jugendlichen, die versuchten, nach außen hin stark zu erscheinen, denen aber dennoch eine gewisse Hilflosigkeit und Unsicherheit anzumerken war. Nicht ganz so gut kamen waren die Rollen ihrer Eltern angelegt. Die Figuren spielten kaum eine Rolle, waren äußerst flach und kamen mit Klischees wie Alkoholsucht, Desinteresse an ihren Kindern und Gewalttätigkeit daher.

Das Fazit

Dieser „Tatort“ unter der Regie von Connie Walther war wohl eher nichts für Fans des klassischen Krimis, denn der Fokus lag weniger auf dem Lösen des Mordfalls, als auf der Geschichte der verzweifelten Jugendlichen. Viel eher mutete „Leonessa“ als Sozialdrama an, das den Zuschauer vom gemütlichen Sofa in die unangenehme Realität geschädigter Familienbeziehungen zog. Der Mord wurde angesichts des Elends zur Nebensache. Die Umstände, in denen die Jugendlichen lebten, hinterließen ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Leere, sowohl bei den Ermittlerinnen als auch beim Zuschauer.

Walther und Drehbuchautor Wolfgang Stauch schafften es dabei, die harschen Bedingungen im Vorort von Ludwigshafen darzustellen, ohne mahnend den Finger zu erheben. Vielleicht war es deshalb umso schockierender, als der Zuschauer selbst erkannte, wie sich die Bewohner des Viertels bewusst von dem offensichtlichen Leid der Kinder abwandten oder Vanessa, nachdem sie aus einem fahrenden Auto geworfen wurde, stumm und resigniert ihr Geld einsammelte.