WohnungsbauWarum es so wenige Passivhäuser gibt

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Ein Dachdecker arbeitet auf einem Einfamilienhaus (Symbolbild)

Ein Dachdecker arbeitet auf einem Einfamilienhaus (Symbolbild)

Energieeffizientes Bauen liegt im Trend und ist politisch gewollt. Dennoch gibt es noch wenig Passivhäuser. Wir klären, woran das liegt.

Bis zum Jahr 2050 soll der Gebäudebestand in der Europäischen Union emissionsfrei sein – darauf haben sich die EU-Staaten erst vor zwei Wochen endgültig geeinigt. Deutschland will bereits fünf Jahre vorher Klimaneutralität erreichen. Dazu müssen vor allem auch im Gebäudesektor gewaltige Stellschrauben gedreht werden. Sogenannte Passivhäuser, die ohne herkömmliche Heizanlage auskommen, erfüllen die Anforderungen bereits oder kommen ihnen sehr nahe – nur haben sie derzeit noch eher Seltenheitswert.

Was ist ein Passivhaus?

Ein Passivhaus ist ein Haus, das gewissermaßen luftdicht verpackt ist, sprich: sehr stark gedämmt. Die Idee dahinter ist, Wärmeverluste von vornherein zu vermeiden, statt ständig gegen das Auskühlen anzuheizen. Dafür werden sogenannte Wärmebrücken, also Stellen in der Gebäudesubstanz, über die das Haus Wärme an die Außenumgebung verliert, bautechnisch von vornherein vermieden. Fenster sind dreifach verglast und gehen hauptsächlich nach Süden, um möglichst viel Sonnenwärme einzufangen; dazu wird die Abwärme von Geräten und Personen mitgenutzt.

Und statt Heizkörpern sorgt ein Lüftungssystem für die Verteilung der Wärme im Haus. Ganz ohne Heizanlage kommt ein Passivhaus indes nicht aus, wenn man es auch mal etwas gemütlicher haben will. Wo verfügbar, könne das Fernwärme sein, sagt Berthold Kaufmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Darmstädter Passivhaus-Institut (PHI), einer freien Forschungseinrichtung. Auch eine kleine Pelletheizung wäre denkbar, empfehlenswert seien aber Wärmepumpen-Kompaktanlagen, die zugleich die Warmwasserbereitung und das Lüftungssystem managen.

Passivhäuser: Nur 2400 in Deutschland

Eine offizielle Norm für Passivhäuser gibt es nicht, das Institut setzt als Maßgabe für den Heizenergieverbrauch einen Höchstwert von 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr fest. Rechnerisch entspricht das 1,5 Litern Heizöl – das ist rund ein Zehntel des deutschlandweiten Durchschnittswerts.

In einem Passivhaus fallen also so gut wie keine Heiz-, dafür aber höhere Stromkosten an. Diese ließen sich durch eine hauseigene Solaranlage wiederum abfedern. Eigentlich, so könnte man meinen, müssten Passivhäuser in Zeiten hoher Energiepreise also schwer angesagt sein. Aber: Obwohl das Konzept seit drei Jahrzehnten Thema ist, listet das PHI für Deutschland gerade einmal rund 2400 Wohnhäuser in dieser Bauweise. Das klingt nicht gerade nach einem Trend.

Ein Grund dafür dürfte sein, dass der Bau eines Passivhauses wegen der besonderen technischen Anforderungen nach wie vor teurer ist als der eines herkömmlichen Hauses. Kaufmann beziffert die Mehrkosten auf etwa fünf bis maximal zehn Prozent oder 150 bis 200 Euro pro Quadratmeter. Allerdings lassen sich auch Fördermittel bei der KfW beantragen. Passivhäuser erfüllen mindestens den KfW-55-Standard, heißt es vom PHI.

Die Mär von der Schimmelbildung

Eine weitere – und wohl auch weit größere – Rolle spielt der schlechte Ruf, der die intensive Gebäudedämmung nach wie vor begleitet: Die Abgeschlossenheit von der Außenluft fördere die Schimmelbildung, heißt es oft; man dürfe in einem Passivhaus ja keine Fenster aufmachen, weil das Haus sofort auskühle – und das Dämmmaterial, häufig aus Polystyrol, erhöhe zudem das Brandrisiko. Das kann zwar durch sogenannte Brandschutzriegel oder durch Verwendung eines nicht brennbaren Materials reduziert werden. Was in der Regel aber wiederum Mehrkosten nach sich zieht.

Was die Schimmelbildung angeht, so sei dies eine Mär, erklärt Kaufmann. Tatsächlich werde diese im Gegenteil eher durch das Fehlen einer ausreichenden Dämmung vorangetrieben – denn Schimmel bilde sich vor allem an kalten Außenwänden, die es im Passivhaus nicht gebe. Das hausinterne Lüftungssystem verhindere, dass sich Feuchtigkeitsstellen als Nährboden für Schimmel bilden: „In einem regulären Passivhaus passiert so etwas nicht.“ Und: Selbstverständlich dürfe man die Fenster aufmachen.

Die eher geringen Bauzahlen erklären sich aber auch damit, dass sich der Fokus verschiebt. So plädiert auch Kaufmann für das Prinzip „Sanierung statt Neubau“, nicht zuletzt wegen des hohen Energieverbrauchs für die Herstellung insbesondere von Stahl und Beton. Denn auch Bestandsbauten ließen sich auf ein dem Passivhaus vergleichbares Energieeffizienz-Niveau bringen, bei größeren Wohngebäuden sogar mit in Relation weniger Dämm-Aufwand. Tatsächlich ist das vor wenigen Jahren in Freiburg geschehen, als ein 16-stöckiger Wohnklotz aus den 60er-Jahren zum ersten Passiv-Hochhaus Deutschlands umgebaut wurde.

„Heizungen zu stark im Fokus“

Welchen Zeitraum es braucht, bis sich die Investition in ein Passivhaus oder einen entsprechenden Umbau amortisiert habe, sei indes schwer zu sagen, so Kaufmann – das hänge von der Entwicklung der Energiepreise ab. Die Richtung sei aber unverkennbar: „Es ist eine gute Idee, sich auf Zeiten vorzubereiten, die wahrscheinlich noch höhere Energiekosten mit sich bringen.“ Und man müsse, sagt Kaufmann, „den Blickwinkel der Diskussion erweitern“. Denn die Debatten um Energieeffizienz hätten sich bislang zu sehr auf die Heizungen fokussiert – „der Hauptteil liegt aber bei der Gebäudehülle“.


Preisverfall bei unsanierten Häusern gestoppt

Die Angst vor hohen Energiekosten und Unsicherheit um das Heizungsgesetz haben die Preise für unsanierte Häuser stark fallen lassen – nun scheint der Abwärtstrend gestoppt. Darauf deutet eine Analyse des Immobilienspezialisten Jones Lang LaSalle (JLL) hin, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

„Bei älteren, unsanierten Häusern werden die Kosten für eine energetische Sanierung nahezu eins zu eins vom Kaufpreis abgezogen“, erklärte Sören Gröbel, Experte für Wohnimmobilien bei JLL Deutschland. Mittlerweile hätten sich die Baukosten stabilisiert, in einigen Gewerken gebe es sogar leichte Rückgänge. Auch die Finanzierungskosten hätten sich nach dem Zinsanstieg stabilisiert, erklärte Gröbel: „Der Preisverfall ist somit momentan zum Stillstand gekommen.“ (dpa)

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