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Wie mächtig sind Putins Wagner-Söldner?Russlands Fassade in Afrika bröckelt

Lesezeit 4 Minuten
Auf diesem Plakat in Bamako, der Hauptstadt von Mali, werden Geburtstagswünsche an Russlands Präsidenten Putin übermittelt.

Auf diesem Plakat in Bamako, der Hauptstadt von Mali, werden Geburtstagswünsche an Russlands Präsidenten Putin übermittelt.

Obwohl Russland versucht, seinen Einfluss in der Sahel-Region zu stärken, bricht seine Fassade in Afrika durch Misserfolge der Wagner-Söldner gegen Terror in Mali zusammen.

Russlands neuer starker Mann in der Zentralafrikanischen Republik ist leicht zu erkennen. Der Wagner-Söldner Dmitry Podolsky, Rufzeichen „Salem“, verlor bei der Schlacht um die ostukrainische Stadt Bachmut einst seinen rechten Arm, trägt seitdem eine Kohlefaserprothese. Er hat nun einen der bedeutendsten Wagner-Posten auf dem Kontinent übernommen. Podolsky wurde zum Sicherheitsberater von Präsident Faustin-Archange Touadéra ernannt, der seit Jahren von der Gruppe gegen Rebellenangriffe im Amt gehalten wird.

Das Land im Herzen des Kontinents ist für die künftige Entwicklung der russischen Afrika-Politik enorm wichtig. Über 1000 Wagner-Söldner sind in der Zentralafrikanischen Republik stationiert, viele bringen ihre Familie mit, sogar ein Denkmal hat Touadéra seiner russischen Leibgarde in der Hauptstadt errichten lassen.

Seine Nation war im Jahr 2018 die erste des Kontinents, in das der inzwischen getötete Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin seine Fühler ausstreckte. In keinem afrikanischen Land war Prigoschin so oft, in keinem Land kassierten die Wagner-Oligarchen und damit auch der Kreml derart systematisch ab. Über die Plünderung von Diamanten und andere Rohstoffe, aber auch mit Geschäften in der Hauptstadt Bangui, wie einer eigenen Brauerei.

Terroranschlag mit 70 Toten ist auch Blamage für die Russen

Podolsky soll hier den russischen Schein über die Landesgrenzen hinaus aufrechterhalten – obwohl er einst zu den loyalsten Prigoschin-Kräften zählte. Von allzu großen Reformen des Afrika-Geschäfts nach dem gescheiterten Wagner-Aufstand hat der Kreml inzwischen Abstand genommen, trotz der Schaffung des an das russische Verteidigungsministerium angegliederten „Africa Corps“. Nicht nur in der Zentralafrikanischen Republik, wo in einem alten Präsidentenpalast auch örtliche Söldner ausgebildet werden, wurde das mit lokalen Eliten eng verknüpfte russische Wagner-Personal weitgehend unverändert gelassen. Der Kreml will seinen Einfluss nicht riskieren.

Denn an anderer Stelle in Afrika bröckelt die russische Fassade inzwischen merklich. In Mali etwa, wo rund 1000 Wagner-Söldner bekanntlich ebenfalls Frankreich als Schutzmacht abgelöst haben. Dort gelang der mit al-Qaida verbündeten Terrormiliz „Jamaat Nusrat al Islam wal Muslimeen“ (JNIM) im vergangenen Monat der größte Terroranschlag auf die Hauptstadt Bamako seit neun Jahren.

Mindestens 70 Menschen starben bei Angriffen auf eine Akademie für Spezialeinheiten der Armee und den Flughafen. Strategische Ziele also, zudem in unmittelbarer Nachbarschaft von einigen der größten Wagner-Stützpunkte. „Das ist eine Blamage für Malis Armee und natürlich auch für Wagner, deren Geheimdienstinformationen völlig versagt haben“, sagt Alioune Tine, der Gründer der senegalesischen Denkfabrik „Afrikajom Center“. „Niemand hat das kommen sehen, Bamako galt als eine der letzten sicheren Gegenden Malis.“

Russland nicht mit ausreichend Mitteln vor Ort

Die Junta des Landes habe zuletzt das Narrativ verbreitet, dass Malis Armee und Wagner im Verbund die Gebiete unter staatlicher Kontrolle vergrößert hätten. „Diese Angriffe zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist. Sie trafen das Herz der Regierung.“ Tine glaubt, der Anschlag wäre nicht möglich gewesen vor dem Abzug der UN-Truppen im vergangenen Jahr. „Ich war zu dieser Zeit selbst fünf Jahre lang in Mali“, sagt der Analyst, „die hatten die Instrumente, um rechtzeitig an derartige Informationen zu kommen.“

Russland verfüge nicht über die nötigen Mittel vor Ort, trotz zuletzt versprochener Lieferung von Satelliten und Überwachungstechnologien. Tine hofft, dass sich die Einsicht durchsetzt, dass der Kreml zumindest nicht allein die Sicherheit der Sahel garantieren könne. „Das ist nur in einer multinationalen Anstrengung möglich.“

Schon im Juli hatte Russlands Image arg gelitten, als Dutzende malische Soldaten und Wagner-Söldner in einem Hinterhalt von Separatisten getötet worden waren. Im Laufe des Ukraine-Krieges hat Russland zwar sein Kontingent in Mali nicht verkleinert, was bemerkenswert ist. Es sind aber gelinde gesagt nicht die besten Kräfte, die nach Westafrika geschickt werden.

Auch Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogrammes Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), erkennt eine „gewisse Ernüchterung“ bei afrikanischen Sicherheitskooperationen mit Russland, das zahlenmäßig mit einem Bruchteil der Truppen vor Ort vertreten sei, die zuvor von Frankreich entsendet worden waren.

Der „Heiligenschein“ sei nach den jüngsten Angriffen weg, so der KAS-Mann. „Offiziell werden das die beteiligten Juntas nicht eingestehen, weil sie voll auf Russland gesetzt haben, während sie westliche Kräfte mal rausgeworfen, mal rausgeekelt haben.“ Laessing glaubt aber an eine abschreckende Signalwirkung auf Staaten, denen Russland zuletzt umfangreiche Militärkooperationen schmackhaft zu machen versuchte – wie etwa Kamerun und Mauretanien. Der Kreml werde seine Einsätze in Afrika vermutlich künftig sorgsamer wählen, um weiteren Imageschaden von seiner Armee auf dem Kontinent abzuwenden.

Denn auch in anderen Sahelstaaten mit russischem Einfluss verzeichneten Terroristen zuletzt ebenfalls Landgewinne. In Burkina Faso wurde das russische Kontingent gerade von 300 auf 200 verringert, was die dortige Junta als turnusmäßige Rotation herunterzuspielen versucht. Und in Niger sind gerade einmal 100 Russen im Einsatz. Die Lieferung von seit langem versprochenen Luftabwehr-Geschützen steht dort weiter aus.