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Zwischen Geselligkeit und SexismusWenn Frauen angeln

Lesezeit 5 Minuten
Laura Pfeufer ist eine von wenigen Frauen in der männerdominierten Angelszene.

Laura Pfeufer ist eine von wenigen Frauen in der männerdominierten Angelszene.

Immer mehr Frauen entdecken die Angelszene für sich – Doch die Erfahrungen im neuen Hobby sind gemischt.

Zum Angeln kam Laura Pfeufer in der Corona-Pandemie. Sie begleitete einen Bekannten zum Fischen und fand es einfach „cool“ wie sie sagt. „Und wenn du dann das erste Mal selbst einen Fisch fängst, dann catcht dich das.“ So sei das zumindest bei ihr gewesen. Pfeufer lebt in Gifhorn im Osten Niedersachsens. Auf Instagram nennt sie sich „fischingqueen. laura“ – über 10000 Menschen folgen ihrem Profil.

Zu sehen ist die 34-Jährige dort unter anderem mit Hecht, Stör und Zander, die sie beim Spinnfischen gefangen hat, Pfeufers Lieblingstechnik. „Am Anfang habe ich aber vor allem gezeigt, wie ich mal wieder in einen Baum statt ins Wasser geworfen habe.“ Authentizität sei ihr wichtig. Frauen wie Pfeufer gibt es in der Anglerszene nur wenige. Nach wie vor handelt es sich bei der Freizeitfischerei um eine Männerdomäne. „Laut Statista gehen über sechs Millionen Deutsche mindestens einmal im Jahr angeln.

Männerdomäne aufbrechen

Wie viele davon Frauen sind, ist nicht bekannt, aber in den Vorbereitungskursen zur Fischerprüfung ist der Frauenanteil in den letzten Jahren gestiegen“, sagt Klaus-Dieter Mau, Präsident beim Deutschen Angelfischerverband e.V. (DAFV) auf Anfrage unserer Redaktion. „Eine Entwicklung, die wir sehr begrüßen.“ Laut einer Studie des Thünen-Instituts in Braunschweig liegt die Zahl der Angelnden in Deutschland auf knapp 1,7 Millionen. Davon sind sieben Prozent Frauen und 93 Prozent Männer. Beim DAFV. e.V sei man bemüht, dass sich die Verteilung weiter verschiebt. „Mittlerweile gibt es auch spezielle Angelangebote für Frauen, und wir versuchen im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit, das ungerechtfertigte Image der Angelfischerei als reine Männerdomäne aufzubrechen“, so Mau. Ein Mittel, das zum Erfolg führen soll, sind Werbekampagnen, die gezielt Frauen ansprechen sollen.

„Mädelsabend“ steht etwa auf einem Plakat, auf dem zwei Frauen an einem See sitzen und sich zuprosten. Mit Sekt statt Bier. Bei der linken Person auf dem Plakat handelt es sich um Anja Heppner, besser bekannt unter dem Namen AngelAnni. Die 35-Jährige aus Mecklenburg-Vorpommern war eine der ersten Frauen, die sich in der Anglerszene in Deutschland einen Namen gemacht hat und ihr Hobby auf Social Media zeigte. „Dafür wurde ich total belächelt und ausgelacht. ‚Was will die Blonde da mit ihren Fingernägeln‘, hieß es. Mir wurde unterstellt, nur Aufmerksamkeit zu wollen und gar nicht wirklich zu angeln. Ich habe dann entgegnet: ,Guck dir meine Videos an, da siehst du wie ich einen Fisch mit meinen eigenen Händen ausnehme.“

Nachdem Heppner 2015 ihren Fischereischein in der Tasche hatte, kam sie auf die Idee, mit Experten aus der Szene Youtube-Videos zu drehen und Angler-Fragen zu beantworten wie „Wie angel ich auf Dorsch“, „Wie angel ich auf Hecht?“. Das Konzept schlug ein, die Clips wurden tausendfach geklickt. Trotzdem dachte sie zwischenzeitlich ans Aufhören, zu heftig sei der Gegenwind gewesen. „War ich auf einem Kutter mit mehreren Männern unterwegs, wurde hinterher erzählt, ich hätte dort mit allen geschlafen“, sagt Heppner. „Am Anfang habe ich viel geweint und als die Gerüchte immer extremer wurden, habe ich überlegt, „AngelAnni“ zu löschen. Ich traute mich schon gar nicht mehr, auf eine Messe zu gehen.“

Gebessert habe es sich erst, als sie die Beziehung zu ihrem jetzigen Mann – ebenfalls ein Angler – öffentlich machte. Gemeinsam bieten die beiden in Malchow und Umgebung Angelkurse- und Touren an. Heppner konzentriert sich dabei aber ausschließlich auf Frauen und Kinder. Mit Männern angelt sie nicht mehr. „Man wird einfach zu oft angemacht.“ Sexistische Kommentare und Nachrichten auf Social Media haben ihre Spuren hinterlassen. Wie oft sie Bilder von männlichen Geschlechtsteilen geschickt bekommen habe, könne sie gar nicht zählen.

Eine, die seit Jahren alleine mit Männern über die Elbe fährt, um Zander zu fangen, ist Najwa Hussein aus Hamburg, von allen nur „Natsch“ genannt. 2010 gründete sie mit einem Freund das Unternehmen „Pro Guiding“ und bietet Angelausflüge an. Jener Freund sei es auch gewesen, der ihr das Angeln näherbrachte. „Ich habe ihm zugeschaut und fand das dermaßen langweilig. Ich durfte es dann mal ausprobieren und hatte direkt Erfolg.“ Zwei Alande habe sie gefangen. „Danach kamen direkt zwei Barsche.“

"Muss nicht halbnackt einen Fisch präsentieren"

Das Angeln vergleicht sie mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. „Es wird einem nichts geschenkt, man muss sich alles hart erarbeiten. Gerade der Zander ist ein sehr launischer Fisch, den manche seit Jahren nicht so erfolgreich fangen“, sagt sie. „Für mich ist es jedes Mal aufs neue spannend, ein Lebewesen zum Biss zu verleiten.“ Auch Hussein stellt fest, dass immer mehr Frauen auf ihr Boot steigen. „Meistens wird der Partner begleitet. Die Stimmung ist dann so lange gut, bis die Frau ihren ersten Fisch fängt. Kommt es jedoch dazu, dass die Frau mehr Erfolg hat als ihr Mann, dann kippt es.“

Negative Erfahrungen in der männerdominierten Angelfischerei hat sie selbst kaum gemacht. „Es gab eigentlich nur eine Chauvi-Truppe, die mich anleiten und mir sagen wollte, wo ich hinfahren soll.“ Und am Anfang habe sie sich ziemlich unter Druck gesetzt. „Ich war sehr darauf bedacht, dass jeder seinen Fisch fängt, nicht, dass es am Ende heißt, mit einem Mann als Guide wäre es besser gelaufen.“ Dabei würden sich viele ganz bewusst für eine Tour mit ihr entscheiden. „Die wollen wissen, wie das mit einer Frau ist. Ich verstehe das gar nicht, es ist doch egal ob Männlein oder Weiblein.“

Auch Laura Pfeufer ist es wichtig, dass das Angeln im Vordergrund steht und nichts anderes. „Ich muss nicht halbnackt einen Fisch präsentieren. Jeder soll es machen, wie er möchte, aber mir war es immer wichtig, für meine Fische gesehen zu werden, die ich fange und nicht, weil ich eine Frau bin.“ Sexistische Kommentare habe sie persönlich noch nicht bekommen. „Mir wollte zum Glück noch niemand seine Rute zeigen.“ Allerdings seien ihr an Angelplätzen schon abschätzige Blicke von Männern begegnet. „Meist von der älteren Fraktion. So nach dem Motto: Was will dieses kleine Mädchen jetzt hier am Wasser?“ Es dauert wohl noch, bis das endlich Normalität ist.