Die Bürger spüren, dass sich einiges ändern muss, damit das Land funktioniert und die Wirtschaft wieder läuft. Aber die Parteien schrecken in ihren Wahlprogrammen vor Zumutungen zurück.
Wahlprogramme zur BundestagswahlBloß keine Zumutungen für die Wähler
Es ist eine alte Wahlkampf-Weisheit, dass in Deutschland Wahlkämpfe nicht mit der Ankündigung von Zumutungen zu gewinnen sind. Angela Merkel ist da ein mahnendes Beispiel. Fast hätte sie 2005 ihren Vorsprung gegen Gerhard Schröder eingebüßt, weil sie die Erhöhung der Mehrwertsteuer ankündigte. Zu viel Ehrlichkeit, zu viel Ankündigung von Wechsel und Veränderung ist kein Erfolgsrezept.
Selbst Klartext-Kandidat Friedrich Merz schlägt neuerdings wohltemperierte Töne an. Die Wahlprogramme von CDU, Grünen und SPD strotzen von teuren Versprechen. An das unbezahlbare Rentensystem etwa wagt sich keiner mit mutigen Vorschlägen. Das ist fahrlässig.
Die Union etwa will Steuerentlastungen für Arbeitnehmer und Wirtschaft in Milliardenhöhe ermöglichen, ohne einen Vorschlag zur Finanzierung zu machen. Mit den paar Milliarden, die sie mit der Abschaffung des Bürgergeldes gewinnt, wird das kaum zu machen sein. Grüne und SPD wollen hunderte Milliarden Euro Schulden machen, um Energie günstiger zu machen und klimafreundliche Investitionen zu fördern – eine Idee, die schon während der Ampel-Koalition kursierte, mit der FDP aber nicht zu machen war. Im Kern lässt sich der Wahlkampf auf die eine Frage reduzieren: Muss der Staat sich hoch verschulden und mehr investieren, um wieder auf den Erfolgspfad zu kommen?
SPD und Grüne beantworten die Frage mit einem klaren Ja, die FDP mit einem klaren Nein – die Union mit einem Jein. Auch in der CDU hat man inzwischen erkannt, dass der Rückstau an Investitionen so hoch ist, dass sie aus dem regulären Haushalt nicht zu stemmen sind. Eine Reform der Schuldenbremse ist damit so gut wie sicher. Die Gefahr ist, dass viele strukturelle Probleme dann wieder nur mit Geld zugepflastert, aber nicht dauerhaft gelöst werden.