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MessengerdienstÄrger für Telegram – Gründer verhaftet

Lesezeit 3 Minuten
Fast eine Million Nutzer: Telegram

Fast eine Million Nutzer: Telegram

Dem Gründer von Telegram und Verfechter radikaler Meinungsfreiheit, wird vorgeworfen, nachlässig im Umgang mit illegalen Inhalten zu sein. Er wurde verhaftet.

Messenger-Dienste sind so etwas wie der Herzschlag der modernen Kommunikation – ohne sie würden viele unserer täglichen Interaktionen einfach nicht stattfinden. Der Marktführer WhatsApp aus dem riesigen Facebook-Mutter-Konzern Meta zählt etwa zwei bis drei Milliarden Benutzerinnen und Benutzer weltweit. Das vor allem in China beliebte Pendant WeChat kommt auf schätzungsweise 1,3 Milliarden Benutzer – beide erwirtschaften Hunderte Millionen Dollar Umsatz.

Riesen-Erfolg für Telegram zum Start

Und dann ist da auch noch das mysteriöse Telegram, das mit seinen gerade einmal rund 50 Mitarbeitern seit seiner Gründung vor elf Jahren einen fast schon unheimlichen Erfolg feiert: „Wir machen einen tollen Job bei Telegram, wir haben 900 Millionen Nutzer und werden bald die Milliarden-Marke überschreiten“, so der Gründer von Telegram, Pawel Durow, in einem Gespräch mit dem US-amerikanischen Moderator Tucker Carlson aus diesem Frühjahr – etwa vier Monate vor seiner Festnahme am vergangnenen Samstagabend in Paris. Ihm und seinem Messengerdienst wird schon länger vorgeworfen, nicht konsequent genug gegen illegale Inhalte vorzugehen. Der Vorwurf: Durow soll nicht genug gegen Drogenhandel, Betrug und Kindesmissbrauch auf Telegram unternommen haben – und sich geweigert haben, mit französischen Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren.

Damit geht es in dem Verfahren letzten Endes um den Markenkern von Telegram. Das Unternehmen reklamierte für sich als Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Messengerdiensten seit jeher ein hohes Maß an Unabhängigkeit von Konzern- oder staatlichen Strukturen und Vorgaben.

Große Gruppen, große Reichweite – keine Kontrolle

Seine Funktionen gehen daher auch teilweise über das hinaus, was andere Messaging-Apps wie Whats-App oder WeChat bieten. Dazu gehören zum Beispiel große unmoderierte Gruppenchats mit bis zu 200000 Mitgliedern und Kanäle zur Verbreitung von Informationen an eine unbegrenzte Anzahl von Abonnenten.

Gründer Pawel Durow gilt als Vertreter radikaler Meinungsfreiheit und führt das Tech-Unternehmen, dessen Messengerdienst sich einer riesigen weltweiten Beliebtheit erfreut, bis heute in Eigenregie – ohne den Einfluss externer Geldgeber oder Anteilseigner: „Wir wollten immer unabhängig bleiben, denn wir wussten, dass unsere Ziele womöglich nicht mit den Zielen derjenigen Fonds übereinstimmen, die in uns investieren wollen“, so Durow, der nebst der russischen auch über die französische Staatsangehörigkeit verfügt, im Gespräch mit Tucker Carlson.

Und so konnte Telegram fernab öffentlicher Einsichtnahme Jahr für Jahr wachsen. In einem Interview mit der Financial Times, ebenfalls aus dem Frühjahr, kündigte Durow an, dass Telegram bald profitabel wirtschaften würde – auch ein Börsengang in den USA sei vorstellbar.

Firmensitz liegt mittlerweile in Dubai

Dabei war lange Zeit gar nicht klar, wie das Geschäftsmodell von Telegram, das mittlerweile seinen Firmensitz in Dubai hat, eigentlich dauerhaft funktionieren soll. Die App ist kostenlos, die Server und technische Infrastruktur, die für den Betrieb der App nötig sind, verschlingen natürlich Geld. Laut Durows Aussagen in der Financial Times liegen diese Kosten aber bei vergleichsweise geringen 70 Cent pro Nutzer und Jahr. Gleichzeitig hat Telegram in den vergangenen Jahren verstärkt auch kostenpflichtige Premiumdienste angeboten, sowie in bestimmten Weltregionen mit Werbung Geld verdient. Auch über das mit Telegram verbandelte Krypto-Projekt TON wurden Hunderte Millionen Dollar an Geldern akquiriert.

Nach Durows Festnahme in Frankreich ist die Unsicherheit nun allerdings groß. Der Kurs des TON-Coins, der zu den größten Kryptowährungen weltweit zählt, brach zeitweise um 20 Prozent ein. Das Unternehmen Telegram bekräftige in einer Stellungnahme, Durow habe nichts zu verbergen. Es sei „absurd“, eine Plattform oder ihren Besitzer für den Missbrauch des Dienstes durch Dritte verantwortlich zu machen.