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Nach SchicksalsschlagVater schenkt seiner Tochter ein zweites Leben

Lesezeit 4 Minuten
Ein Styropor-Behälter zum Transport von zur Transplantation vorgesehenen Organen wird an einem OP-Saal vorbei getragen.

Ein Styropor-Behälter zum Transport von zur Transplantation vorgesehenen Organen wird an einem OP-Saal vorbei getragen. (Symbolbild)

Bernd Bargholz spendete seiner schwerkranken Tochter einen Teil seiner Leber und rettet ihr damit das Leben. In einem jährlichen Ritual feiert die Familie diese Tat.

Exakt 686 Gramm Leber bestellt Bernd Bargholz (65) jedes Jahr am 27. Juni beim Schlachter, um sie anschließend zu grillen und mit der Familie zu essen. Das Gewicht des Fleisches spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn 2007 spendete er genauso viel seiner eigenen Leber an seine Tochter Alina Eick. Die heute 35-Jährige erkrankte mit 16 so schwer, dass sie auf ein neues Organ angewiesen war. Für ihren Vater stand dabei schnell fest, dass er seiner Tochter ein zweites Mal das Leben schenken würde – trotz eigenen Risikos.

Alina Eick und ihr Vater Bernd Bargholz, der ihr 2007 einen Teil seiner Leber spendete. Ihre Erfahrung hat sie überzeugt, auch nach ihrem Tod als Organspender zur Verfügung zu stehen.

Alina Eick und ihr Vater Bernd Bargholz

„Als mich der Arzt fragte ,Wo sind deine Eltern?‘ wusste ich schon, dass irgendwas nicht in Ordnung ist“, erzählt Alina Eick im Rückblick auf das Jahr 2006. Damals wollte sie sich eigentlich nur die Mandeln entfernen lassen und ließ deswegen beim Hausarzt ihre Blutwerte überprüfen. Doch es kam ganz anders. Denn obwohl es Alina zu dem Zeitpunkt gut ging, waren ihre Werte so auffällig, dass ihr Arzt sofort Alarm schlug. Erster Verdacht: Leukämie.

Viele Untersuchungen bis zur Diagnose

Eine Schockdiagnose für die 16-Jährige und ihre Eltern, die noch am selben Tag in die Kieler Kinderklinik fuhren. Hier bestätigte sich die Anfangsdiagnose zwar nicht, doch dass irgendwas nicht in Ordnung war, war für die Ärzte offensichtlich. Eine Vielzahl von Untersuchungen später stand dann im April 2006 fest: Eick ist an einer Autoimmun-Hepatitis erkrankt, ihr eigenes Abwehrsystem greift ihre Leber an. „Da hat man dann plötzlich andere Sorgen“, erzählt die Kielerin.

Ihr behandelnder Arzt, Dr. Rainer Günther vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, habe damals versucht, mit Medikamenten gegen die Erkrankung vorzugehen. Doch diese zeigten nicht die erwünschten Ergebnisse: „Ihre Leberwerte sollten so bei 23 bis 26 sein, waren aber ungefähr bei 1000“, erzählt Bargholz. Im Winter 2006 kam Eick schließlich auf eine Warteliste für ein neues Organ. Im Gespräch mit dem zuständigen Chirurgen entschied sich die Familie für eine Lebendorganspende: „Wir wollten nicht erst abwarten, bis sich ihr Zustand verschlechtert“, erklärt ihr Vater diese Entscheidung. Der Chirurg habe damals eigentlich Eicks ältere Schwester als Spenderin in Betracht gezogen, doch Bargholz war strikt dagegen, beide Töchter dem Risiko einer Operation auszusetzen. „Das kommt nicht in die Tüte“, habe er dem Arzt gesagt und sich selbst als Spender angeboten.

Beide mussten Fragen der Ethikkommission beantworten

Bevor er seiner Tochter einen Teil seiner Leber spenden durfte, mussten sich beide den Fragen der zuständigen Ethikkommission stellen. „Ich bin gefragt worden, wie ich reagieren würde, wenn meine Tochter die Transplantation nicht überlebt“, erzählt Bargholz. Und auch Eick musste sich damit auseinandersetzen, ob sie es verarbeiten könnte, wenn ihr Vater bei der Operation sterben würde. „Ich habe damals gesagt, dass das zwar sehr schlimm wäre, aber dass mein Vater das dann so wollte“, erklärt Eick im ernsten Ton. „Aber die Leber muss dann auch funktionieren, sonst wäre er sauer!“, habe sie noch hinzugefügt.

Am 27. Juni 2007 war es dann so weit: Etwa siebeneinhalb Stunden dauerte es, Eicks Leber zu entfernen und ihr den 686 Gramm schweren Teil der Leber ihres Vaters zu transplantieren. Zum großen Glück der beiden verliefen die Operationen gut, und schon nach wenigen Tagen konnten sie das Krankenhaus verlassen. Zu Hause angekommen hatte Eick erst einmal Hunger und wünschte sich ein besonderes Gericht: „Leber mit Kartoffelbrei und Apfelmus“, erzählt ihr Vater lachend.

Gesundheitliche Folgen habe die Organspende für ihn nicht gehabt, erklärt Bargholz. Im Gegenteil, seit der Erkrankung seiner Tochter habe er sein Leben grundlegend verändert. „Ich habe früher immer 60 Stunden pro Woche gearbeitet, das habe ich dann nicht mehr gemacht, um mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu können.“ Außerdem sind sich beide darin einig, dass ihnen die Erlebnisse geholfen haben, Kleinigkeiten besser zu schätzen. „Das erdet einen“, sagt Eick.

Ein normales Leben dank der Leber des Vaters

Dank der Leber ihres Vaters kann Eick nun ein ganz normales Leben führen. Sie wird zwar immer auf Medikamente angewiesen sein, die die Abstoßungsreaktionen ihres Körpers auf das fremde Organ unterdrücken, doch ansonsten geht es ihr gut. Mittlerweile ist sie verheiratet und Mutter einer Tochter. „Das war das größte Geschenk“, erzählt Bargholz, der die Namen seiner insgesamt drei Enkelkinder als Tattoo auf der Haut trägt. Und obwohl er immer gegen Tätowierungen gewesen ist, ist es nicht bei einer geblieben. Er hat sich auch ein Symbol auf den Unterarm stechen lassen, mit dem er sich zu einer Organspende nach seinem Tod einverstanden erklärt. Seine Tochter trägt das Motiv aus einem Kreis und zwei Halbkreisen ebenfalls. Für Bargholz ist ganz klar: „Jeder sollte sich damit auseinandersetzen, ob er Organspender sein möchte oder nicht.“ Er und seine Tochter wissen, was auf dem Spiel stehen kann.