Die Zeitreise zurück in die Zukunft löst bei den meisten ein Gefühl zwischen Unglaube und Sorge aus. Denn die Konsequenzen für Europa wären enorm.
Rundschau-Debatte des TagesIst Europa für Trumps Rückkehr gewappnet?
Das düstere Planspiel wird in diesen Tagen immer beliebter in Europas Hauptstädten: Was passiert, wenn Donald Trump als US-Präsident erneut ins Weiße Haus einzieht?
Weltpolitik machte der frühere US-Präsident Donald Trump einst per Twitter. Normen und Gepflogenheiten setzte er außer Kraft und die USA stets an erste Stelle. In seiner Amtszeit von 2017 bis 2021 kündigte der Republikaner diverse internationale Abkommen auf, den Nato-Staaten drohte er mit dem Rückzug der USA aus dem Bündnis. Deutschland ging er immer wieder scharf an, kritikloser war er im Umgang mit Russland. Mit China und der EU zettelte er Handelskonflikte an. Was passiert, wenn der Ex-Präsident nun wieder ins Weiße Haus einzieht?
Natürlich ist nicht klar, ob der 77-Jährige es am Ende schaffen wird. Doch derzeit deutet für die Präsidentenwahl im November alles auf eine Neuauflage des Duells zwischen ihm und dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden hin. Sollte Trump wieder US-Präsident werden, dürfte er in einer Welt, die ohnehin aus den Fugen geraten scheint, zusätzliches Chaos stiften.
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Keine Hilfen mehr für die Ukraine
Für die Sicherheit Europas hätte eine neue Außenpolitik Trumps mit Sicherheit dramatische Folgen, allen voran für die Ukraine. Trump lehnt weitere US-Hilfen für das von Russland angegriffene Land ab, sieht vielmehr die europäischen Länder in der Pflicht. Die Lücke wäre riesig. So würden etwa die 50 Milliarden Euro, die die EU-Länder für die kommenden vier Jahre für die Ukraine bereitstellen wollen, nicht einmal im Ansatz den Bedarf decken.
Sollte Trump wie befürchtet die massive Finanz- und Waffenhilfe der USA für Kiew beenden, „kommen wir an einen kritischen Punkt“, sagt Ricardo Borges de Castro von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Center (EPC). Dann müsse Europa aktiver werden, vorneweg Deutschland und Frankreich. Dort ist unbestritten, dass man mehr für die eigene Verteidigung tun muss. Gleichwohl heißt es regelmäßig, man sei bereits am Limit, zudem hätte die Rüstungsindustrie kaum die Kapazitäten, den Wegfall der US-Lieferungen zu kompensieren.
Viele Experten lassen solche Argumente jedoch nicht gelten. Die Ressourcen und das Geld seien vorhanden, sagt Borges de Castro. „Aber das wird mit enormen Einsparungen in anderen Politikbereichen verbunden sein.“ Wo also würden die Regierungen den roten Stift ansetzen? Bei sozialen Ausgaben? Beim Kampf gegen den Klimawandel? Auf die Staatenlenker dürften unbequeme Zeiten zukommen, sollten sie das ihren Wählern vermitteln müssen.
Wird die Nato bedeutungslos?
Mit Autokraten wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kommt Trump, wie er selbst sagt, besonders gut zurecht. Den Krieg in der Ukraine könne er in 24 Stunden lösen, behauptete er mehrfach. Die Politikwissenschaftlerin Liana Fix vom Council on Foreign Relations, einer unabhängigen Denkfabrik in Washington, sagt deshalb: „Es ist anzunehmen, dass er versuchen wird, über den Kopf der Ukraine hinweg mit Russland zu verhandeln.“
So könnte Trump einen Friedensdeal vorschlagen unter der Bedingung, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen wird und akzeptiert, die von Russland besetzten Gebiete im Osten abzutreten. Dies würde ganz neue Realitäten schaffen – nicht nur für die Ukraine, sondern in Europa insgesamt. Es hätte auch Auswirkungen auf die Frage, wie selbstbewusst und aggressiv Russland sich verhalten würde, gerade gegenüber den Nato-Staaten.
Um die Nato zu schwächen, brauche es keinen formellen Rückzug der USA aus dem Bündnis, sagt Fix. Ausreichend wäre ein Vertrauensbruch, zum Beispiel durch einen Abzug aller US-Truppen aus Europa und ein Infragestellen von Artikel 5, der Beistandsverpflichtung. Zwar könnte der Kongress versuchen zu intervenieren, am Ende habe aber der Präsident die militärische Befehlsgewalt, entscheide über die US-Truppenpräsenz und ihren möglichen Abzug.
Trump beeinflusst Geopolitik schon jetzt
Dass Trump bereits jetzt einen langen Schatten vorauswirft, zeigt sich am innenpolitischen Streit über weitere US-Hilfen für die Ukraine. Die werden von den Republikanern – insbesondere den Trump-Loyalisten – im Parlament blockiert. „Die Polarisierung, die Trump ins Land bringt, findet jetzt schon statt“, sagt Fix.
Seine mögliche Wiederwahl beeinflusst aber auch die Entscheidungen mächtiger Player auf der Weltbühne. Harvard-Professor Graham Allison analysiert in der Fachzeitschrift „Foreign Policy“ beispielhaft Putins Kalkül. Als sich in der Ukraine ein Patt abzeichnete, wuchsen die Spekulationen über die Bereitschaft des Kremlchefs, den Krieg zu beenden, schreibt er. Nun aber dürfte Putin auf einen Präsidenten Trump hoffen. Die Chancen stünden gut, dass dieser Bedingungen schaffen wird, die für Putin viel vorteilhafter sind als all jene, die Biden anbieten kann und denen der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zustimmen würde.
Vom Freund zum Verhandlungspartner
Klar ist, dass sich unter Trump der Charakter der transatlantischen Beziehungen verändern würde. In seiner ersten Amtszeit sei sein Umgang mit Europa vorwiegend interessengeleitet gewesen und habe weniger auf einer gemeinsamen Wertebasis beruht, sagt Fix. „Das bedeutet, dass er immer etwas im Gegenzug haben wollte für Zugeständnisse, die er aus seiner Sicht gemacht hat.“ Dabei werde es bleiben. „Europäer werden Partner unter vielen sein, mit denen Trump Deals aushandeln wird.“ Dass er Europa mehr wertschätzen wird als Autokratien, mit denen er gleichermaßen versucht, Geschäfte zu machen – eher unwahrscheinlich.
Haben die Europäer ihre Lektion gelernt aus den ersten Trump-Jahren? „Nicht vollständig“, sagt Borges de Castro. „Sonst wären wir jetzt besser vorbereitet, wir hätten mehr Investitionen getätigt und insgesamt mehr unternommen.“ Selbst mit Joe Biden im Amt hätte man in Brüssel noch mehr über die eigene Sicherheit, Verteidigung und Abschreckung nachdenken sollen, kritisiert der Experte. Statt langfristig zu planen, habe in der EU jedoch mitunter „ein Gefühl der Selbstzufriedenheit“ geherrscht: „Die Tatsache, dass wir in Washington eine demokratische Regierung haben, hat den Druck genommen, der vorher da war.“ (mit dpa)