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USA stationieren Waffen in DeutschlandBeginnt nun ein neues Wettrüsten?

Lesezeit 4 Minuten
Ein Tomahawk-Marschflugkörper startet vom Lenkwaffenkreuzer USS Cape St. George im Einsatz im Mittelmeer.

Ein Tomahawk-Marschflugkörper startet vom Lenkwaffenkreuzer USS Cape St. George im Einsatz im Mittelmeer.

Ab 2026 werden die USA Langstreckenraketen in Deutschland stationieren, um Russland abzuschrecken. Innenpolitisch sind die Pläne höchst umstritten.

Es war eine überraschende Ankündigung am Mittwoch auf dem Nato-Gipfel: Die USA wollen von 2026 an erstmals seit den 1990er Jahren wieder Langstreckenwaffen in Deutschland stationieren. Diese sollen der Abschreckung Russlands und damit der Verteidigung des Nato-Bündnisgebiets dienen. Kritiker sehen jedoch einen Rückfall in den Kalten Krieg und fürchten ein riskantes Wettrüsten.

Was wurde in Washington genau angekündigt?

Verlegt werden sollen ab 2026 US-Langstreckenraketen vom Typ Tomahawk und SM-6, zudem weitere Hyperschallwaffen, die aber noch in der Entwicklung sind. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betonte im Deutschlandfunk, dass die Waffen „auf Rotationsbasis“ und „temporär“ hierzulande stationiert werden sollen. Langfristig aber sollen die europäischen Staaten selbst verantwortlich seien für ihre Ausstattung mit solchen Systemen.

Warum wurde die Stationierung nötig?

Pistorius sieht bei Langstreckenwaffen in Europa offenbar dringenden Handlungsbedarf. „Wir reden hier über eine durchaus ernstzunehmende Fähigkeitslücke“, sagte der Verteidigungsminister, ohne dies genauer auszuführen. Bis in die 1990er Jahre hatten die USA Langstreckenwaffen in Deutschland stationiert. Nach dem Ende des Kalten Kriegs bauten die USA und die Sowjetunion sowie ihre Nachfolgestaaten die Raketenarsenale in Europa deutlich ab. Durch den russischen Angriff auf die Ukraine 2022 änderte sich die Sicherheits- und Bedrohungslage in Europa grundlegend. Für die Bundeswehr steht nach vielen Jahren ohne direkte Bedrohung wieder die Landes- und Bündnisverteidigung an erster Stelle. Dafür fehlen der Bundeswehr aber Waffensysteme wie weitreichende Marschflugkörper, die vom Boden aus abgeschossen werden können. Die Taurus-Marschflugkörper, von denen die Bundeswehr rund 600 im Bestand hat, können nur von Flugzeugen aus der Luft gestartet werden.

Welche Waffen werden in Deutschland stationiert?

Die US-Waffen sollen eine deutlich größere Reichweite haben als die derzeit landgestützten Systeme in Europa. Tomahawks sind Marschflugkörper, die vom Boden aus gestartet werden und Ziele in mehr als 2000 Kilometer Entfernung treffen können. Damit sind aus Deutschland auch Orte in Russland erreichbar. Die Luftlinie zwischen Berlin und Moskau beträgt rund 1600 Kilometer, in die russische Exklave Kaliningrad an der Ostsee rund 580 Kilometer. Die Raketen vom Typ SM-6 sind seegestützt, werden also von Kriegsschiffen gestartet. Sogenannte Hyperschallwaffen werden derzeit entwickelt. Sie sollen mit mindestens dem Fünffachen der Schallgeschwindigkeit besonders schnell und zudem extrem gut zu manövrieren sein. Beides macht sie kaum abwehrbar.

Ist die Stationierung ein Rückfall in den Kalten Krieg?

Deutsche Kritiker aus AfD, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und Linkspartei sehen das so und fürchten einen Rückfall in eine Blockkonfrontation zwischen dem Nordatlantikbündnis Nato und Russland. Klar ist jedenfalls, dass damit eine jahrzehntelange Phase der Abrüstung in Europa beendet wird. Allerdings ist die Entscheidung der nächste Schritt einer ohnehin stattfindenden Aufrüstung der europäischen Armeen nach Russlands Angriff auf die Ukraine.

Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Sara Nanni, erklärte nach der Ankündigung, dass sie bei den Stationierungsplänen noch Klärungsbedarf sehe. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe bisher nur spärlich die tatsächliche Bedrohungslage der Nato thematisiert, sagte Nanni der „Rheinischen Post“. Der CDU-Außenpolitiker und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul mahnte angesichts dessen „eine klare und verlässliche deutsche Position in der Nato“ an. Unserer Redaktion sagte Wadephul: „Die Kritik der Grünen an den US-Stationierungsplänen zeigt, dass Annalena Baerbock den Kontakt zu ihrer Partei verloren hat.“ Leider präsentiere sich die Ampel-Regierung bei diesem sicherheitspolitisch wichtigen Thema erneut uneinig: „Das geht auch auf das Konto der Außenministerin.“ Die Grüne Baerbock sei schließlich eng in den Entscheidungsprozess für die Stationierung eingebunden gewesen, so Wadephul.

Was ist langfristig in Sachen Raketenprogramm geplant?

Langfristig sollen nicht mehr die USA für die Ausstattung mit Mittelstreckenraketen auf dem europäischen Kontinent sorgen, sondern die Europäer selbst. Verteidigungsminister Pistorius hatte bereits nach dem Treffen des deutsch-französischen Verteidigungsrats im Mai angekündigt, dass die beiden Länder eine „langfristige, umfassende und inklusive Kooperation im Bereich weitreichender Abstandswaffen“ planen. Auch Polen will sich der Koalition anschließen. Die Staaten planen die Entwicklung eigener Mittelstreckenraketen-Systeme. Weil Rüstungsprojekte aber erfahrungsgemäß lange dauern, sollen die USA übergangsweise aushelfen – gerade angesichts der akut zunehmenden Bedrohung aus Russland.

Was passiert, wenn Donald Trump US-Präsident wird?

Pistorius geht davon aus, dass die Zusage aus Washington zur Raketenstationierung Bestand hat – egal, wer im kommenden Jahr ins Weiße Haus einzieht. Die USA hätten aber ungeachtet der offenen Präsidentschaftsentscheidung die klare Erwartung, dass Europa mehr in die Entwicklung eigener Waffensysteme investiert. Experten erwarten, dass die USA ihren Fokus künftig noch mehr in Richtung Pazifik und den dortigen Sicherheitsfragen verlagern. Den europäischen Staaten käme dann für die Sicherheitsordnung auf dem Kontinent mehr Verantwortung zu. (afp/EB)