„Make Europe Great Again“Ungarn übernimmt EU-Ratsvorsitz – Was kommt auf Europa zu?

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Bleibt persönlich auf Konfrontationskurs – vor allem mit Deutschland: Viktor Orbán

Bleibt persönlich auf Konfrontationskurs – vor allem mit Deutschland: Viktor Orbán

Die ungarische EU-Ratspräsidentschaft beginnt am 1. Juli. Kritiker warnen vor möglichem Missbrauch von Machtmitteln durch den rechtspopulistischen Regierungschef Viktor Orbán.

Ungarns Regierungsvertreter hatten diese Woche sichtlich ihren Spaß in Brüssel. So präsentierten sie neben ihren Prioritäten für die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft auch ihren Slogan. Am 1. Juli übernimmt das Land für sechs Monate turnusgemäß die Leitung der EU-Ministertreffen. Und die werden dann unter dem Motto „Make Europe Great Again“, kurz MEGA, stehen – also „Macht Europa wieder großartig“.

Dass den Journalisten dieser Satz bekannt vorkam, wollten aber weder Europaminister noch Botschafter gelten lassen. Sie spielten jegliche Parallelen zu Donald Trumps Bewegung in den USA herunter. „Make America Great Again“, kurz MAGA, lautete der Kampagnenslogan von Viktor Orbáns Verbündetem, mit dem der Republikaner ins Weiße Haus eingezogen war. Die Anleihe als Provokation gegenüber den EU-Partnern?

„Mir ist nicht bekannt, dass Trump jemals Europa wieder groß machen wollte“, sagte János Bóka, Minister für europäische Angelegenheiten. Vielmehr handele es sich um „einen Hinweis auf eine aktive Präsidentschaft“. Schließt sich nun der Kreis? Trump will wieder US-Präsident werden – und die Wahlen fallen genau in die Zeit des ungarischen Ratsvorsitzes. Den Humor haben auch Ungarns Partner nicht verloren, man habe sich „köstlich amüsiert“, sagte ein Brüsseler Diplomat.

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Ein Autokrat als Vermittler?

Was kommt auf Europa zu, wenn EU-Skeptiker Orbán sechs Monate lang eine Schlüsselrolle in der Union einnimmt? Mit ihm wird erstmals in der Geschichte der Union ein rechtspopulistischer Autokrat an der Spitze eines der wichtigsten EU-Organe stehen. Es gehört zu den Aufgaben einer EU-Ratspräsidentschaft, Vermittlerin zwischen den Mitgliedstaaten mit all ihren unterschiedlichen nationalen Interessen zu sein. Kompromisse schmieden, Brücken bauen, die Agenda setzen – es sind nicht gerade Kompetenzen, mit denen der Dauerrebell aus Budapest im Club der 27 in den vergangenen Jahren aufgefallen ist.

Deshalb laufen längst die Vorkehrungen. Belgien, das aktuell die Geschäfte führt, versucht, bis 1. Juli jene Dossiers abzuräumen, die unter Ungarns Regierungspartei Fidesz wohl nicht auf den Tisch kämen. Auch die EU-Spitzenjobs will man vorher verteilt haben, sodass das zweite Halbjahr eher als Übergangsphase gilt. „Es ist nicht der Moment, in dem der Ratsvorsitz eines Landes sehr viel bewegen kann“, sagte Benedek Jávor, Leiter der Vertretung der Stadt Budapest in Brüssel. Seiner Meinung nach werde Ungarn „keine wirklich großen Schwierigkeiten machen“.

„Auf guten Willen angewiesen“

Dabei nahm Orbán zuletzt beinahe wahllos wichtige Gesetzesvorhaben in Geiselhaft, um Zugeständnisse für sich zu erpressen. Dementsprechend hält sich die Vorfreude in vielen Brüsseler Kreisen in Grenzen. Gleichwohl äußerten sich EU-Vertreter jedoch zuversichtlich, dass die Ungarn „konstruktiv“ mit dem Ratsvorsitz umgehen werden, schon allein aus Eigeninteresse. „Man ist auf den guten Willen der anderen angewiesen, sonst erreicht man gar nichts“, meinte ein hochrangiger EU-Diplomat. Denn mit einem ständigen Veto würde Orbán lediglich für Ärger sorgen.

Dabei braucht er die Partner, um Projekte durchzusetzen. Die Ungarn haben dafür sieben Prioritäten bestimmt. Neben einer „technologieoffenen Industriestrategie“ und ei-ner „bauernorientierten Landwirtschaftspolitik“ wollen sie den Fokus etwa auf Erweiterungsfragen sowie das Thema Migration und dabei auf eine Verstärkung der Außengrenzen legen. Im Programm komme die Erwartung zum Ausdruck, so Minister Bóka, „dass wir gemeinsam stärker sein sollten als einzeln, dass wir aber auch die Möglichkeit haben sollten, so zu bleiben, wie wir sind, wenn wir zusammenkommen“.

Dass Orbán diese Woche seinen Widerstand gegen den Niederländer Mark Rutte als nächsten Nato-Generalsekretär aufgegeben hat, werteten einige Beobachter denn auch als gutes Zeichen. Doch Kritiker mahnen zur Vorsicht. Der Regierungschef verfolge ein Ziel, so der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund – und das sei, „eingefrorene EU-Gelder freizueisen“.

Die EU-Kommission hält derzeit etwa 20 Milliarden Euro an EU-Zuschüssen zurück, da Ungarn laut der Behörde nicht ausreichend gegen wiederkehrende Verstöße in Sachen Rechtsstaatlichkeit vorgeht. Es sei zu befürchten, „dass Orbán hierfür auch die Machtmittel der Ratspräsidentschaft missbrauchen wird“, so Freund. Denn über eine teilweise Freigabe dürfte während des ungarischen Vorsitzes entschieden werden – vorausgesetzt, Budapest setzt den Punkt auf die Tagesordnung.

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