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Türkei und Griechenland versöhnlich„Wir wollen mehr Freunde und weniger Feinde“

Lesezeit 3 Minuten
Händeschütteln beim Nato-Gipfel im Juli: Kyriakos Mitsotakis (l.) und Recep Tayyip Erdogan.

Händeschütteln beim Nato-Gipfel im Juli: Kyriakos Mitsotakis (l.) und Recep Tayyip Erdogan.

Der türkische Präsident Erdogan schlägt vor dem Gipfeltreffen mit seinem griechischen Amtskollegen ungewohnt moderate Töne an.

Wenn Recep Tayyip Erdogan in diesen Tagen über Griechenland spricht, klingt das ganz anders als noch vor einem Jahr, als der türkische Präsident mit Raketenangriffen auf Athen drohte. „Wir wollen mehr Freunde und weniger Feinde“, sagte Erdogan vor seinem Gipfeltreffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis. Er hoffe, dass beim Gipfel in Athen am Donnerstag eine „neue Ära“ in den Beziehungen beginnen werde. Die Flüchtlingsfrage und türkische Forderungen nach Reiseerleichterungen stehen im Mittelpunkt.

Viele alte Streitthemen

Die Türkei und Griechenland streiten sich seit langem über die Grenzziehung in der Ägäis, über die geteilte Insel Zypern und über die Rechte an Gasvorkommen unter dem Mittelmeer. Erdogan warf den Griechen vor, mit amerikanischer Hilfe ihre Streitkräfte aufzurüsten, und drohte mit Krieg: „Wir können ganz plötzlich über Nacht kommen“, warnte er vor einem Jahr. Mitsotakis existiere für ihn nicht mehr, sagte er damals.

Inzwischen ist alles anders. Erdogan ist bekannt dafür, dass er nach Bedarf umlenken kann. Auch in den Beziehungen zu Griechenland hat er nach seinem Wahlsieg im Mai eine 180-Grad-Wende hingelegt, weil er bessere Beziehungen zum Westen braucht, um die türkische Wirtschaft wieder flott zu bekommen. Dass Griechenland nach dem schweren Erdbeben in der Türkei im Februar half, förderte die Wiederannäherung. Im September traf sich Erdogan mit Mitsotakis in New York und vereinbarte mit ihm eine engere Zusammenarbeit.

Die türkische Regierung signalisiert seitdem ihre Bereitschaft, mehr gegen illegale Migration zu tun, was für Griechenland wichtig ist. Innenminister Ali Yerlikaya bot in Modellversuchen mit den EU-Ländern Griechenland und Bulgarien mehr Soldaten an den Grenzen auf, um Flüchtlinge abzufangen, während Athen und Sofia versprachen, keine Flüchtlinge in die Türkei zurückzuschicken. Das habe den Flüchtlingsstrom komplett gestoppt, sagte Yerlikaya. Für die Türkei sei das wichtig, weil sie nicht zu einem Transitland werden wolle.

Griechenland sucht die Zusammenarbeit mit der Türkei in der Migrationsfrage, weil die Zahl der Bootsflüchtlinge in der Ägäis in diesem Jahr stark angestiegen ist: Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zählte bis Ende November rund 36000 Flüchtlinge, die per Boot in Griechenland ankamen; das sind fast dreimal so viele wie 2022.

Die Mitsotakis-Regierung will nach Medienberichten beim Gipfel in Athen eine Flüchtlingsvereinbarung mit der Türkei abschließen. Im Gegenzug will sich die griechische Regierung in der EU dafür einsetzen, dass die Visabedingungen für Türken gelockert werden.

Weil beide Seiten ihre Annäherung ohne Illusionen betreiben, haben sie kein Problem damit, Kernprobleme ihrer Beziehungen wie die Zypernfrage zu ignorieren, erklärt Nigar Göksel von der Denkfabrik International Crisis Group. „Athen und Ankara scheinen bestrebt zu sein, ihre bilaterale Agenda von der Zypernfrage abzukoppeln und ihre eigenen Interessen an einer Annäherung zu verfolgen, ohne sich in der Zypernfrage zu verzetteln.“