„Krampfartige Bauch- und Nierenschmerzen“So offen spricht Lena Meyer-Landrut über ihre Erkrankung

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Lena Meyer-Landrut singt in ein Mikrofon.

Lena teilt über das Internet mit, dass sie in einer Klink war.

Die gesundheitlichen Probleme von Lena Meyer-Landrut werden von Boulevard-Medien intensiv verfolgt. Die erfolgreiche Sängerin steht jedoch für Offenheit und Selbstakzeptanz.

Lena Meyer-Landrut hat sich krankgemeldet. Am vorigen Wochenende musste sie einen Auftritt absagen. Im Internet teilte sie selbst mit, dass sie in der Klinik war. Ein zweiter Auftritt fiel auch aus. Nun glüht der Boulevard.

Die „Bild“ berichtet seitdem mehrmals täglich. Ein Beitrag zu „Lenas Krankenakte“ wirft alles zusammen, was die Sängerin selbst irgendwann mal über ihre Gesundheit gesagt hat. Der nächste Text besteht nur aus Spekulationen, Ferndiagnosen und einem Paparazzo-Foto. Wie es ihr heute geht, heißt es noch, wissen natürlich nur Freunde. Dass die „Bild“ es nicht weiß, ist insofern plausibel, als Lena Meyer-Landrut gar nicht mit Boulevard-Reportern spricht. Zur „Bild“ hat sie dem „Spiegel“ gerade gesagt: „Ich möchte den Namen der Zeitung nicht mal in den Mund nehmen, so sehr ekelt mich dieses Medium an.“ Aus exakt diesem Interview picken sich die blamierten Reporter jetzt die Information raus, dass Lena mit Depressionen kämpft.

„Krampfartige Bauchschmerzen“

Dabei braucht man gar keine Zeitung, um zu erfahren, wie es Lena geht. Sie spricht selbst ständig davon. Den aktuellen Ausfall hat sie detailliert mit „krampfartigen Bauch- und Nierenschmerzen“ erklärt. Sogar, dass sie sich übergeben hat, stand dabei. Ziemlich ungeschminkte Wahrheiten von einer Künstlerin, die ihr Gesicht in den Dienst von Beauty-Konzernen wie LOréal und Yves Saint Laurent stellt.

Mit ihrer Offenheit reiht Lena sich in die Riege der Superstars ein, die auch im Glamour-Kosmos ungeschönte Realitäten zulassen. Und ein Superstar ist sie seit ihrem Raketenstart. Als Lena 2010 in Stefan Raabs ESC-Casting antritt, ist sie 18 Jahre alt und hat an Medienerfahrung zwei, drei Auftritte in Krimis und Gerichtsshows zu bieten. Vier Monate später gewinnt sie als erste Deutsche seit Nicole den ESC, vor 15 Millionen heimischen Zuschauern – und weltweit um die 150 Millionen, die Lenas fröhlichem Charme erliegen.

Frei wie eine Biene – „free as a bee over the trees“ – fühlte sie sich in einem der ersten Songs. Die kindliche Unbefangenheit war ihr Markenzeichen. Und zumindest das Kindliche bleibt. In der Sesamstraße singt Lena mit Ernie und Bert. In Castingshows wie „Dein Song“ und „The Voice Kids“ wird sie zur großen Schwester der Nation.

Lena ist die Frau der Superlative

Nur die Leichtigkeit ist mit dem gigantischen Erfolg dahin. Nach dem ESC ist Lena die Frau der Superlative: Der Siegersong führt die deutschen Charts an – und die in Norwegen, Schweden, Finnland, der Schweiz und Dänemark. In fünf Jahren spielt sie vier Gold- oder Platin-Alben ein. Und parallel dazu etabliert Lena sich in der gerade erst entstehenden Welt der Influencer. Bei TikTok folgen ihr heute 1,4 Millionen Fans, bei Instagram fast sechs Millionen.

Die Sozialen Medien fordern eine Nahbarkeit, die Lena auch musikalisch bedient: In „Home“ (2015) besingt sie eine verstorbene Freundin. „If I Wasnt Your Daughter“ (2017) adressiert ihren Vater, der die Familie verlassen hat, als Lena zwei war. „Skinny Bitch“ (2019) antwortet den Internet-Trollen.

Der öffentliche Druck, die Erwartungen und Hass-Kommentare haben gesundheitliche Folgen: Schon 2017 zieht Lena die Reißleine und bläst ein komplettes Album samt Tour ab, an dem sie schon ein Jahr gearbeitet hatte. All das macht Lena öffentlich, genau wie Reitunfälle mit doppeltem Kreuzbeinbruch, Neuigkeiten aus der Notaufnahme und eine Smartphone-Spielsucht.

Womöglich hat Lena ein Nähe-Distanz-Problem, das der Boulevard nach Kräften verschlimmert. „Bild“ und „Bunte“ verfolgen ihr Beziehungsleben bis ins vermeintliche Liebeshotel. Wenn man der „feengleichen Lena“ dank ungünstigen Lichteinfalls durchs Kleid gucken kann, wird im Video berichtet. (O-Ton „Bunte“: „Hier zeigt die Sängerin wohl mehr, als ihr lieb ist.“)

Obwohl die Sängerin allen Grund hätte, den Voyeurismus nicht noch zu füttern, sucht sie sich Foren, um sich auszusprechen. Bei „Stern TV“ erzählt sie von Momenten, in denen nicht nur die Öffentlichkeit sie als Zicke empfindet – sondern sie sich selbst so sieht. Beim Radio-Bremen-Talk „3nach9“ spricht sie über ihr Selbstwertproblem und über die Oma, die es ihr eingepflanzt hat. Dann sorgt sie dafür, dass jeder Gast der TV-Runde dem Sitznachbarn eine „warme Dusche“ lobender Worte erteilt – damit sich alle ein bisschen besser fühlen.

Als würde sie sich Mut zusprechen

Selbstakzeptanz ist so sehr Lenas Lebensthema geworden, dass ihr neues Album sie im Namen trägt: „Loyal to Myself“. Im Video zum Titelsong steigt Lena aus einem Schrottauto, das sie im Making-of zum Symbol eines depressiven Schubs erklärt. Über ihre Arbeit spricht sie dann, als würde sie sich selbst Mut zusprechen: „Ich finde, ich habe es richtig cool und krass gemacht“, sagt sie etwa. Und: „Ich hab mir soviel Mühe gegeben.“

Aus der Ferne klingt das oft selbsttherapeutisch und verblüffend kleinlaut – gerade aus dem Mund einer Influencerin, deren Raubtier-Maniküre Modemagazine vom „Comeback der extremen Nagelform“ schwärmen lässt. Etwas ulkig auch, dass Lena ausgerechnet mit „Loyal to Myself“ – dem Song über die Integrität zu sich selbst – Reklame für ein Wellness-Resort macht. Wie bei jedem normalen Menschen passt auch bei Lena nicht alles zusammen. Darüber darf man sich mokieren. Aber natürlich ist es kein Grund, ihre Krankheit als Klickbringer auszubeuten – mit Texten, die zur falschen Betroffenheit dann gleich die nächsten Paparazzo-Fotos liefern.  

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