Mit dem E-Auto soll die Verkehrswende gelingen. Dabei fahren Autos mit Wasserstoff auch emissionsfrei: Was taugt die Technik? Ein Selbstversuch unseres Autors soll es zeigen.
Cooler als E-Autos, aber...Was ein Auto mit Wasserstoff wirklich taugt
Mit Wasserstoff im Tank, statt Diesel oder Benzin, geht es von Berlin nach Flensburg und zurück. Das ist der Plan. Denn beim Verbrennen von Wasserstoff entsteht kein Klimagas. Und H2-Autos brauchen auch keine dicken Akkus voller Lithium. Trotzdem spielt die Wasserstoff-Brennstoffzelle beim Versuch, auf klimaneutrale Mobilität umzusteigen, bislang überhaupt keine Rolle. Warum nicht? Und wie schlägt sich der Wasserstoffantrieb im Kostenvergleich zu Diesel und Elektro? Ein Selbstversuch.
Toyota hat den Testwagen mit einer Restreichweite von knapp 100 Kilometern vor die Tür gestellt. Von Berlin nach Flensburg sind es 430 Kilometer. Mit vollem Tank fährt der neue Mirai II – neben dem Nexo von Hyundai übrigens das einzige käufliche Wasserstoffauto in Deutschland – gut 350 Kilometer weit. Kurz um: Es braucht schon zwei Tankstopps, um sicher anzukommen.
Erster Warnhinweis beunruhigt
Die App H2.live gibt in Echtzeit Informationen über Ort und Status der gerade mal 82 Wasserstofftankstellen im Bundesgebiet. Eine Meldung auf der App beunruhigt: „Aufgrund eines Unfalls an der Wasserstofffüllanlage in Leuna ist es uns derzeit nicht möglich, Wasserstoff kontinuierlich und verlässlich bereitzustellen.“ Es handele sich um eine „Force Majeure Situation“. In der Folge sind alle sechs Berliner Wasserstofftankstellen ausgefallen. Unser Glück: In Neuruppin ist noch genug H2 im Lager, zumindest für die Hinfahrt. Und auch weiter nordwestlich stehen alle Tanken auf „grün“, es kann also doch losgehen.
Der Mirai ist eine schwere (und lange und breite) Limousine. Trotzdem beschleunigt der Wagen kräftig. Es gibt – wie bei E-Autos – kein Getriebe. An der Ampel oder beim Beschleunigen auf der Autobahn kommt kaum ein Verbrenner gegen den stufenlosen Antrieb an. Und schon gar nicht, wenn es um die Motorgeräusche geht. Auch bei 180 km/h schnurrt der Toyota leise wie ein Kätzchen über die Spur.
Ein gutes Gefühl gibt die sogenannte Rekuperation. Auch der Mirai hat einen Akku – wenngleich einen deutlich kleineren als ein Auto, das nur mit Strom fährt. Und der lädt sich beim Bremsen auf, weil die Trägheit in Energie umgewandelt wird. Bei der dicken Limousine kommt da einiges zusammen.
Erfreulich im Vergleich zu vielen E-Autos: Die Reichweite bleibt auch bei höherem Tempo auf der Autobahn recht stabil. Allerdings reicht auch ein voller Tank bei ruhiger Fahrweise für maximal 400 Kilometer. Für einen Wagen, der 63900 Euro (ohne Mehrwertsteuer) kostet, ist das im Vergleich zu Verbrennern natürlich gar nicht viel.
In Neuruppin steht die Wasserstoff-Zapfsäule eine Reihe neben den Sprit-Säulen. Der Vorgang kann nur mit Tank- oder Kreditkarte am Automaten eingeleitet werden. Wird die Karte akzeptiert, steckt man die Tankpistole an den Stutzen im Auto. Einziger Unterschied zum Sprit-Tanken: Der Griffhebel muss angezogen werden, damit sich Pistole und Stutzen verriegeln und kein H2 entweicht. Jetzt noch ein Knopfdruck an der Säule, und der Wasserstoff strömt in den Tank.
Tanken mit Wasserstoff: Schnell erledigt
Beim E-Auto kann das Laden auch an Highspeed-Chargern schon mal eine halbe Stunde dauern, der Mirai ist nach zwei Minuten voll. Dieses Tempo wird von Stromladern absehbar nicht zu schlagen sein. Hier sind die Brennstoffzellenautos wirklich klar im Vorteil.
Die nächste Tanke in Neumünster ist übrigens auf Wasserstoff spezialisiert und steht etwas abseits der Autobahn. Nebenan hängt gerade ein Lkw am Schlauch. Sonst ist es einsam. Kein Wunder. Mehr als 2000 Pkw mit Brennstoffzelle sind in Deutschland nicht unterwegs. Auf der Autobahn kommt der Test-Mirai mit 1,15 Kilogramm 100 Kilometer weit. In Neumünster kostet ein Kilogramm Wasserstoff 9,99 Euro, macht 11,50 Euro pro 100 Kilometer.
Zum Vergleich: Ein VW Passat 2.0 TDI braucht 5,4 Liter Diesel auf 100 Autobahn-Kilometern. Das kostet beim aktuellen Dieselpreis von 1,60 Euro also 8,64 Euro. Der Durchschnittsverbrauch des vollelektrischen VW ID3 auf 100 Kilometern liegt laut ADAC bei rund 19,2 kWh. Bei einem durchschnittlichen Ladestrompreis von 45 Cent pro Kilowattstunde landet man – exakt wie beim Diesel-Passat – bei 8,64 Euro. Was beim Autokauf zu beachten ist: Diesel und Benzin werden wegen der CO2-Bepreisung immer teurer, um die Erderwärmung zu begrenzen. Ladestrom aus erneuerbaren Quellen wird eher günstiger. Wasserstoff kann nur dann preislich konkurrenzfähig werden, wenn genug davon erzeugt beziehungsweise – in Form von Ammoniak – importiert wird.
Das Prinzip der Brennstoffzelle ist die Umwandlung von chemischer Energie in elektrische Energie. Es wurde vor 186 Jahren entdeckt. Aber erst vor 16 Jahren baute Honda die erste Mini-Serie von Autos mit Wasserstoff-Brennstoffzelle. Das Projekt ging wieder ein. Mercedes hatte einen schicken Prototyp mit Fuel Cell, der nie auf den Markt kam. Das Problem: Die Entwicklung des Motors verschlingt Unsummen und lohnt nur bei Massenproduktion.
Ein Fenster könnte sich bald öffnen: BMW will ab 2028 ein Wasserstoffauto auf den Markt bringen, und zwar mit der Brennstoffzelle von Toyota. Aber erst, wenn wirklich sehr viele Autos mit der Technik verkauft werden, könnten die Wagen erschwinglich werden.
Die beiden Vorteile gegenüber dem E-Auto liegen auf der Hand: Es braucht weniger kritische Rohstoffe für den Akku. Und das Tanken geht viel schneller. Allerdings gibt es auch offenkundige Nachteile: Um Wasserstoff ohne Emissionen herzustellen und damit ein Auto zu beschleunigen, wird etwa dreimal so viel Strom benötigt wie für ein E-Auto. In der Theorie ließe sich der Nachteil kompensieren, da mit Wind und Sonne unerschöpfliche Quellen für grünen Strom vorhanden sind. Aber der Weg ist weit.
Damit geht der zweite Nachteil einher: 82 Wasserstofftankstellen gibt es in Deutschland. In Frankreich sind es 14. In den Niederlanden 17. In Spanien 1.
Wucherpreis in Flensburg-Handewitt
Ein verlässliches Wasserstofftankstellennetz in Deutschland und Europa wäre – neben akzeptablen Preisen – die Bedingung für einen Durchbruch der Technik. Das aber würde allenfalls dann aufgebaut, wenn sich Wasserstoff bei dicken Lastwagen durchsetzt. Dafür wiederum bräuchte es politische Weichenstellungen in Brüssel und Berlin. Nach Stand der Dinge aber fehlen für einen gleichzeitigen Ausbau von Wasserstofftankstellen und E-Auto-Ladesäulen der politische Wille und die Investitionsbereitschaft. Auch für den Rückweg aus dem Norden nach Berlin am nächsten Tag brauchen wir Wasserstoff. An der Tanke in Flensburg-Handewitt kostet ein Kilo 17,75 Euro, damit landet man bei 20,41 Euro für 100 Kilometer. Trotz des Wucherpreises zapft nebenan ein Däne seinen Hyundai Nexo voll. „In Dänemark ist heute nirgendwo H2 verfügbar“, sagt der schulterzuckend.
Natürlich ist die Fahrt auf der recht leeren Autobahn im Mirai ein Vergnügen. Fahrassistent, Fahrgeräusche, Beschleunigung, das alles ist top. Aber in Neumünster können wir nicht nachtanken: Es gibt eine „technische Störung“.
Zum Glück hat die inzwischen sehr geschätzte Tankstelle in Neuruppin noch immer genug Wasserstoff, obwohl im Berliner Raum weiter alles auf Rot steht. Als der Automat die Quittung ausspuckt, finden wir darunter noch eine alte Quittung. Es ist unsere, die wir am Vortag vergessen haben. Zwischendrin ist offenbar niemand hier gewesen.