Plätzchenbacken, vegetarisches Schulessen, Elterntaxis: Deutschlands oberster Schulleiter nimmt bei Konflikten Eltern in die Pflicht. Wir haben mit ihm gesprochen.
Schulleiter über steigende Ansprüche„Immer mehr Eltern sehen Schulen als Dienstleistungsbetrieb“

Eine junge Lehrerin schreibt an eine Schultafel im Mathematikunterricht
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Immer häufiger landen Konflikte zwischen Eltern und Schulen in den Medien. Sven Winkler leitet eine Oldenburger Oberschule und ist Präsident des Allgemeinen Schulleitungsverbundes Deutschlands. Er berichtet, dass die Beziehung tatsächlich schwieriger wird. Aber er hat auch Verständnis für die Eltern.
Gefühlt kommt es immer häufiger zum Streit zwischen Schule und Eltern. Wie ist denn das Verhältnis aus Ihrer Sicht?
Diese Beziehung war nie ganz einfach, aber die Herausforderungen in der Zusammenarbeit nehmen zu.
Manche Lehrer berichten, dass Eltern immer fordernder werden.
Das Selbstbewusstsein der Eltern hat auf jeden Fall zugenommen. Das finde ich sogar gut. Schließlich sind wir an der Mitarbeit der Eltern durchaus interessiert. Aber es führt gelegentlich zu Konflikten. Etwa wenn Eltern andere Ansichten über die Anforderungen, die wir erfüllen müssen, haben, als beispielsweise die Leitung der Schule. Und manchmal sehen Eltern Schulen als eine Art Dienstleistungsbetrieb, was wir definitiv nicht sind.
Was meinen Sie damit konkret?
Wir sind beispielsweise nicht dafür da, den Eltern die Erziehung ihrer Kinder abzunehmen. Das geht nur gemeinsam. Schule funktioniert grundsätzlich nicht ohne das Elternhaus. Wenn wir gegeneinander arbeiten, funktioniert das schon gar nicht.
Gibt es denn viele Eltern, die gegen die Schule arbeiten?
Manchen Eltern ist das Vertrauen in die Schule abhandengekommen. Zu Unrecht. Alles, was wir tun, tun wir im Interesse der Schüler und nicht aus Eigennutz.
Stimmt es, dass Lehrkräfte teilweise ungern schlechte Noten verteilen, weil sie Streit mit den Eltern fürchten.
Solche Meinungsverschiedenheiten kommen tatsächlich öfter vor. Die einzige Möglichkeit, die man als Lehrkraft hat, ist transparent zu erklären, wie es zu dieser Beurteilung gekommen ist. Schlechte Noten fallen ja nicht vom Himmel. Und dass eine Klassenarbeit mal in die Hose gehen kann, weiß ich aus meiner Zeit als Schüler auch selbst. Wenn es dazu kommt, haben wir als Schule die Verpflichtung, die Eltern darüber zu informieren, wie es läuft. Auch wenn die Eltern das vielleicht nicht gerne hören mögen.
In Umfragen wie dem Schulbarometer der Robert-Bosch-Stiftung klagen Schüler über Leistungsdruck und psychische Probleme.
Genauso wie erzieherische Defizite können wir gesellschaftliche Defizite nicht ausgleichen. Da sind wir einfach nicht zuständig. Ich kann nur die Elternhäuser bitten, so weit es geht, ihren erzieherischen Aufgaben nachzukommen und das nicht nur der Schule zu überlassen. Vielmehr handelt es sich bei der Erziehung der Kinder um unsere gemeinsame Aufgabe, die wir nur bewältigen können, wenn wir alle an einem Strang ziehen.
Sie sagen, dass Konflikte häufiger werden. Wo liegen die Gründe?
Das Leben ist allgemein deutlich anstrengender geworden. Die Informationsflut hat beispielsweise extrem zugenommen. Sowohl Eltern als auch Lehrer müssen immer mehr Anforderungen erfüllen. Schulische Bildung nimmt daher möglicherweise einen kleineren Raum als in der Vergangenheit ein. Ich habe das Gefühl, dass der schulische Bildungserfolg für manche Familien weniger wichtig geworden ist und die Anstrengungsbereitschaft in manchen Bereichen nachgelassen hat. Zudem ist die wirtschaftliche Zukunft für viele Familien ungewisser geworden. Viele Kinder sind im Unterricht dementsprechend gehemmt.
Weil ihre Eltern sich Sorgen machen, bringen die Kinder schlechtere Leistungen?
Ja. Wenn eine Familie wirtschaftlich abgehängt oder nicht integriert ist, setzt sich das wahrscheinlich in der Schule fort. Wenn Eltern Sorgen haben, merkt man das den Kindern im Unterricht an.
Wie kann man denn Ihrer Ansicht nach eine sinnvollere Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern gewährleisten?
Wenn Kinder sich zu Hause über die Schule beschweren, wäre es sinnvoll, den Kontakt zur entsprechenden Lehrkraft zu suchen. Wenn man kurzfristig miteinander redet und so Transparenz schafft, lassen sich Herausforderungen und Missverständnisse gemeinsam bewältigen. Das ist manchmal schwierig, etwa wenn es kulturelle Differenzen gibt, oder die Eltern nicht gut Deutsch können. Uns als Schule geht es aber immer darum, dass es den Kindern gut geht, damit sie ihr Potenzial verwirklichen können.