Der neue Pisa-Report sieht in allen entscheidenden Kriterien wieder Singapur als globales Maß der Dinge. Ein Blick in das asiatische Land lohnt sich.
Pisa-StudieWas macht der Klassenprimus Singapur besser als Deutschland?
Vor vier Jahren herrschte gedämpfte Stimmung in Singapur. Denn der südostasiatische Stadtstaat war im weltweiten Pisa-Ranking auf den zweiten Platz hinter China abgerutscht. Im Vergleich der Schulleistungen 15-Jähriger in verschiedenen Ländern hatte Singapur in den drei geprüften Fächern – Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaften – je Rang zwei belegt; beim vorangegangenen Vergleich im Jahr 2015 hatte man die Weltrangliste noch angeführt.
Nun ist man zurück an der Spitze. Der neue Pisa-Report sieht in allen entscheidenden Kriterien wieder Singapur als globales Maß der Dinge – und dies auf der Punkteskala, die die OECD für den Ländervergleich anwendet, durchaus mit deutlichem Abstand. Im Fach Mathematik liegt Singapur mit seinen 575 Punkten etwa 23 Punkte vorm zweitplatzierten Macau, in Sachen Lesekompetenz mit 543 Punkten gar 27 Zähler vorm Verfolger Irland, in den Naturwissenschaften erreichte das 5,5-Millionen-Einwohner-Land 561 Punkte, 14 mehr als der Zweite Japan.
Nicht alles ist der Pandemieeffekt
Die deutlichen Unterschiede etwa zu Deutschland schlicht auf Pandemieffekte zu schieben, würde wohl zu kurz greifen. Gerade Singapur schneidet in der Studie zuverlässig stark ab – ähnlich wie die meisten ostasiatischen Länder. Alle eint eine wichtige kulturelle Prägung: die des Konfuzianismus. Nach den Lehren des chinesischen Staatsmanns, der vor rund 2500 Jahren lebte, gehört Bildung zu den wichtigsten Tugenden überhaupt: Ein hohes Maß an Bildung war für Konfuzius nicht nur eine entscheidende Zutat charakterlicher Reife und Kontrolle, sondern auch ein unabdingbares Element gesellschaftlicher Ordnung. Bis heute achten Eltern in konfuzianisch geprägten Ländern darum oft eher darauf, dass ihre Kinder gut in der Schule sind, als dass sie Sport treiben. Selbst für Grundschulkinder ist es üblich, wöchentlich mehrere Stunden privaten Nachhilfeunterricht zu nehmen.
Singapur sticht wohl noch etwas heraus, was die Wichtigkeit formeller Bildung angeht – denn ein gutes Abschneiden in internationalen Vergleichen ist dem kleinen, wohlhabenden Staat offiziell ein großes Anliegen. So wurde über die vergangenen Jahre immer wieder ins Bildungssystem investiert – nicht zuletzt in die Lehrkräfte, die auch regelmäßig weitergebildet werden. Da Singapur keine Demokratie ist, geht es in den Lehrplänen jedoch weniger um sozialwissenschaftliche Bildung als um das Erlernen jener Fächer, die in Pisa-Studien geprüft werden.
Kaum als Vorbild steht Singapur allerdings da, wenn es um die mentale Gesundheit von Jugendlichen geht. Bei der Häufigkeit von Depression liegt das Land im internationalen Mittelfeld, die Zahl der Suizide erreichte 2022 den höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2000. Auch zeigen Umfragen, dass Stress und Sorgen in Singapur unter jungen Menschen mit Abstand am weitesten verbreitet sind. (lill)