Die EU plant, das Geschäftsmodell der Neobroker zu verbieten, da diese die Kunden-Aufträge nicht im besten Interesse der Kunden vergeben würden. Branchenkenner vermuten Lobbyarbeit der Banken.
Neobroker sollen verboten werdenEU erschwert Kleinanlegern das Investieren
Bei vielen wird die gesetzliche Rente nicht ausreichen, um den Lebensstandard im Alter zu halten. Für die private Vorsorge bietet sich der Gang aufs Börsenparkett an. Immerhin gut zwölf Millionen Deutsche ab 14 Jahren legen ihr Erspartes bereits am Kapitalmarkt an. Die Zahl der jungen Aktiensparer hat sich laut dem Deutschen Aktieninstitut in den vergangenen zehn Jahren auf 3,6 Millionen verdoppelt.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Es sind immer noch zu wenige Sparer, die auf dem Aktienmarkt investieren. Und weil das kein originär deutsches Problem ist, sondern ein europaweites, hat sich die EU das Thema auf die Fahnen geschrieben. Es hapere zurecht am Vertrauen der Kleinanleger in die Kapitalmärkte: „Wenn Kleinanleger investieren, erhalten sie nicht immer das beste Angebot“, so die Europäische Kommission.
Kostenloses Depot, geringe Gebühr für Käufe
Demnach würden Kleinanlegern Produkte und Dienstleistungen angeboten, die oft mit hohen Gebühren und Provisionen verbunden seien und die Rendite schmälern. Deswegen hat die EU vor vier Jahren einen „Aktionsplan“ ins Leben gerufen. Das erklärte Ziel: den Bürgern einen sicheren Finanzplatz zu bieten.
Dafür soll unter anderem das jetzige Geschäftsmodell der Neobroker verboten werden. Das betrifft also genau jene Finanzdienstleister, über die gerade junge Kunden investieren, deren Altersvorsorge auf besonders wackeligen Beinen steht. Denn Neobroker bieten Anlegern einen simplen und schnellen Wertpapierhandel, der besonders günstig sein soll. Ein Handy mit der App des jeweiligen Anbieters genügt, um am Börsenmarkt mitzumischen. Während das Depot kostenlos ist, fallen auf die Order – den Kauf eines Finanzprodukts – bestimmte, eher geringe Kosten an. ETF-Sparpläne sind zumeist sogar kostenlos.
Laut Scalable Capital, einem deutschen Neobroker, entfallen 90 Prozent der Sparpläne auf ETFs. „Das ist damit das beliebteste und am meisten genutzte Produkt“, so das Unternehmen. Je jünger die Kunden, desto eher würden sie in ETFs investieren. Also genau in jene Anlageklasse, zu der Finanzexperten für einen langfristigen Vermögensaufbau raten.
Nur warum will die EU ausgerechnet an die jungen Finanzdienstleister ran? Um die Frage zu beantworten, muss man das Entgeltmodell der Neobroker verstehen: Den jeweiligen Handelsauftrag eines Kunden, also die Order, wickelt ein Partner des Brokers ab. Dafür, dass der Partner den Auftrag vom Broker bekommt, zahlt er ihm eine Provision. Das Ganze nennt sich „Payment-for-Order-Flow“ (PFOF).
Die EU-Kommission unterstellt den Neobrokern, dass sie die Aufträge der Kunden an jene Partner vergeben, die ihnen die höchste Provision geben – sie also nicht im besten Kundeninteresse handeln. „Die PFOF sind eine äußerst intransparente Art, den Verbrauchern Maklergebühren in Rechnung zu stellen“, moniert Bryan Coughlan vom Europäischen Verbraucherverband BEUC auf Nachfrage.
Deswegen haben die Brüsseler Beamten ein Bezahlverbot für die Weiterleitung der Aufträge erlassen. Dabei ist die Finanzaufsicht Bafin bereits vor zwei Jahren zu dem Schluss gekommen, dass für Kunden, die kleinere Summen über Neobroker anlegen, das Investment „überwiegend vorteilhaft“ ist. „Sofern Transaktionskosten berücksichtigt wurden, waren die Ergebnisse für Kunden mehrheitlich besser als an den Referenzmärkten“, erklärt die Behörde.
Haben Banken erfolgreiche Lobby-Arbeit geleistet?
Branchenkenner vermuten gezielte Lobbyarbeit hinter dem Verbot, das 2026 kommen soll: Es dränge sich der Eindruck auf, dass die etablierten Banken sowie der Handelsplatz der Deutschen Börse, Xetra, und der internationale Börsenverbund Euronext die Kleinanlegerstrategie durch aktive Einflussnahme dazu nutze, die störenden, preiswerten Newcomer wieder aus dem Markt zu drängen, mutmaßt Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands Finanzdienstleistung (AfW).
Margarethe Honisch, Gründerin der Finanzplattform Fortunalista, sieht das ähnlich. Ihr zufolge habe es in der Vergangenheit immer wieder Entscheidungen seitens der EU gegeben, die eher im Sinne großer Banken getroffen worden seien und von denen Verbraucher weniger profitiert hätten. „Böse Zungen würden behaupten, es handelt sich um gute Lobby-Arbeit“, so Honisch.
Wirth hat Bedenken, dass die Transaktionskosten für Anleger infolge des Verbots steigen könnten. Auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sieht das Vorgehen der EU kritisch: „Ich befürchte, dass ein Verbot von Provisionen zunächst zu merklich steigenden Ordergebühren und in der Folge zu verstärkt rückläufigen Anlegerzahlen in Deutschland führen wird“, so DSW-Geschäftsführerin Christiane Hölz.
Finanzexpertin Honisch sieht dem Verbot hingegen etwas gelassener entgegen. Ob die Gebühren durch das Verbot tatsächlich steigen, gelte es abzuwarten. Die Neobroker würden ihr Geschäftsmodell bereits entsprechend neu ausrichten und dem Vorgehen der EU nicht einfach tatenlos zusehen. Anlegern rät sie dazu, ruhig zu bleiben und weiterhin den Broker mit dem besten Angebot auszuwählen.