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Serie

R(h)ein ins Museum (6)
Im Schloss Moyland wird Joseph Beuys Werk neu interpretiert

Lesezeit 4 Minuten
Auf einem schwarzen Block steht in weiß „FROM OCEANS TO CLOUDS“.

Die Rauminstallation „Hydrology“ aus dem Jahr 2023 von Lennart Lahuis.

Beide Künstler vereint ein starkes Interesse an naturwissenschaftlichen Fragen und Aggregatzuständen, die den Fluss von Energie sichtbar machen.

Im ersten Jahr seines Studiums besuchte Lennart Lahuis das Museum Hamburger Bahnhof in Berlin und sah dort die riesigen Fettblöcke von Joseph Beuys. Der hatte bei der Kunstschau „skulptur projekte münster“ 1977 für seine Installation „Tallow/ Unschlitt“ einen funktionslosen Hohlraum oberhalb eines Fußgängertunnels mit 21 Tonnen Fett und Talk ausgegossen und abgeformt. Dem urbanen „Unraum“ gab er so eine Form, die er für die spätere Präsentation in mehrere Keile zersägt hatte.

Er wollte damit vor der Zubetonierung der Städte warnen und eine Skulptur schaffen, „die nicht kalt wird“. Es war ein starker Eindruck, der Lennart Lahuis dafür sensibilisierte, was beim Gebrauch von Material möglich ist und was ein Kunstwerk sein kann. So auf jeden Fall beschreibt es der 1986 in Hengelo geborene Künstler heute.

Als Teil 2 einer Ausstellungsreihe, die junge Künstler zum Dialog mit Joseph Beuys (1921-1986) einlädt, zeigt das Museum Schloss Moyland jetzt „EARTH FIRE WATER AIR“, in der Lahuis seine Arbeiten mit denen von Beuys in Beziehung setzt. Beide vereint ein starkes Interesse an naturwissenschaftlichen Fragen und Aggregatzuständen, die den Fluss von Energie sichtbar machen. Es ist der erste große Auftritt des Niederländers in Deutschland.

Vier Säle widmen sich den vier Elementen

Lahuis hat dafür vor Ort auf Schloss Moyland recherchiert, wo mit der 5000 Arbeiten umfassenden Sammlung van der Grinten nicht nur der weltweit größte Bestand an Werken von Joseph Beuys aufbewahrt wird, sondern auch das 200.000 Archivalien umfassende Joseph Beuys Archiv angesiedelt ist.

Anfang und Endpunkt des Rundgangs bildet die Zeichnung „Erde Wasser Feuer Luft“ von Beuys. Danach folgen vier Säle, von denen jeder einem der vier Elemente gewidmet ist. Den Anfang macht das Feuer. Fotografien von Ute Klophaus, Jürgen Müller-Schneck und Franz Fischer dokumentieren Beuys' Aktion „Brennender Gully“ (1969), bei der er im Hof seines Hauses eine brennende Zeitung in einem Gully versenkte, sowie die Aktion „Ausfegen“ vom 1. Mai 1972, bei der er den Karl-Marx-Platz in West-Berlin säuberte. Lahuis, der die Gully-Aktion entdeckte und sich wünschte, er selbst wäre auf diese Idee gekommen, nahm den Impuls auf und machte daraus seine Arbeit „Pressing Issues“, für die er auf einer 1. Mai-Demo 2023 in Brüssel Fotos machte und sie anschließend verbrannte. Zuvor aber versah er sie mit einer Schicht, so dass die Motive sichtbar blieben. Er hinterfragt damit, ob das Politische der Aktion weiterhin wirksam oder nicht unkontrollierbaren Prozessen unterworfen ausgelöscht ist.

Ganz klar: Es ist eine Ausstellung, die Fragen stellt, keine Antworten gibt. Wichtig war es dem Niederländer, sich nicht auf die Person Beuys zu konzentrieren, sondern auf das Material und die physikalischen Prozesse in dessen Arbeiten.

So auch im Raum, der dem Element Erde gewidmet ist. Einer Bronze aus der Beuys-Edition „Tisch mit Aggregat“, die eine Batterie auf einem Tisch zeigt, die durch zwei Schnüre mit zwei Erdklumpen auf dem Boden verbunden ist, steht Lahuis' Installation „MURMUR“ (2018) gegenüber, die an eine archäologische Ausgrabungsstätte denken lässt. In Wannen liegen Reste von Tontafeln, auf denen der wissenschaftliche Artikel, der darauf eingraviert war, kaum mehr lesbar ist, weil die Tafeln zerbrochen sind.

Aus einer älteren Arbeit eine neue machen

Als Lahuis sich nach der Arbeit mit dem Ton die Hände gewaschen hat, entdeckte er, dass das von den Partikeln des Tons trübe Wasser am nächsten Morgen wieder klar war.

In „Settling Sediment – Portrait“ nimmt er dieses Phänomen auf. Die Arbeit besteht aus einem großen, gefüllten Wassertank, in dem in Anlehnung an Beuys' Filzanzug die Arbeitskleidung von Lahuis hängt.

Wolken aus Tonteilchen verhüllen durch die Brownsche Molekularbewegung den Anzug und lassen ihn von Zeit zu Zeit wieder erscheinen. Wie Beuys nimmt der Niederländer so eine seiner älteren Arbeiten wieder auf und macht daraus eine neue. Er führt außerdem das Projekt des „Unterwasserbuches“ fort, bei dem Beuys Fotos auf den Boden einer Wanne legte und diese vor dem hineinflutenden Wasser schützte.

Den stärksten Eindruck aber hinterlässt im letzten, dem Wasser gewidmeten Raum, die Installation „Hydrology“ von Lahuis. Auf vier rechteckigen schwarzen Elementen erscheint geschrieben mit Wasserdampf, der nur kurz lesbar aufpufft und sich sogleich in Luft auflöst, der Schriftzug „From Oceans To Clouds, To Rain To Rivers, To Oceans To Clouds, To Rain To Rivers“.

Ein schönes Sinnbild für die ewigen Kreisläufe. Besucher atmen diese Luft ein und nehmen die Botschaft mit nach Hause. Eine Idee, die sicher auch Joseph Beuys gefallen hätte.

Bis 26. Mai, Di bis So 11–17 Uhr, Am Schloss 4, Bedburg-Hau.


Und so geht es weiter

Als Nächstes widmet sich das Museum Schloss Moyland ab 23. März in der Ausstellung „Drei Hubwagen und ein Blatt Papier“ der Edition Block. Zu sehen ist eine Auswahl aus den 122 Editionen des Galeristen René Block, darunter die Skulptur „Der Denker“ (1976/78) des koreanischen Medienkünstlers Nam June Paik und einige Multiples von Joseph Beuys sowie das Objekt „Hubwagen“ (2012/13) der 1979 geborenen Alicja Kwade. (welf)