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KurswechselDer Wolf hat es in Europa immer schwerer

Lesezeit 4 Minuten
Wölfe könnten künftig einfacher abgeschossen werden. (Archivbild)

Wölfe könnten künftig einfacher abgeschossen werden. (Archivbild)

Die Entscheidung Deutschlands, den Schutzstatus von Wölfen herabzusetzen, könnte deren Abschuss erleichtern und den erfolgreichen Naturschutz gefährden, trotz anhaltender Kritik.

Für den Wolf wird die Lage in Europa immer gefährlicher und das liegt vorneweg an einem politischen Kurswechsel in Berlin. Deutschland stimmte an diesem Mittwoch in Brüssel für eine Abschwächung des Schutzstatus von Wölfen von streng geschützt auf geschützt, womit die Raubtiere wohl künftig leichter abgeschossen werden könnten. Lediglich durch die Stimme der Bundesrepublik kam überhaupt die nötige qualifizierte Mehrheit im Kreis der Vertreter der EU-Mitgliedstaaten zusammen. Dabei hatte sich Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bislang gegen eine Senkung starkgemacht. Nun gab sie ihren Widerstand auf. Angeblich hatte sich sogar das Bundeskanzleramt in den Streit eingeschaltet, um einen Konsens zwischen Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), der sich bereits vor Monaten für die Pläne aussprach, zu erzwingen, wie es hinter den Kulissen hieß. „Die Bestandszahlen des Wolfes haben sich in den letzten Jahren so entwickelt, dass diese Entscheidung aus Sicht des Naturschutzes verantwortbar und aus Sicht der Weidetierhalter notwendig ist“, sagte die Umweltministerin am Mittwoch.

Wolf seit 1979 unter strengem Schutz

Das Votum ist jedoch nur ein erster Schritt auf einem langen Weg. Erst wenn der zuständige Umweltministerrat den Vorschlag absegnet, kann die Gemeinschaft einen Abänderungsantrag für die Berner Konvention einbringen. In diesem völkerrechtlichen Übereinkommen ist der Wolf seit 1979 unter strengen Schutz gestellt. Die Gemeinschaft hat den Vertrag durch ihre Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie in europäisches Recht umgesetzt. Diese verbietet seit 1992 „alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung“ von Großraubtieren wie Wölfe, Braunbären oder Luchse in freier Wildbahn. Das Europäische Umweltbüro (EEB), ein Dachverband von Umweltorganisationen, schätzt, dass in Europa derzeit rund 20.000 Wölfe leben. Laut Bundesumweltministerium wurden 2022/2023 knapp 1400 der umstrittenen Räuber in Deutschland nachgewiesen.

Wie aus Diplomatenkreisen zu hören war, sei für Berlin wichtig gewesen, dass lediglich der Schutzstatus für den Canis lupus geändert werde, jener für die anderen Tiere aber in der aktuellen Form bestehen bleibe. Die EU-Kommission habe dies während der Sitzung zugesagt. Die Behörde muss nach einer Mehrheit im Ständigen Ausschuss einen Vorschlag zur Änderung im EU-Recht vorlegen, der danach wiederum eine Mehrheit sowohl unter den 27 Ländern als auch im Europaparlament benötigt.

Rettung einer beinahe ausgerotteten Art

Bis zur Berner Konvention war das Raubtier, zumindest in West- und Mitteleuropa, praktisch ausgerottet. Dass es sich nach rund 150 Jahren wieder ansiedeln konnte, wurde zunächst als einer der größten Naturschutz-Erfolge in der EU gefeiert. Bis sich Risse von Nutztieren wie Schafen und Rindern häuften und Weidetierhalter in einigen Teilen Europas über Gemetzel auf ihren Wiesen klagten. Bis das Tier in gewisser Weise zum Symbol für die Kluft zwischen Land- und Stadtbevölkerung wurde. Und bis der Wolf es wagte, die mächtigste Person in der Brüsseler Behörde aufzuwühlen. Im Sommer 2022 wurde das 30 Jahre altes Pony „Dolly“ der Familie von der Leyen im heimischen Burgdorf in der Region Hannover von einem Wolf mit der Kennung GW950m gerissen. Seit diesem für die Familie erschütternden Ereignis treibt die Kommissionspräsidentin der Lupus um.

Ende 2023 forderte die Behörde in einer Erklärung, den Schutzstatus des Wolfes zu senken und die Tiere so leichter jagbar zu machen. In Brüssel sind sich die Kritiker des Vorstoßes einig, dass die politische Stimmung nach dem Tod von Dolly vollends gekippt ist. Dementsprechend fielen die Reaktionen am Mittwoch aus. Die Naturschutzorganisation WWF beklagte einen „populistischen Angriff auf den Artenschutz“. Ob eine Aufrüstung von Elektrozäunen, Herdenschutzhunde oder mehr Schäfer – es gebe viele Lösungen für die Koexistenz, hieß es von Seiten der Eurogroup for Animals, dem europäischem Tierschutz-Dachverband. Die Herabstufung des Schutzstatus habe „nichts mit Wissenschaft“ zu tun, sondern sei politisch motiviert, kritisierten die Tierschützer.

Wölfe als Sündenbock für andere Probleme

„Wölfe sind nur ein Sündenbock für die zahlreichen Probleme, mit denen die Landwirte zu kämpfen haben.“ In Deutschland betonen Experten zudem regelmäßig, dass bestehende EU-Regeln ausdrücklich Spielraum böten, um auffällige Wölfe zu töten. Tatsächlich prallen in dem Konflikt seit Jahren Tierschutz und Landwirtschaft aufeinander. Der CDU-Europaabgeordnete und Agrarpolitiker Norbert Lins lobte dementsprechend die Entscheidung. „Der Wolf wurde stetig zu einer zunehmenden Gefahr für Landwirtschaft und Bevölkerung.“ Sein christdemokratischer Kollege im EU-Parlament, Peter Liese, verwies darauf, dass der Wolf „lange keine bedrohte Art mehr“ sei. Die Weidetierhaltung, „eine naturnahe Form der Landwirtschaft“, werde dagegen „durch den Wolf mehr und mehr zurückgedrängt“.