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Interview mit Norwegens Kronprinz Haakon„Deutschland ist einer der allerwichtigsten Partner Norwegens“

Lesezeit 7 Minuten
ARCHIV - 05.05.2023, Großbritannien, London: Haakon (l), Kronprinz von Norwegen, und Mette-Marit, Kronprinzessin von Norwegen, treffen zu einem Empfang von König Charles III. im Buckingham Palace ein

Haakon (l), Kronprinz von Norwegen, und Mette-Marit, Kronprinzessin von Norwegen

Nächste Woche kommt der Thronfolger mit Kronprinzessin Mette-Marit für mehrere Tage nach Deutschland. Über seine Reise sprach er mit uns im Interview.

Königliche Kinder seien wahrscheinlich wie die meisten anderen Kinder, meint Kronprinz Haakon von Norwegen. Nächste Woche kommt der Thronfolger mit Kronprinzessin Mette-Marit für mehrere Tage nach Deutschland. Mit Rena Lehmann sprach er über seine Erwartungen an die Reise – und erklärt den Deutschen, wie die Royals im Norden ticken.

Königliche Hoheit, Sie kommen für vier Tage nach Deutschland. Was ist der Anlass Ihrer Reise?

Deutschland ist einer der allerwichtigsten Partner Norwegens in Europa, und Deutschland und Norwegen teilen die gleichen Werte und ein gemeinsames Verständnis der Grundpfeiler der Gesellschaft: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Darüber hinaus arbeiten Deutschland und Norwegen seit einigen Jahren im Energiebereich zusammen, und wir hoffen, diese Zusammenarbeit weiter ausbauen zu können. Wir sind wichtige Verbündete und haben eine umfassende Verteidigungszusammenarbeit. Unsere Länder haben auch lange und tiefe historische Verbindungen aus der Hansezeit, die mehrere Hundert Jahre andauerte. Wir hoffen, dass der Besuch dazu beitragen wird, die Beziehungen zwischen uns in wichtigen Bereichen wie Energie, umweltfreundliche Schifffahrt, Kultur und Verteidigungszusammenarbeit weiter zu stärken.

Was verbindet Sie und Ihre Frau, Kronprinzessin Mette-Marit, persönlich mit Deutschland?

Wir in Norwegen verbinden viel Positives mit Deutschland, und wenn ich einfach das Erste sagen soll, das mir in den Sinn kommt, dann: freundliche Menschen und Wertarbeit.

Die Deutschen freuen sich immer über Besuch der Königshäuser. Als die englische Queen da war, stand Berlin quasi Kopf. Wird es für die Menschen Gelegenheiten geben, Sie und Ihre Frau persönlich zu treffen?

Glücklicherweise werden wir viele Leute treffen – und wir freuen uns darauf. Wir werden an Wirtschaftskonferenzen und kulturellen Veranstaltungen teilnehmen und Unternehmen besuchen. Ich freue mich auch auf die wichtige Gedenkfeier am 9. November zum Fall der Berliner Mauer und zu den Novemberpogromen.

Was bedeutet Ihnen der 9. November?

Der 9. November 1989 ist ein ganz besonderer Tag in der deutschen und europäischen Geschichte. Die Bilder aus Deutschland in jenen Novembertagen haben mich und alle anderen, die die Ereignisse verfolgt haben, sehr beeindruckt. Nicht zuletzt gedenken Sie jeden 9. November der Novemberpogrome. Deutschland hat einen umfassenden Prozess der Vergangenheitsbewältigung durchlaufen. Das beeindruckt mich sehr, ebenso die große Ernsthaftigkeit, mit der Sie der Opfer der deutschen Teilung gedenken, und die friedliche Revolution, die vor mehr als 30 Jahren zur Wiedervereinigung Deutschlands geführt hat. Wir dürfen nie aufhören, gemeinsam für Demokratie, Menschenrechte und Frieden einzutreten.

Gibt es etwas, an das man sich nach der Versöhnung zwischen Deutschland und Norwegen nach dem Zweiten Weltkrieg heute erinnern sollte? Kann man etwas für das Hier und Jetzt daraus lernen?

Ja, denn bei der Versöhnung geht es darum, die Erfahrungen, Gefühle und Erlebnisse des anderen anzuhören und anzuerkennen und dann einen Weg nach vorne zu finden. Das ist ein immerwährendes Thema.

Das norwegische Königshaus ist bekannt dafür, volksnah und bescheiden aufzutreten. Ist das der Weg für Monarchien, in modernen Zeiten fortzubestehen?

Die norwegische Monarchie wird so lange bestehen, wie das norwegische Volk diese Regierungsform wünscht. Die Monarchie wurde nach einem Referendum im Jahr 1905 gewählt, und das norwegische Parlament stimmt regelmäßig darüber ab, ob die Verfassung in diesem Punkt geändert werden soll. Wir im Königshaus repräsentieren Norwegen so lange, wie wir gewünscht werden.

Ist es eigentlich ein besonderer Vorteil Ihres „Jobs“, dass Sie viel Zeit mit Ihrer Frau verbringen können?

Ja, das ist ein guter Punkt! Es ist sehr schön, mit der Kronprinzessin zusammenzuarbeiten. Ich denke, wir sind ein gutes Team und ergänzen uns gegenseitig. Es ist auch schön, Erfahrungen mit jemandem zu teilen, der mir so nahe steht.

Mit Ihrer Tochter Ingrid könnte erstmals eine Frau den norwegischen Thron besteigen. Sehen Sie das als Bürde oder Chance für Ihre Tochter?

Alle Rollen haben Chancen, auch die Rolle der Erbprinzessin. Alle Menschen haben die Chance auf Freiheit, auch die, die Aufgaben und Erwartungen erben. Ingrid wird ihren Weg finden, auf ihre eigene Art und Weise.

Können Königskinder heute ein relativ normales Leben führen? Oder schadet es dem Ansehen und Einfluss eines Königshauses, wenn sie es tun?

Königliche Kinder und Jugendliche sind wahrscheinlich wie die meisten anderen auch. Wir alle leben mit Einschränkungen, Erwartungen, Herausforderungen und Ereignissen, die im Leben vorkommen, die schwierig sind und mit denen wir so gut wie möglich umgehen müssen.

Was würden Sie sagen: Wie „normal“ ist Ihr tägliches Leben?

Mein Arbeitsalltag ist wahrscheinlich sowohl normal als auch ein wenig ungewöhnlich. In erster Linie habe ich einen Job, der es mir ermöglicht, viele sachkundige, freundliche und engagierte Menschen aus ganz Norwegen und anderen Teilen der Welt zu treffen – und dafür bin ich sehr dankbar.

Wie würden Sie Ihre Rolle beschreiben?

Zunächst mal hat sie eine verfassungsrechtliche Seite, wie zum Beispiel die Eröffnung des Storting, des norwegischen Parlaments, und die Leitung von Kabinettssitzungen. Darüber hinaus verbringen wir viel Zeit mit Reisen durch Norwegen, wo wir an Veranstaltungen und Feierlichkeiten teilnehmen oder Unternehmen, Organisationen, Gemeinden usw. besuchen. Wir repräsentieren Norwegen auch im Ausland wie jetzt in Deutschland.

König Charles von England ist dafür bekannt, dass Umweltschutz ihm am Herzen liegt. Was liegt Ihnen besonders am Herzen?

In den letzten Jahren habe ich viel Zeit mit Fragen zur Nachhaltigkeit der Meere und zum Klimawandel verbracht. Es ist mir auch ein großes Anliegen, dass wir gemeinsam eine Gesellschaft schaffen, in der sich jeder zugehörig fühlt. Die Kronprinzessin und ich engagieren uns daher aktiv für „Kronprinsparets Fond“, der Projekte unterstützt, die die Gemeinschaft unter jungen Menschen stärken.

Ich finde es auch spannend, dazu beizutragen, Aufmerksamkeit für die norwegische Wirtschaft im Allgemeinen und die Unternehmer – im Norwegischen benutzen wir übrigens das Wort „Gründer“ – im Besonderen zu schaffen. Darüber hinaus freue ich mich, sogenannter Goodwill-Botschafter für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zu sein. Diese ehrenvolle Aufgabe habe ich seit über 20 Jahren und möchte ich auch in Zukunft gerne weiterführen. Ich habe mich sowohl während meines Studiums an der UC Berkeley als auch der London School of Economics tiefgehend mit Entwicklungsfragen befasst und beschäftige mich viel damit, wie wir zusammenarbeiten können, um ein besseres Leben für alle zu schaffen.

Die letzten Jahre werden in Europa allgemein als krisenhaft empfunden. Kann ein Königshaus in solchen Zeiten einen besonderen Zusammenhalt stiften?

Es gehört zu unserer Rolle, und wir wollen in schwierigen Zeiten versuchen, Gemeinschaft und gegenseitiges Verständnis aufzubauen.

Die Deutschen haben ein klares Schweden-Bild, das auch von Klischees beeinflusst ist. Was sollten die Menschen in Deutschland über Norwegen wissen?

Ich bin mir nicht sicher, was sie wissen sollten, aber Deutschland und Norwegen sind sich in vielerlei Hinsicht ähnlich: Wir teilen dieselben Werte, wie die Bedeutung grundlegender Menschenrechte und sozialer Integration. Norwegen ist sehr digitalisiert, norwegische Unternehmen können Energie, nachhaltige Technologien und Meeresfrüchte liefern, und die Zusammenarbeit in Bereichen wie der umweltfreundlichen Schifffahrt kann hoffentlich zu guten Ergebnissen führen. Ich hoffe, dass unsere Länder sich gegenseitig stärken können, um den grünen Wandel zu bewältigen und die Klimaziele zu erreichen. Außerdem ist die Natur in Norwegen fantastisch, und es gibt viele spannende Dinge, die man im Urlaub in unserem Land erleben kann.

Wir in Norwegen sollten vielleicht mehr über Deutschland wissen. Deutschland ist ein großes, wichtiges Land. Sie sind auch eine Kulturnation, und in der Vergangenheit sind viele norwegische Schriftsteller, Komponisten und kulturelle Persönlichkeiten nach Deutschland gereist, um zu lernen und sich weiterzuentwickeln, was für die Entwicklung der norwegischen Kultur wichtig war. Wir können viel von Deutschland lernen.