Interview

Krimi-Autor Martin Walker
„Saint-Denis ist ein magischer Ort, an dem immer alles bleibt, wie es ist“

Lesezeit 6 Minuten
Schwärmt von Bassetts: Krimi-Autor Martin Walker.

Schwärmt von Bassetts: Krimi-Autor Martin Walker.

Krimi-Autor Martin Walker über Brunos neuen Fall, mörderische Bassetts, Höhlenmenschen und das Geheimnis glücklicher Ehen

In seinem neuen Krimi „Im Château“ lässt Martin Walker seinen „Bruno, Chef de Police“ zum 16. Mal ermitteln. Daniel Benedict sprach mit dem schottischen Wahlfranzosen.

Herr Walker, in Ihrem neuen Krimi treten zwei reale Nebenfiguren auf, die für die Erwähnung im Buch eine wohltätige Spende geleistet haben. So ähnlich wie die Stifterfiguren in der christlichen Malerei. Wer hatte die Idee?

Wie die meisten meiner guten Ideen kam wahrscheinlich auch diese von meiner Frau Julia. Im Grunde liegt die Verantwortung für die Bücher komplett bei ihr. Diese Idee entstand, als Frankreichs Kulturinstitut mir einen Preis verliehen hat. Um etwas zurückzugeben, wollte ich dann Spendengelder einwerben. Und da kamen wir auf den Gedanken, einen Auftritt im Roman zu versteigern.

Würde es teurer werden, wenn ich der Schurke in der Geschichte sein will?

Eine exzellente Idee! Ich bin sicher, dass wir uns da schnell einig werden. Vor allem müssten wir einen guten Spendenzweck finden.

Verstecken Sie außer Ihren Stiftern noch andere Anspielungen?

Ich entlehne Details aus der Wirklichkeit, aber nicht als Spaß. Es ist schwierig genug, die eigentliche Handlung gut hinzukriegen.

Eins dieser Details ist wohl der Hund Ihres Polizisten: Bruno besitzt einen Bassett – und Sie auch.

Meine Familie hatte schon immer Bassetts, die Familie meiner Frau auch. Zu der Zeit, als ich mich in sie verliebt habe – vor vielen Jahren, in den 70ern – da hatte sie schon einen Bassett im Haus.

Ehen sind glücklicher, wenn sie auf der Liebe zu denselben Hunden beruhen. Wenn Sie und Ihre Frau beide Bassetts lieben oder meinetwegen auch Dackel, dann werden Sie es höchstwahrscheinlich lange miteinander aushalten. Auf den Hund kommt es an.

Warum ausgerechnet Bassetts?

Sie sind geduldig, vertragen sich ganz wunderbar mit Kindern und sind einfach lustig anzusehen. Sie sind die freundlichsten Gefährten – bis man sie jagen sieht. Von einem Bassett erwartet man nichts als schläfrige Trägheit, und sie sind auch wirklich nicht schnell. Aber sie können den ganzen Tag ununterbrochen trotten.

Ein Wildschwein läuft vielleicht 50 km/h – aber nur für zwei Minuten. Die Bassetts, immer zu zweit, watscheln hinterher und sorgen dafür, dass der Keiler immer ein bisschen schneller läuft, als er kann. Irgendwann schlägt er die Hauer in den Boden. Dann sind die Bassetts da, packen die Hinterläufe, fixieren das Wildschwein und der Jäger kommt dazu, wahlweise mit dem Schweinsspieß oder mit einem Gewehr. Bassetts sind die sanftesten und liebenswürdigsten Mörder, denen Sie je begegnen werden.

Leben Sie im französischen Périgord auch sonst wie Ihr Dorfpolizist Bruno? Mit Gänsen, Hühnern und einem Pferd?

Allerdings – das Pferd gehört aber nicht mir und weil ich nicht mehr im Frühling meiner Jugend stehe, reite ich auch eher langsam. Den größten Teil des Jahres lebe ich in Frankreich. Weihnachten versuche ich in Großbritannien zu sein, Thanksgiving in Amerika, im Sommer bin ich im Périgord und den Rest des Jahres auf Lesereise.

Ich hatte mir das Autorenleben ruhig und behaglich vorgestellt. Es bringt aber ziemlich viel Handelsreisen mit sich. Und was ich dabei immer ermüdender finde, ist die Deutsche Bahn. (Walker wechselt für die nächsten zwei Sätze aus dem Englischen ins Deutsche.) Als ich mit den Lesereisen anfing, die Deutsche Bahn war pünktlich. Heute, jeder Deutsche-Bahn-Zug ist zu spät. Sie sind inzwischen genauso schlimm wie britische Bahnen. Ich komme zu spät zu Terminen – wegen der Bahn!

Im Périgord, das beschreiben Sie auch im Roman, liegt die Höhle von Lascaux mit ihren prähistorischen Malereien. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie die ersten Kunstwerke der Menschheit ansehen?

Ich kann es nicht besser ausdrücken als Picasso, der mit den Worten aus der Höhle kam: In den Tausenden von Jahren haben wir nichts dazugelernt, was nicht damals schon da war. Es gibt aber noch andere Orte, die mich bewegen. Nicht weit von meinem Haus liegt die älteste Begräbnisstätte der Welt, 73 000 Jahre alt. Das waren Neandertaler und noch nicht der moderne Mensch. Aber sie haben sich schon um ihre Toten gekümmert. Eine Frau wurde mit Blumen um den Hals bestattet. Ein Kind hatte Steine um den Kopf liegen, damit der Schädel geschützt war. Und ein Mann zeigt Spuren einer langjährigen Arthritis. Er konnte so nicht mehr jagen. Aber er lebte in einer Gemeinschaft, die ihre Kranken versorgt: der Beginn der Zivilisation.

Wenn Sie an diese ersten Menschen denken, fühlen Sie eher das Trennende oder eher das Verbindende?

Manchmal scheinen sie uns sehr ähnlich zu sein. Wie haben sie in der Höhle gemalt? Es war stockfinster, und Fackeln konnten sie nicht anzünden, weil das den Maluntergrund heillos verrußt hätte.

Also haben sie eine Lampe aus gekochtem Rentierfett entwickelt und einen Wachholderzweig als Docht verwendet, das einzige Holz, das nicht rußt. Stellen Sie sich das vor. Die Erfindung des rauchlosen Lichts. Vor 18 000 Jahren. Um Kunst zu schaffen. Diese Leute waren uns sehr nah.

Ein Unterschied ist vielleicht ihre Nähe zu den Tieren, die wir heute ziemlich verloren haben, nicht wahr?

Das würde ich gar nicht sagen. Ich bin meinen Tieren nahe. Ich kenne meine Hühner. Ich habe deshalb sogar einen Deal mit meiner Nachbarin: Weil ich meine eigenen Tiere nicht essen könnte, esse ich ihre und sie kriegt meine. Ich glaube, das ist immer noch in uns allen. Wir haben Tiere gern um uns; sie sind ja auch wie wir. Meine Hühner kümmern sich um ihren Nachwuchs, sie zanken, sie haben ihre kleinen Konflikte.

Ihre Frau ist Restaurantkritikerin. Trauen Sie selbst sich, zu Hause überhaupt zu kochen?

Jede einzelne Mahlzeit in den Bruno-Krimis muss ich einmal selber kochen – immer mit Julia im Nacken, die mir zuwispert: Nicht so viel Salz! Länger garen lassen! Bruno war immer ein Koch, aber das Essen ist mit jedem Buch wichtiger geworden. Inzwischen ist sogar ein Kochbuch zu den Krimis erschienen. Mit dem Verleger musste ich regelrecht darum ringen, dass Julias Name auf dem Titel genauso groß erscheint wie meiner. Aber das war Pflicht: Ohne sie wäre Brunos Verpflegung ein Desaster.

16 Jahre lang haben Sie jetzt mit ihrem Polizisten Bruno verbracht. Das grenzt an eine Ehe. Streiten Sie manchmal mit Ihrer Figur? Kann Ihr Held Sie nerven?

Gar nicht. Bruno hat ein Vorbild in der Realität: Pierrot, unseren echten Dorfpolizisten. Anfang dieses Jahres ist er gestorben. Krebs. Es ging sehr schnell. Wir waren über 20 Jahre befreundet, wir haben Tennis gespielt, wir haben gejagt und er hat mir unendlich viel über das Landleben und über Frankreich beigebracht.

Es war eine dieser Männerfreundschaften, in denen viel getrunken, viel gegessen und viel gescherzt wird – und die unter der Oberfläche trotzdem tief sind. Ich hatte so viel Respekt vor Pierres profundem Anstand, dass sich das bis heute auf Bruno überträgt. Auch wenn die Figur sich von ihrem Vorbild längst wegentwickelt hat.

Wenn Sie Bruno eines Tages sterben lassen – würden Sie ihm den Tod Ihres Freundes geben, um Pierrot noch ein Denkmal zu setzen? Oder würden Sie das aus Respekt gerade nicht tun?

Einfache Antwort: Bruno stirbt nicht. Er wird auch nie krank. Er altert nicht mal. Niemand in meinem Saint-Denis altert auch nur einen einzigen Tag, Bruno nicht und erst recht nicht all die Frauen. Saint-Denis ist ein magischer Ort, an dem immer alles ganz genauso bleibt, wie es ist.

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