AboAbonnieren

Strom und GasWie sich der Krieg in der Ukraine weiterhin auf die Energiekosten auswirkt

Lesezeit 4 Minuten
Rote Lampen leuchten rund um das Kohlekraftwerk Mehrum.

Die Energiekosten sind noch immer hoch.

Woher kommt die Energie? Und wie teuer ist sie? Diese Frage beschäftigt Wirtschaft und Verbraucher seit dem russischen Überfall auf die Ukraine mehr denn je. Die Folgen des Kriegs sind weiterhin zu spüren.

Zwei Jahre Ukraine-Krieg, zwei Jahre Energiekrise in Deutschland: Die ökonomischen Auswirkungen des russischen Überfalls auf das Nachbarland waren und sind gewaltig. Allerdings hat ein Schutzschirm der Ampel-Regierung und die Beschaffung von Flüssiggas als Ersatz für Putins Pipelinegas die ganz große Katastrophe abgewendet. Dennoch bleiben Fragen.

Wie teuer ist Strom momentan?

Der Blick auf neue Analysen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fördert angesichts des lauten Stöhnens der Industrie über die hohen Kosten Überraschendes zutage: „Der durchschnittliche Strompreis für kleine bis mittlere Industriebetriebe für Neuabschlüsse ist weiter deutlich gesunken und liegt zum Jahresbeginn bei 17,65 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Das entspricht einem Rückgang um 28 Prozent gegenüber dem Jahresmittel 2023“, heißt es darin. Im Jahr 2020 – dem letzten Jahr vor dem Aufziehen der Energiekrise, lag der Industriestrompreis bei 17,76 Cent, also 0,11 Cent höher als heute.

Ein Grund für die anhaltende Debatte über die Energiekosten ist, dass Strom etwa in den USA deutlich billiger ist. Der durchschnittliche Strompreis für Haushalte sank zuletzt gegenüber 2023 um knapp 8 Prozent und liegt jetzt bei durchschnittlich 42,2 Cent pro kWh. Das ist zwar immer noch rund ein Viertel mehr als vor dem Krieg, aber auch weit von der Verdoppelung entfernt, die noch vor einem Jahr vorausgesagt worden war.

Wie hat sich der Gaspreis entwickelt?

Gas ist im Jahresvergleich sogar um 24 Prozent preiswerter geworden und kostet laut BDEW für Einfamilienhäuser im Schnitt momentan 10,68 Cent pro Kilowattstunde. Das ist allerdings noch deutlich teurer als in der Billiggas-Phase. Bis 2021 kostete die Kilowattstunde stets um die 6 Cent für Haushalte mit einem Jahresverbrauch von 20000 kWh.

Wie wirkt die Rückkehr zum vollen Mehrwertsteuersatz?

Ab Ende März wird auf Energie wieder der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erhoben. Während der Krise hatte der Staat den Satz auf 7 Prozent abgesenkt. Laut dem Portal Verivox müssen Familien mit einem Jahresverbrauch von 20000 kWh wegen der Rückkehr zum ursprünglichen Steuersatz in diesem Jahr etwa 200 Euro mehr zahlen als bei weiter reduzierter Mehrwertsteuer. Unter dem Strich dürfte es dennoch deutlich preiswerter bleiben als zum Höhepunkt der Energiekrise.

Wie geht es langfristig mit den Energiekosten weiter?

Zwar könne niemand genau prognostizieren, wie sich die Preise weiterentwickeln, sagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Stadtwerke-Verbandes VKU. Dann wagt er aber doch einen Ausblick, und der ist nicht schön: „Dass Strom nicht wieder so preiswert wird wie vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, davon müssen wir ausgehen.“ Die Gründe: Zwar sinken die Beschaffungskosten, „aber die Netzentgelte und der CO2-Preis steigen“, sagt er.

Und zwar werde schon kostengünstig viel grüner Strom erzeugt. „Aber der notwendige Ausbau der Stromnetze und Anlagen, sowie der Aufbau von Ersatzkapazitäten zur Absicherung der Erneuerbaren erfordert noch gewaltige Investitionen. Da müssen wir realistisch bleiben.“ Dass die Marktpreise schneller gesunken seien, als viele damals erwartet hätten, sei dennoch erst einmal eine gute Nachricht, sagt Liebing weiter. „Das hatte allerdings auch mit einer sinkenden globalen Gasnachfrage zu tun. Es kann nächstes Jahr wieder in die andere Richtung gehen.“

Aber das russische Gas brauchen wir nicht mehr?

Deutschland hat im Rekordtempo neue Quellen erschlossen, allerdings nicht zum Preis wie Putins Pipelinegas. Deswegen wird auch Gas auf Dauer teurer bleiben als vor dem Krieg, so die Erwartung des Verbundes kommunaler Unternehmen, in dem dem Stadtwerke organisiert sind. Die Gasbeschaffung werde weiter von den Energieunternehmen und von der Regierung diversifiziert. „Das ist eine der Lehren aus der fatalen Abhängigkeit von Russlands Gas“, sagt VKU-Chef Liebing.

Deutschland bleibe trotz des voranschreitenden Ausbaus der erneuerbaren Energien bis auf weiteres auf Gas-Importe angewiesen, weil Wasserstoff noch nicht ausreichend verfügbar ist. „Wichtig dabei ist, dass wir keine neuen einseitigen Abhängigkeiten schaffen, auch nicht von den USA oder anderen Ländern“, sagt der Stadtwerke-Boss. Anlass für Liebings Mahnung: US-Präsident Joe Biden hat kürzlich den Ausbau neuer LNG-Terminals gestoppt, über die auch viel Flüssiggas nach Deutschland geliefert werden sollte. Und das könnte die Preise für LNG wieder steigen lassen.


Gestiegene Energiekosten

41 Prozent sind die Preiste für Heizen, Strom und Tanken nach einer Analyse derzeit gegenüber dem Vorkrisenniveau von Anfang 2021 gestiegen. Für die Berechnung hat das Vergleichsportal Verivox als Grundlage einen Drei-Personen-Musterhaushalt mit einem jährlichen Wärmebedarf von 20000 Kilowattstunden (kWh), einem Stromverbrauch von 4000 kWh und einer jährlichen Autofahrstrecke von 13300 Kilometern verwendet. Solch ein Haushalt muss zurzeit 1534 Euro mehr für Energie ausgeben als noch im Februar 2021, hieß es. Strom, Sprit und Heizung kosten den Musterhaushalt 5306 Euro im Jahr. (dpa)