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Neuer Kraftstoff HVOGeht es bald mit Frittenfett aufs Feld?

Lesezeit 5 Minuten
Weil der Treibstoff auch aus Abfällen aus der Gastronomie hergestellt wird, spricht man auch von Recycling-Diesel.

Weil der Treibstoff auch aus Abfällen aus der Gastronomie hergestellt wird, spricht man auch von Recycling-Diesel.

Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein: Ein beinahe CO2-neutraler Diesel könnte der Antrieb der Zukunft sein und über das Tankstellennetz verbreitet werden: HVO.

HVO steht für Hydrogenated Vegetable Oils – also pflanzliche oder tierische Öle, die zu brennbarem Kohlenwasserstoff umgewandelt werden. Damit wäre sogar die alte „Tank-oder-Teller“-Debatte gegen Biosprit aus Rapsöl vom Tisch. Seit 2023 wird HVO in Europa, anders als noch in frühen Entwicklungsjahren, kein Palmöl mehr beigemischt. Da bei der Herstellung nicht nur Altfette eingesetzt werden, sondern auch Kompost oder Stroh, wird unter Fachleuten statt HVO auch von Btl (Biomass-to-liquid) gesprochen.

Wenn sich die Bundesregierung beim HVO zu einer Subvention für landwirtschaftliche Betriebe durchringen kann, könnte der klimafreundliche Treibstoff die Wogen des Bauernprotests bald wieder glätten. Allerdings ist die Zulassung nicht vor April 2024 geplant.

Debatte um den neuen Kraftstoff

Eigentlich hat die Bundesregierung die Zulassung schon im Frühjahr 2023 angekündigt. Doch das Bundesverkehrs- und Bundesumweltministerium liefern sich seitdem eine Auseinandersetzung. Während Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Zulassung befürwortet, bremst Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne). In Hessen gab es schon im vergangenen Jahr eine Tankstelle, die HVO anbot und den Verkauf später stoppen musste.

Im April 2024 soll nun aber die Aufnahme der DIN-Norm EN15940 ins Bundesimmissionsschutzgesetz erfolgen, wodurch der Kraftstoff offiziell verkauft werden dürfte – vorausgesetzt, der Bundesrat stimmt der Verordnung zu. Auch für die Transportbranche sind das gute Neuigkeiten, auch wenn manche Logistiker aus gemachter Erfahrung mit hohen Preisen für Flüssiggas-Lkw noch skeptisch sind, ob sie mit HVO langfristig wirklich günstiger unterwegs sind als mit konventionellem Diesel.

HVO: Schweden ist Vorreiter

Schweden ist dagegen Vorreiter in Sachen HVO. Durch den Einsatz im Güterverkehr konnte das Land seine CO2-Emissionen bereits erheblich senken. Auch in allen anderen skandinavischen Ländern gibt es schon HVO-Tankstellen, ebenso wie in Österreich, Ungarn, Tschechien, dem Baltikum, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz, Portugal, Spanien, Irland und in Großbritannien.

Weil der Treibstoff auch aus Abfällen aus der Gastronomie hergestellt wird, spricht man auch von Recycling-Diesel. Das Bundesverkehrsministerium verweist auf die Bestandesknappheit. Altspeiseöle würden bereits heute vielfach im Verkehr und in der Chemiebranche beigemischt. Die Menge könne kurzfristig nicht gesteigert werden. Ganz so wenig HVO-Sprit ist es aber unterm Strich nicht: Aus Branchenkreisen ist zu hören, dass die in der EU verfügbare Menge dem gesamten deutschen Dieselverbrauch eines Jahres entspricht. Im internationalen Vergleich verfügt Europa bis dato sogar über die größten Mengen weltweit.

Auch Autos können HVO tanken. Je nach Modell braucht es dafür aber eine offizielle Empfehlung des Herstellers. Viele Autobauer haben ihre Fahrzeuge bereits zur Betankung mit HVO freigegeben. Bei Dieselautos von VW gilt zum Beispiel für alle Modelle ab Mitte 2021 eine generelle Freigabe. Für ältere Fahrzeuge sollten peu a peu weitere Freigaben folgen. Einen Hinweis liefert übrigens ein Blick unter die Tankklappe: Prangt dort ein kleines Quadrat mit der Aufschrift „XTL“, verträgt der Motor HVO.

Wird HVO-Sprit vergünstigt?

Die HVO-Zulassung kommt auch für die Landwirte also eigentlich gerade recht. Denn die Bundesregierung will Agrardiesel in Zukunft schrittweise nicht mehr steuerlich begünstigen. Mit der Förderung fossiler Kraftstoffe soll Schluss sein, um Gelder für den Haushalt einzusparen und klimaschädliche Anreize zu vermeiden.

Noch ist nicht bekannt, ob die Ampel Vergünstigungen für landwirtschaftliche Betriebe bei HVO-Sprit plant. Von technischer Seite gibt es schon grünes Licht: Die Landmaschinenhersteller Claas und Fendt haben eine Freigabe erteilt. Aus ihrer Sicht müssen die Motoren wegen starker Ähnlichkeit zum Diesel nicht angepasst werden.

Aufgrund der schnellen und unkomplizierten Verwendbarkeit setzen auch Reedereien und die Bahn auf HVO. Seit 2023 fahren Züge der DB-Cargo mit dem Biokraftstoff. Für Unternehmen galt eine vorzeitige Zulassung. Auch die Schiffsflotte der Stadt Hamburg und das Bodenpersonal mehrerer deutscher Flughäfen nutzt HVO schon länger.

Experten gehen davon aus, dass ein Liter des Biosprits HVO zum Marktstart etwa 15-20 Cent teurer als Diesel sein wird. Grundlage für diese Annahme sind die wenigen Tankstellen in Deutschland, die an Clubmitglieder schon seit einigen Monaten HVO verkaufen. Langfristig könnte der Preis für einen Liter HVO-Diesel laut einer Studie aber auf einen Euro sinken.

Mit der bevorstehenden HVO-Zulassung im Frühjahr dürfte sich die Lage bald entspannen. Eine Studie hat zudem untersucht, für welche Verkehrssektoren Kraftstoffe aus Speiseölen am effizientesten fürs Klima eingesetzt werden können. Die Empfehlung war eindeutig: Im Straßenverkehr und Schiffsverkehr sollte Biodiesel vermehrt getankt werden, weil er dort die größtmöglichen Auswirkungen zugunsten einer geringeren CO2-Belastung hat.


Spritverbrauch nimmt mit HVO zu

Der ADAC hat den Einsatz von HVO bei Pkws getestet. Ergebnis: Beim Öko-Diesel sank der Stickstoff-Ausstoß um 40 Prozent. Der Verbrauch nahm leicht zu, weil HVO eine geringere Dichte hat als herkömmlicher Diesel. Der CO2- Verbrauch blieb zwar auf dem gleichen Niveau wie beim Diesel, der ADAC erklärt aber den entscheidenden Unterschied: Das CO2 ist Pflanzen entzogen worden, wodurch sich die Treibhausgas-Belastung der Atmosphäre nicht erhöht. Der CO2-Kreislauf gilt als geschlossen. Der Automobilclub bilanziert: „Die Kraftstoffe funktionieren einwandfrei.“ Bei E-Fuels wird CO2 für die Herstellung direkt aus der Atmosphäre gezogen, ähnlich zur Funktionsweise von „Direct Air Capture“. Die dafür benötigten Flächen und Energieressourcen sind immens. Der Wirkungsgrad von E-Fuels ist gering: Nur 15 Prozent der Energie des Prozesses kommen auf der Straße an. E-Autos mit Batterien haben eine Energiebilanz von bis zu 80 Prozent der Ursprungsenergie. Der Aufbau der E-Fuel-Produktion wird noch lange dauern. Die Amortisierung gilt als fraglich. Im Gegensatz dazu ist HVO eine „Drop In“-Methode, die sofort beim Klimaschutz hilft. (daba)