AboAbonnieren

Antwort der BundesregierungKonnten Extremisten die Bauernproteste unterwandern?

Lesezeit 3 Minuten
Wütende Bauern hindern Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein am Verlassen einer Fähre.

Eskalation am 4. Januar: Protestierende Bauern hindern Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in Schlüttsiel am Verlassen einer Fähre.

Politikerbilder am symbolischen Galgen, Gewalt gegen Landwirtschaftschaftsminister Cem Özdemir: Das waren alarmierende Szenen am Rand der Bauernproteste gegen die Agrardieselreform. Aber wie symptomatisch waren sie?

Die Wut in der Landwirtschaft war groß, als Anfang des Jahres Tausende Bauern auf ihren Traktoren nach Berlin kamen, um gegen die Agrarpolitik der Ampel-Regierung zu demonstrieren. Im Fokus stand dabei der sogenannte Agrardiesel, eine Steuervergünstigung, die die Bundesregierung streichen wollte. Die Proteste waren laut – aber waren sie auch rechts oder gar von Rechtsextremisten unterwandert, wie mancherorts vermutet?

Das hat die Fraktion der Linken die Bundesregierung gefragt. Die Antwort aus dem für Sicherheitsfragen zuständigen Bundesinnenministerium liegt unserer Redaktion vor. Demnach hätten Rechtsextremisten oder „Staatsdelegitimierer“ die Bauernproteste positiv aufgenommen. „Immer wieder wurde dabei die Absicht deutlich, die Proteste zu instrumentalisieren, um politische Zustimmung zu erzielen oder die eigenen Positionen in die Gesellschaft zu tragen.“

Es konnte letztendlich aber überregional keine prägende Einflussnahme durch Rechtsextremisten, Reichsbürger oder „Staatsdelegitimierer“ festgestellt werden.
Bundesinnenministerium

Mit Erfolg? Das Ministerium schreibt: „Es konnte letztendlich aber überregional keine prägende Einflussnahme durch Rechtsextremisten, Reichsbürger oder ,Staatsdelegitimierer’ festgestellt werden.“ Ganz frei von rechten Einflüssen blieben die Demonstrationen dennoch nicht. Einzelne Gruppierungen aus dem rechten Spektrum – etwa die rechtsextremen Parteien „Dritter Weg“ und „Freie Sachsen“ – hätten zur Beteiligung an den Protesten aufgerufen. „Dementsprechend konnte immer wieder die vereinzelte Teilnahme von Mitgliedern der genannten Organisationen an den „Bauernprotesten„ festgestellt werden.“ Deren Zahl habe sich allerdings im „sehr niedrigen Bereich“ bewegt. Gleiches hat das Ministerium auch für die AfD-Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“ sowie die extremistische „Identitäre Bewegung“ festgestellt.

Innenstaatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) bilanziert in der Antwort: „Zusammenfassend konnte keine relevante Einflussnahme extremistischer Akteure auf die Bauernproteste festgestellt werden. Es gelang extremistischen Akteuren nicht, überregional einen relevanten Einfluss auf die Agenda oder die Organisation der Proteste zu nehmen. Vielmehr waren sie weitgehend auf eine Mitläuferrolle beschränkt.“

Ähnlich hatte sich vor einigen Wochen bereits Bauernpräsident Joachim Rukwied im Interview mit unserer Redaktion geäußert. Er sagte: „Es gab vereinzelte Unterwanderungsversuche der Demonstrationen. Das waren aber absolute Ausnahmen. Wir Landwirte stehen in der Mitte der Gesellschaft, die Landwirtschaft ist zentral in der Demokratie verankert.“ Linken-Abgeordnete Martina Renner indes warnt: Es gehe den Akteuren vom rechten Rand nicht darum, entsprechende Bewegungen wie die Bauernproteste zu übernehmen oder zu steuern. „Viel entscheidender ist, dass sich rechtsextreme Gruppen oder Parteien als Unterstützer und Verbündete anbieten. Dieser Strategie haben die Behörden bisher nichts entgegenzusetzen.“

Tatsächlich hält sich das Innenministerium mit weiteren Ausführungen sehr zurück. So hätte der Bundesverfassungsschutz das Treiben einiger Extremisten rund um die Bauernproteste zwar beobachtet. Weiter ins Detail geht das Ministerium allerdings nicht unter Verweis darauf, dass das die geheimdienstliche Tätigkeit erschweren würde. Ebenso wenig kann das Innenministerium sagen, zu wie vielen politisch motivierten Straftaten es im Zuge der Bauernproteste gekommen ist.

Einzelne Landwirte und Teilnehmer präsentieren Ampeln oder Puppen an Galgen. In Schlüttsiel, Schleswig-Holstein, wurde Anfang des Jahres verhindert, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) samt Familie eine Fähre verlassen konnte. Das Schiff legte angesichts massiver Proteste zunächst wieder samt Minister ab.

Anfang März wurde ein Begleitfahrzeug von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) beschädigt, als ein Mann aus der Menge heraus einen Zollstock auf das Fahrzeug warf und eine Scheibe zertrümmert. Verletzt wurde bei beiden Vorfällen niemand. Die Ermittlungen der jeweiligen Staatsanwaltschaften dauern an.