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Kommentar zur Attacke auf HabeckWas sich bisweilen als Protest ausgibt, grenzt immer öfter an Demagogie

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Landwirte mit Traktoren stehen im Umfeld des Fähranlegers. Wütende Bauern hinderten Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein am Verlassen einer Fähre.

Landwirte mit Traktoren stehen im Umfeld des Fähranlegers. Wütende Bauern hinderten Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein am Verlassen einer Fähre.

Seit Wochen hält der Protest der Bauern die Republik in Atem. Nun ging er zu weit. Thomas Ludwig über die Bauernproteste und Attacken gegen Politiker

Genug ist genug, möchte man jenen Bauern zurufen, die Vizekanzler Robert Habeck am Verlassen einer Nordseefähre gehindert und sich mit der Polizei angelegt haben. Denn das, was sie getan haben, nennt man Nötigung. Morgens über Klimakleber wettern, die den Berufsverkehr lahmlegen und sich abends dann selbst das Recht herausnehmen, Vertreter des Staates zu attackieren: Das geht so nicht.

Seit Wochen hält der Protest der Bauern die Republik in Atem. Dass sie die Abschaffung von Subventionen verhindern wollen, ist legitim; erste Erfolge gibt es bereits, die Bundesregierung rudert zumindest teilweise zurück. Ein gerechtfertigtes Anliegen rechtfertigt aber noch lange nicht jegliche Mittel.

Ab Montag soll es eine Protestwoche geben, die es in sich hat. Schon springen andere Branchen auf. In den sozialen Netzwerken kursieren Aufrufe zum „Generalstreik“, man müsse der Bundesregierung „Denkzettel“ verpassen, die Ampel „ausschalten“. Offenbar versuchen auch vom Umsturz träumende Extremisten im Mäntelchen bürgerlichen Widerstands ihr Mütchen zu kühlen. Ist das die Sprache von Demokraten?

Das, was sich bisweilen als Protest ausgibt, grenzt immer öfter an Demagogie. Da wird Bundeskanzler Olaf Scholz im Hochwassergebiet angepöbelt und beschimpft, da werden Lokalpolitiker vor ihren Häusern „besucht“, bis sie Ämter ruhen lassen, da wird im Netz gehetzt und gehasst – und nun die Attacke auf Wirtschaftsminister Habeck. Gut immerhin, dass sich der Deutsche Bauernverband klar von der Aktion distanziert und zur Mäßigung mahnt. Ob sich die Geister, die auch er rief, jedoch wieder einfangen lassen?

Wenn Polizisten und Sicherheitskräfte die Unversehrtheit von Politikern garantieren müssen, läuft etwas definitiv in die falsche Richtung. Dann verliert eine lebhafte und wünschenswerte Protestkultur Maß und Mitte. Dann kommt die politische Kultur auf den Hund. Gewalt darf niemals Argumente ersetzen. Und wenn doch, dann gilt es, das Strafrecht entsprechend konsequent anzuwenden.

Eine freiheitliche Gesellschaft muss mit Protest gegen politische Entscheidungen leben. Das Recht darauf ist im Grundgesetz verbrieft. Demokratie lebt vom Streit über Kompromisse. Die Verrohung der politischen Sitten aber ist beschämend und sollte jedem Bürger zu denken geben.