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Kommentar zum Nato-BeitrittNur eine kurze Atempause – mehr nicht

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Präsident Recep Tayyip Erdogan

Präsident Recep Tayyip Erdogan war beharrlich gegen den Nato-beitritt.

Nach dem Streit um den schwedischen Nato-Beitritt wird sich das Verhältnis zwischen Ankara und den westlichen Verbündeten kurzfristig entspannen.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte mit seinem beharrlichen Widerstand viele Politiker gegen sich aufgebracht. Am Ende bekam er jedoch nicht, was er wollte, und lenkte ein. Im Westen ist man erleichtert, doch langfristig dürften die Beziehungen schwierig bleiben.

Indem er den Nato-Antrag der Skandinavier aufhielt, wollte Erdogan die USA zwingen, der Türkei moderne Kampfflugzeuge vom Typ F-16 zu liefern. Doch nun nickte das türkische Parlament das schwedische Beitrittsersuchen ab, obwohl sich die USA in der Frage der Kampfjets nicht bewegt haben.

Entscheidend war wohl, dass US-Präsident Joe Biden hart blieb und sich dem Druck aus Ankara nicht beugte. Biden hält Erdogan auf Distanz und hat ihn seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren noch kein einziges Mal ins Weiße Haus eingeladen – der türkische Präsident empfindet das als Demütigung. Vielleicht haben ihm die Amerikaner die Einladung als Belohnung für die Zustimmung zum schwedischen Antrag in Aussicht gestellt.

Der Schwenk macht aus der Türkei auf Dauer allerdings keinen einfacheren Nato-Partner. Die türkische Regierung sieht Russland, den Ukraine-Krieg, den Gaza-Konflikt und andere internationale Themen aus einem ganz anderen Blickwinkel als die meisten westlichen Länder. Erdogan arbeitet eng mit Kremlchef Wladimir Putin zusammen, den fast alle Nato-Staaten als Aggressor und Hauptgegner sehen; nach Angaben der russischen Führung wollen sich Erdogan und Putin schon bald wieder persönlich treffen. Am Dienstag wurde in Ankara der iranische Staatschef Ebrahim Raisi erwartet, der im Westen ein Paria ist. Und im Gaza-Krieg steht die Türkei auf der Seite der Hamas und wirft Israel Kriegsverbrechen vor.

Vor allem aber betrachtet sich die Türkei in erster Linie als eigenständige Regionalmacht in einer multipolaren Welt und nur in zweiter Linie als Nato-Mitglied, auch wenn das Schutzversprechen der Allianz für Ankara unverzichtbar ist. Zudem weiß die Regierung, wie wichtig ihr Land mit seiner geostrategisch einzigartigen Lage zwischen Europa, Nahost, Russland und Zentralasien für den Westen ist. Die Türkei kann deshalb fest damit rechnen, dass Europa und die USA aufhorchen, wenn sie etwas fordert. Der nächste Streit kommt bestimmt.