Anstatt das Geld für Kontrollen von Fahranfängern und Formularwust für Senioren auszugeben, sollte man besser in die Verkehrsinfrastruktur investieren.
Kommentar zu Führerschein-ReformPolitik der Anreize statt der Verbote wäre die bessere Wahl
Mutig sind sie ja in Straßburg und Brüssel. Wohl kaum etwas ist so emotional besetzt wie der Führerschein. Für junge Leute ist er oft noch vor dem Schulabschluss der erste Schritt ins selbstständige Leben. Endlich nicht mehr auf die Eltern oder wacklige Busverbindungen auf dem Land angewiesen sein – wer in jungen Jahren seinen Führerschein gemacht hat, kennt das befreiende Gefühl, wenn man nur noch um die Autoschlüssel bitten muss und nicht mehr darum, nachts um halb zwei irgendwo abgeholt zu werden.
Was er für Senioren bedeutet, weiß wiederum jeder, der schon einmal versucht hat, seiner betagten Mutter oder dem Großvater nahezulegen, doch das Auto abzuschaffen. Egal, wie gut die Argumente sind: Viele Senioren können sich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, ihren Führerschein abzugeben. Es ist neben einem Umzug ins Pflegeheim einfach der einschneidendste Verlust der Unabhängigkeit, der sich denken lässt. Er macht den Menschen Angst, weil er ihnen vor Augen führt: Ab jetzt geht es wirklich nur noch bergab. Eben weil mit der persönlichen Mobilität so viel Unabhängigkeit verbunden ist, hat es der ÖPNV gegen das eigene Auto ja so schwer.
Hinzu kommt die Bürokratie: Wer hätte denn eigentlich das von der französischen EU-Parlamentarierin Karima Delli (Grüne) vorgeschlagene nächtliche Fahrverbot für Fahranfänger kontrollieren sollen? Die Polizei wird sich bedanken, auch sie hat wie alle anderen mit Fachkräftemangel zu kämpfen, gleichzeitig werden die Aufgaben immer mehr. Ebenso sieht es in den Behörden aus, bei denen – geht es nach den Brüsseler Plänen – künftig alle paar Jahre die Senioren ihre Fahrtauglichkeit einschätzen sollen.
Verkehrsminister Volker Wissing hat Recht, wenn er hier auf Eigenverantwortung setzt. Zwar enden Unfälle, an denen junge Erwachsene beteiligt sind, oftmals besonders tragisch. Auch Senioren sorgen mit der Verwechslung von Gas und Bremse immer wieder für Schlagzeilen. Die Zahlen vor allem bei den Senioren aber sind insgesamt so niedrig, dass sich der Staat an dieser Stelle getrost heraushalten darf.
Eine Politik der Anreize statt der Verbote wäre ohnehin die bessere Wahl. Anstatt das Geld für Kontrollen von Fahranfängern und Formularwust für Senioren auszugeben, sollte man besser in die Verkehrsinfrastruktur investieren. Mit einem top ÖPNV verliert der Führerschein ganz von selbst an Attraktivität.