Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Merkels Erklärung den Ausgang der Wahl am 23. Februar beeinflusst. Die Frage ist nur: wie?
Rüge der AltkanzlerinSo verständlich Merkels Kritik ist, so offen ist deren Wirkung
Die Bestürzung von Angela Merkel über das gemeinsame Votum ihrer CDU mit der AfD zum Stopp irregulärer Migration ist nachvollziehbar. Dass Friedrich Merz die Asylpolitik der Altkanzlerin beenden und dabei auch vor einem Bruch des EU-Rechts nicht zurückschrecken will, das hätte sie vielleicht noch bis zum Wahltag unkommentiert gelassen. Dass sich Merz jetzt aber von den Rechtspopulisten zu einer Mehrheit verhelfen ließ und damit sein eigenes Versprechen gebrochen hat, war auch für Merkel ein unverzeihlicher Tabubruch.
So verständlich ihre Kritik ist, so offen ist deren Wirkung. Entscheidend ist, was hinten rauskommt, hat Helmut Kohl einst gesagt. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Merkels Erklärung den Ausgang der Wahl am 23. Februar beeinflusst. Die Frage ist nur: wie?
Die Ex-Regierungschefin genießt bei sehr vielen potenziellen CDU-Wählern noch hohen Respekt. Für diese Gruppe macht Merkel Merz quasi unwählbar, weil sie ihm die staatspolitische Verantwortung abspricht. Der Graben zwischen dem moderaten CDU-Lager um Hendrik Wüst und dem rechten CDU-Lager mit Jens Spahn als Wortführer ist dreieinhalb Wochen vor der Wahl brutal aufgerissen. Das wird die Wahlchancen der Union schwächen.
Die SPD kann ihr Glück kaum fassen und schickt der Altkanzlerin wärmste Dankesworte. Aber ob sich die SPD-Hoffnung erfüllt, die Leute würden jetzt endlich erkennen, dass nur Olaf Scholz echtes Kanzlerformat hat? Fraglich. Denn das Problem, dass sich die Wählerschaft der Mitte eine konsequentere Eindämmung der irregulären Migration (und eine wirtschaftsfreundlichere Politik) wünscht, als sie die Sozialdemokraten (und die Grünen) anbieten, das bleibt.
Dafür kommt die AfD aus dem Feixen nicht mehr heraus. Erst tappt ihr Merz in die Falle. Dann meldet sich Merkel zu Wort, um ihre bei den Rechten so verhasste Flüchtlingspolitik zu verteidigen – und macht sich damit zur Wahlkampfhelferin von Alice Weidel.
Was am Ende dieser krassen Berliner Woche leider völlig offen bleibt: Wen soll eigentlich die Mitte der Gesellschaft wählen?