Erfassung von Wehrfähigen, verbindliche Auskunft über Bereitschaft und Fähigkeit zum Dienst, Musterung – damit verlangt die Gesellschaft, die es im Fall der Fälle zu verteidigen gilt, nicht zu viel.
Kommentar zur BundeswehrDie reine Freiwilligkeit hilft nicht weiter
Das Wort „Zeitenwende“ markiert für die Verteidigungspolitik einen echten Umbruch. Wer sie ausgerufen, mithin A gesagt hat, muss auch B sagen – und das heißt, Sorge dafür zu tragen, dass die Bundeswehr nicht nur materiell zeitgemäß ausgestattet, sondern auch beim Personal gut aufgestellt ist.
Das, was Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nun mit seinem Wehrpflichtmodell vorgelegt hat, sind erste Schritte dahin. Erfassung von Wehrfähigen, verbindliche Auskunft über Bereitschaft und Fähigkeit zum Dienst, Musterung – damit verlangt die Gesellschaft, die es im Fall der Fälle zu verteidigen gilt, nicht zu viel. Entsprechende Kapazitäten für die Ausbildung von mehr Rekruten in den Kasernen gilt es schnellstmöglich aufzubauen.
Dass das alles sehr aufwendig sei, wie Kritiker meinen, ist kein Argument dagegen, sondern muss vielmehr eine Aufforderung sein, die Problematik angesichts der veränderten geopolitischen Sicherheitslage ernsthaft anzugehen.
Freiwilligkeit hilft nicht
Die im Rahmen der Nato-Verteidigungsallianz übernommene Verantwortung wird Deutschland personell nur stemmen können, wenn die Zahl aktiver Soldaten steigt; tatsächlich ist sie seit Jahren aber rückläufig. Die reine Freiwilligkeit hilft trotz aller Anreize offensichtlich nicht weiter. Warum also sollte der Grundwehrdienst zur Landesverteidigung nicht eine von mehreren verpflichtenden Möglichkeiten sein, sich als Bürger in die Gemeinschaft einzubringen?
Wehrpflicht bedeutet ja nicht den Zwang zum Militärdienst. Im Grundgesetz ist festgeschrieben, dass niemand gegen sein Gewissen zum Dienst an der Waffe gezwungen wird; und daran darf sich auch nichts ändern. Einen Jahrgang verpflichtend zu mustern und ihm ähnlich wie in Schweden entsprechende Dienstmöglichkeiten aufzuzeigen, ist deshalb ein gangbarer Weg, auf dem SPD, Grüne und Liberale ihrem Verteidigungsminister nicht unnötig Steine legen sollten.
Zudem sollte die Politik nicht auf halbem Weg stehen bleiben und auch Frauen in die Pflicht nehmen. Dazu wäre zwar eine Änderung des Grundgesetzes, also eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, nötig. Wer aber einer „Zeitenwende“ – und der Gleichbehandlung der Geschlechter – gerecht werden will, muss entsprechend Mut zur Veränderung haben.