Nun plötzlich überschlägt sich die Politik mit Maßnahmenkatalogen. Braucht es immer erst solche Signalereignisse, damit die Gesellschaft stärker zueinanderfindet?
Zur Verschärfung des AsylrechtsEs würde genügen, Recht anzuwenden, wie es gemeint ist
Die Messermorde von Solingen führen zu den üblichen Reflexen. Hier wird gegen Faschismus demonstriert (nicht: Islamismus), dort werden Verschärfungen aller möglichen Gesetze versprochen und bereits in Angriff genommen. In der konkreten Situation ist beides unpassend. Geradezu lächerlich wirkt das Messerverbot. Menschen die Kehle aufzuschlitzen, ist ohnehin untersagt. Das Problem ist nicht das Recht, sondern seine Missachtung.
Ähnlich ist es beim Asyl. Deutschland ist stolz auf dieses Recht – aus gutem Grund. Es zu verändern oder abzuschaffen, ist gar nicht nötig. Das Recht anzuwenden, wie es gemeint war, würde genügen: Ansuchen prüfen, entscheiden und gegebenenfalls ablehnen, Abschiebung inklusive, wenn der Betroffene nicht von selbst geht. Stattdessen sind die Vorgaben derart verschroben, dass sie kaum noch praxistauglich erscheinen. An vielen Stellen fehlen das Verständnis und damit die Akzeptanz.
Dies führt zu einer weiteren Frage. Nach der Kölner Silvesternacht veränderte sich der Fokus auf die „Willkommenskultur“, aber auch erst dann. Zuvor wurde in die rechte Ecke gerückt, wer auf Probleme der massenhaften ungeregelten Zuwanderung hinwies. Ähnlich jetzt nach Solingen. Wer Messergewalt anprangerte, galt als Wegbereiter der AfD. Nun plötzlich überschlägt sich die Politik mit Maßnahmenkatalogen. Braucht es immer erst solche Signalereignisse, damit die Gesellschaft stärker zueinanderfindet?
Die Schwankungen sind auch unlogisch. Entweder ist eine grundsätzliche gesellschaftspolitische Ausrichtung gewollt und richtig – dann wird sie durch einen islamistischen Anschlag nicht plötzlich falsch. Oder aber sie hat Mängel – dann hatte sie diese auch bereits vorher. Mindestens erscheint es daher geboten, andere Standpunkte in größerem Maße zu akzeptieren und einzubeziehen. Es war jetzt nicht zum ersten Mal so, dass plötzlich große Einigkeit über Positionen herrschte, für die sich Menschen noch kurz zuvor haben beschimpfen lassen müssen.
Empfände man eine größere Wertschätzung für vielfältige Perspektiven und ließe einen breiteren Korridor zu, würde dieser nicht von einzelnen Ereignissen derart über den Haufen geworfen werden können. Ohne die Extreme entstünde auch mehr Vertrauen, dass die relevanten Akteure zuhören, abwägen und handeln und den Ausgleich suchen, statt einer Ideologie blind den Vorzug zu geben. Man sieht ja: Wer allzu absolut auf seiner Weltsicht beharrt, sieht ziemlich alt aus, wenn die Welt sich ändert.