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Schauspielerin Juliane Köhler„Roter Teppich ist einfach nur sauanstrengend“

Lesezeit 5 Minuten
Juliane Köhler im Film Sonnenplätze

Das nennt man eine überzeugende Darstellung: Vor den Dreharbeiten hatte Juliane Köhler nur ein einziges Mal einen Joint geraucht.

Die preisgekrönte Schauspielerin Juliane Köhler, die sich selbst als extrem schüchtern einstuft, spricht über Schauspielschulen, Prominenz und warum sie für den Film lernen musste zu kiffen.

Gerade ist Juliane Köhlers neuer Film „Sonnenplätze“ ins Kino gekommen, in dem sie die Mutter einer schrägen Familie spielt. Mit Joachim Schmitz sprach die Schauspielerin.

Auf dem Plakat zu „Sonnenplätze“ und natürlich auch im Film sieht man Sie einen Joint rauchen. Ihr ganz persönlicher Beitrag zum Jahr der Cannabis-Freigabe?

Ich habe noch nie Drogen genommen, es war mir immer suspekt und meine Mutter hat mich schon als Kind so extrem davor gewarnt, dass ich mich gar nicht getraut habe. Ein einziges Mal habe ich einen Joint geraucht, da war ich 18, und habe überhaupt nichts gespürt. Das fand ich ganz komisch, weil alle anderen angefangen haben zu lachen. Jetzt am Set haben mich alle ausgelacht, weil ich gar nicht wusste, wie man an so einem Joint zieht, und es am Anfang auch falsch gemacht habe. Aber die anderen haben es mir dann erklärt.

Im Abspann werden die Schauspieler nicht nach der Größe der Rolle oder ihrer Prominenz aufgelistet, sondern in der Reihenfolge des Erscheinens.

Das ist mir gar nicht aufgefallen, aber ich finde die Idee gut (lacht). Was ich dazu sagen kann, ist, dass es ein Fest war, mit allen zu arbeiten. Niemand hatte Starallüren, niemand hat sich herausgehoben und gemeint, er sei etwas Besseres, was es ja öfter mal gibt. Wir sind ja alle auch Theaterschauspieler und waren ein unglaublich starkes Ensemble. Man sieht es auch im Film: Wir waren eine ganz starke Gruppe, aus der niemand herausgefallen ist.

Fürs Publikum werden Sie das bekannteste Gesicht in diesem Film sein. Macht es Spaß, mit vielen jungen, weitgehend unbekannten Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten?

Sehr sogar. Weil die jungen Leute an solche Stoffe nochmal ganz anders rangehen. Wobei die Kollegen für mich gar nicht unbekannt waren. Ich kannte sie alle vom Theater und finde sie wahnsinnig toll.

Überraschend ist auch die Wahl der kanarischen Insel als Location. Auf Lanzarote gibt es keine Filmwirtschaft und keine entsprechende Infrastruktur.

Logistisch war das für diese junge Filmfirma Maverick eine Hochleistung. Sie haben die komplette Ausrüstung auf einem Schiff nach Lanzarote und auf abenteuerlichen Wegen zum Drehort gebracht. Aber sie wollten unbedingt dort drehen, weil die Insel so perfekt zu dem Drehbuch passt. Ich mag es sehr, wenn Leute trotz Schwierigkeiten ihre Sachen durchsetzen.

Die Crew, heißt es, habe zur Dorfgemeinschaft ein ganz besonderes Verhältnis entwickelt.

Ja. Das Ferienhaus war ursprünglich eingerichtet wie eine Airbnb-Unterkunft, sollte aber das Flair eines seit 25 Jahren bewohnten Hauses haben. Die Filmcrew hat dann sämtliche Unterkünfte angemietet, die es in dem Ort gab, und alle Möbel, die etwas erzählten und eine Geschichte hatten, in das Filmhaus geschafft. Das Geld, die ganzen Möbel nach Lanzarote zu transportieren, hatten sie ja gar nicht.

Wären Sie eigentlich eine gute Kindergärtnerin geworden?

Nein, ganz sicher nicht.

In der Schauspielschule wurde Ihnen bei einer Aufnahmeprüfung aber besser diesen Beruf zu ergreifen.

Ich war denen wohl zu schüchtern. An deutschen Schauspielschulen musste man in den 80er Jahren bei der Aufnahmeprüfung auch Improvisationsübungen machen, das kam den ganzen wahnsinnig extrovertierten Bewerbern natürlich entgegen. Und ich war das Gegenteil – extrem schüchtern. Ich bin es heute noch, ich bin einfach ein schüchterner Mensch.

Aber Schauspielerei hat doch etwas Extrovertiertes.

Das stimmt, aber die Hauptsache ist, dass man sich mit Hilfe einer Technik in eine andere Figur hineinversetzt. Ich versuche, die gesamte Psychologie dieser Figur zu durchdringen, bis ich es schaffe, mich quasi zu verwandeln. Das hat nichts mit Extrovertiertheit zu tun, wirklich gar nichts. Und deshalb war es damals falsch von diesen Schauspielschulen zu sagen: Wenn Du nicht die ganze Zeit rumbrüllen oder improvisieren kannst, bist Du für den Beruf nicht geeignet. In New York, wo ich dann letztlich bei Uta Hagen die Ausbildung gemacht habe, war das überhaupt kein Thema. Da ging es nur um das Handwerk – ob ich in der Lage bin, mich in jemand anderen zu verwandeln, und wie ich das mache.

Nichts gegen Kindergärtnerinnen – wir bräuchten viel mehr von ihnen – aber einer Frau, die Schauspielerin werden will, mit einem solchen Spruch zu begegnen, ist doch ziemlich geringschätzend. Hat Sie das verletzt?

Ja, total. Vor allem, weil es keine wirkliche Begründung gab. Das fand ich blöd und arrogant.

Insgesamt sind Sie ja neunmal abgelehnt worden. Was in Ihnen hat Sie damals nicht verzweifeln, sondern den Umweg über New York nehmen lassen?

Ich hatte von Freunden das Buch „Respect for Acting“ von Uta Hagen bekommen, in dem sie ganz genau beschrieben hat, was sie ihren Schülern beibringt. Da habe ich begriffen, dass mich das mehr interessiert als das, was an den deutschen Schauspielschulen so angeboten wurde. Im Nachhinein war es also ein

Heute wäre so ein Studium in New York nahezu unbezahlbar, allein schon wegen der Wohnkosten. Wie und wovon haben Sie damals gewohnt und gelebt?

Ich habe 1986 angefangen und hatte einen Bekannten, der wiederum eine Bekannte hatte, die wiederum eine Familie kannte, die mir dann ein Zimmer in ihrem Keller für 250 Dollar vermietet hat. Das war ein Zimmer ohne Fenster, aber im East Village. Ich musste nur die Treppe rauf und stand in der siebten Straße zwischen der zweiten und dritten Avenue. Das war in den 80er Jahren die Topgegend in New York, besser gings gar nicht.

Prominenz scheint nicht Ihre Triebfeder zu sein – Sie gehen nach der Vorstellung ungern unter Leute und finden rote Teppiche „extrem anstrengend“. Warum?

Triebfeder ist ein gutes Wort. Und Prominenz, Öffentlichkeit und roter Teppich sind jedenfalls nicht meine Triebfedern für meinen Beruf. Meine Triebfeder sind Inhalte. Ich habe mich noch nie so feiern können, wie das manche Kollegen gerne machen. Das liegt wohl wieder daran, dass ich so ein schüchterner Typ bin. Ich will mich nicht als Juliane darstellen, sondern als die Figur, die ich spiele. Darin bin ich dann nicht mehr schüchtern. Wenn ich eine Figur darstellen kann, bin ich total selbstbewusst. Aber roter Teppich ist einfach nur sauanstrengend, das belastet mich.