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Interview zur AktienrenteWird die Rendite ausreichen, um die Beiträge niedrig zu halten?

Lesezeit 5 Minuten
Auf einem Zettel ist das Logo der Deutschen Rentenversicherung zu sehen. Einige Centstücke und Geldscheine liegen auf und unter dem Papier.

Die Bundesregierung will mit ihren Vorhaben zum Rentenpaket II die gesetzliche Altersvorsorge stabilisieren. (Symbolbild)

Die Bundesregierung will mit ihren Vorhaben zum Rentenpaket II die gesetzliche Altersvorsorge stabilisieren. Doch die Mängelliste des Generationenkapitals, vormals Aktienrendite genannt, ist lang. Was sind die größten Probleme?

Um das Rentenniveau stabil zu halten, müssten die Rentenbeiträge angehoben werden. Mit dem Generationenkapital will Finanzminister Christian Lindner das verhindern. Bis 2038 soll das Volumen dieses Kapitalstocks auf über 220 Milliarden Euro anschwellen. Wird die Rendite ausreichen, um die Beiträge niedrig zu halten? Darüber sprach Hannah Petersohn mit Johannes Geyer, Rentenexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW).

Herr Geyer, taugt die Aktienrendite nach jetzigem Stand, um das Rentenniveau in den 2030er Jahren zu stabilisieren?

Das Vorhaben kommt zu spät. Das Problem ist: Die lange Phase der wirklich günstigen Finanzierungsbedingungen des Bundes ist erst einmal vorbei. Der Bund leiht sich Geld, für das er jetzt deutlich mehr Zinsen zahlen muss. Dadurch haben sich die Renditeaussichten deutlich verschlechtert, weil die Anlagen nun auch diese gestiegenen Finanzierungskosten decken müssen. Die Überschüsse, die man zum Aufbau des Kapitalstocks und später für die Rente nutzen will, werden dadurch geschmälert.

Die günstigen Kreditzinsen waren bislang ein Argument für die Aktienrente.

Aktuell liegt der Kreditzins für den Bund bei zwei bis drei Prozent. Je nach Laufzeit müssen die Anleihen wieder refinanziert werden, darin steckt ein zusätzliches Risiko dieser kreditfinanzierten Spekulation.

Wie viel Rendite müsste die Aktienrente erwirtschaften, um das Rentenniveau zu halten?

Aktuell sollen zweistellige Milliardenbeträge pro Jahr investiert werden, deren Rendite den Beitragssatz zur Rente stabilisieren soll. Es ist zu erwarten, dass der Beitragssatz in den kommenden Jahren, wahrscheinlich 2027/28, angehoben wird, weil die Ausgaben steigen und die Zahl der Beitragszahler stagniert oder abnimmt. Für 2035 rechnet man mit einem Beitragssatz von 21,1, also über zwei Prozentpunkte mehr. Angenommen, man möchte den Beitragssatz nur um einen Prozentpunkt senken, bräuchte man ungefähr 18 Milliarden Euro. Wenn man die 18 Milliarden aus den Erträgen aus der Kapitalanlage finanzieren wollte, dann wären bei einer Nettorendite von drei Prozent für einen Beitragspunkt 600 Milliarden Euro an Kapital notwendig. Also viel mehr, als derzeit geplant sind.

Ist es überhaupt eine gute Idee, einen Kapitalstock anzulegen? Schließlich ist das Geld den Bewegungen des Marktes ausgesetzt und das Risiko der Volatilität angesichts der geopolitischen Unsicherheiten groß.

Die Kapitalanlage birgt eigene Risiken, aber das ist nicht unbedingt ein Grund dagegen. Denn auch das umlagefinanzierte System unterliegt bestimmten Risiken, etwa dem demografischen Wandel. Unterschiedliche Risiken zu mischen, kann sogar sinnvoll sein, weil man nicht so abhängig ist von einem einzigen System.

Die Grünen kritisierten bislang die Finanzierung der Aktienrendite. Sie sei mit der Schuldenbremse kaum vereinbar und werfe verfassungsrechtliche Fragen auf.

Dass die Grünen der Aktienrente nun doch zustimmen, deutet darauf hin, dass sie die verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten nicht mehr ganz so schwerwiegend einschätzen. Die Aktienrente ist erst einmal nicht von der Schuldenbremse betroffen, weil der Bund für die Verschuldung Vermögenstitel kauft. In der Bilanz ist das ein sogenannter Aktivtausch. Wenn alles wie geplant läuft, finanziert sich die Aktienrente aus ihren Erträgen.

Was aber passiert, wenn die Rendite ausbleibt?

Die ist die knifflige Frage: Wer haftet dann? Denn auch, wenn die Erträge mal nicht so hoch ausfallen, müssen die Renten ja trotzdem bezahlt werden. Wer springt dann ein? Ob Bundesmittel genutzt werden. Die Bundesregierung geht aktuell offenbar davon aus, dass dieser Fall nicht eintritt.

Die Verwaltung der Aktienrente soll über den Staatsfonds Kenfo laufen. Allerdings hat der 2022 im Vergleich zu MSCI World oder DAX schlechter performt. Ist das ein Problem?

Ich tue mich etwas schwer damit, die Performance einzelner Jahre zu vergleichen. Zumal das ja nicht bedeutet, dass das gleiche Portfolio auch auf die Aktienrente angewendet wird. Das aktuelle Fondsvolumen liegt ja nur bei gut 20 Milliarden Euro. Für den Kenfo sprechen relativ überschaubare Verwaltungskosten und dass es sich um Experten handelt, die das Geld verwalten. Problematisch könnte sein, dass der Fonds zu staatsnah ist.

Inwiefern ist die Aktienrente zu staatsnah?

Sie ist nicht gut genug geschützt gegen staatliche Mittelverwendung, die nicht im Sinne der Aktienrente ist. Der Kapitalfonds soll nicht zweckwidrig benutzt werden. Er dient dazu, den Beitragssatz zu stabilisieren. Nun ist die Mittelverwendung aber eine politische Frage. Das gibt es aktuell auch bei der Rente: Dafür wurden Steuermittel zugesagt, die man jetzt erst einmal nicht der Rente zuführt, weil man den Haushalt konsolidiert. Wie will man sicherstellen, dass der Staat in einem klammen Jahr kein Geld für andere Zwecke aus dem Fonds zieht?

Finanzminister Lindner gesteht zwar ein, dass eine künftige Regierung jedes Gesetz ändern, aber das Generationenkapital nicht für etwas anderes verwendet werden könne. Das verhindere die öffentlich-rechtliche Stiftung, die das Kapital verwaltet.

So weit, so klar, aber die Projekte, die mit dem Stiftungskapital finanziert werden, sind politisch gesetzt. In der jüngeren Vergangenheit gab es unerwartete Überschüsse, die nicht genutzt wurden, um den Beitragssatz zu senken oder Reserven aufzubauen, sondern um relativ kostspielige Reformen umzusetzen wie die Mütterrente oder die abschlagsfreie Rente mit 63. Damit will ich diese Programme an dieser Stelle nicht bewerten, sondern verdeutlichen, dass die Aktienrente „staatsnah“ ist.

Was wäre aus Ihrer Sicht sinnvoller als eine Aktienrente, um die Beiträge und das Rentenniveau stabil zu halten?

Die Aktienrente oder das Generationenkapital weckt hohe Erwartungen, die es nicht einlösen können wird. Aus meiner Sicht wäre es dringend notwendig, dass die Politik einen klaren Plan für den Status der privaten Vorsorge entwickelt. Die gesetzliche Rente wird auch bei einem Niveau von 48 Prozent nicht ausreichen, den Lebensstandard im Alter zu halten. Gleichzeitig liegt die Riester-Rente brach und bei der betrieblichen Altersvorsorge geht nichts voran. Hier sehe ich großen Handlungsbedarf.