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Labour an die MachtWährend die EU nach rechts rückt, geht der britische Weg nach links

Lesezeit 3 Minuten
Hat gute Chancen, Premierminister zu werden: Keir Starmer.

Hat gute Chancen, Premierminister zu werden: Keir Starmer.

Während die EU nach rechts rückt, wird in Großbritannien wohl Labour an die Macht kommen. Doch: Woran liegt das? Ein Erklärungsversuch

Auf der Titelseite berichten britische Zeitungen selten über Ereignisse jenseits des Ärmelkanals. Doch die Ergebnisse der Europawahlen, der Rechtsruck in Deutschland sowie die Neuwahlen in Frankreich war das anders. Dabei ist den Journalisten die bemerkenswerte Lage nicht entgangen, in der sich das Königreich, dessen Bürger 2016 mehrheitlich für den Brexit gestimmt hatten, derzeit befindet.

Denn während die EU weiter nach rechts rückt, wird in Großbritannien nach den vorzeitigen Parlamentswahlen am 4. Juli aller Voraussicht nach die Mitte-links-Partei Labour an die Macht kommen. Sie liegt in Umfragen 20 Prozentpunkte vor den regierenden Tories. Warum entwickelt sich die Situation jenseits des Ärmelkanals anders als in anderen europäischen Ländern?

Das britische Zweiparteiensystem

Für Patrick Diamond, Professor an der Queen Mary University of London, ist das britische Zweiparteiensystem eine Erklärung dafür, warum mit Keir Starmer ein sozialdemokratischer Premier in die Downing Street 10 einziehen könnte. „1997 wurde eine Labour-Regierung gewählt, die 13 Jahre an der Macht war. Dann gab es 14 Jahre lang eine konservative Regierung, und jetzt werden wir wohl wieder Labour bekommen. Das gehört zum Muster der britischen Politik“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Dazu kommt das System der relativen Mehrheitswahl. Dabei machen die Briten in ihrem Wahlkreis nur ein Kreuz für einen Kandidaten. Wer die meisten Stimmen erhält, zieht ins Parlament ein, die restlichen Stimmen verfallen. „Vor allem kleinere Parteien fühlen sich durch dieses System benachteiligt, andere befürworten es, weil es extremistische Parteien in Schach hält“, sagt Sophie Stowers von der Denkfabrik „UK in a Changing Europe“.

Insgesamt gilt die britische Gesellschaft auch als toleranter als andere Nationen. Eine Kommission hob schon 2021 hervor, dass sich das Land zu einer der offensten Gesellschaften in Europa entwickelt habe. Dies zeige sich etwa an den abnehmenden Einkommensunterschieden zwischen ethnischen Gruppen.

Auch Populisten mischen mit

Das bedeutet jedoch nicht, dass populistische Politiker keinen Einfluss haben. Die Unabhängigkeitspartei UKIP erhielt unter Führung von Nigel Farage bei den Europawahlen 2014 die meisten Stimmen. Das veranlasste den damaligen Premierminister David Cameron dazu, ein Referendum über den Austritt aus der EU abzuhalten. Seit Anfang Juni führt Farage die Protestpartei Reform UK an, die sich unter anderem für eine striktere Kontrolle von Migration ausspricht. In Umfragen liegt sie bei derzeit 15 Prozent.

Farage sage den Leuten genau das, was sie hören wollten, meint Journalist Sean OGrady. Während die Tory-Führung blass, technokratisch und entfremdet erscheine, wirke der 60-Jährige nahbar. Statt Reform UK ein eigenes Narrativ entgegenzusetzen, seien die Konservativen unter den Premiers Boris Johnson, Liz Truss und Rishi Sunak weiter nach rechts gerückt. Das Problem sei jedoch, so OGrady, dass eine ernstzunehmende Regierungspartei Farage niemals rechts überholen könne.

Kurz vor der Wahl ist von echter Begeisterung aber wenig zu spüren. Die Briten wollen Veränderung, und die geht fast zwangsläufig von Labour aus. Anders als Farage hält sich Parteichef Starmer mit großen Versprechungen zurück. Allerdings, so Diamond, sei auch die Arbeiterpartei in den vergangenen fünf Jahren weiter nach rechts gerückt, um mehr Wähler anzuziehen. Vor allem in der Migrationsfrage wolle Starmer deutlich rigider vorgehen.