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„Bekomme mehr als das Doppelte“Digitales Trinkgeld ist der neue Trend in der Gastronomie

Lesezeit 3 Minuten
Die Digitalisierung macht auch vor der Trinkgeldvergabe nicht Halt. Hier können Kunden zwischen drei Prozentbeträgen auswählen – oder auch gänzlich auf die Option verzichten.

Die Digitalisierung macht auch vor der Trinkgeldvergabe nicht Halt. Hier können Kunden zwischen drei Prozentbeträgen auswählen – oder auch gänzlich auf die Option verzichten.

Das neue, aus den USA stammende, digitale Trinkgeldsystem erleichtert das Geben von Trinkgeld, bringt für Betreiber jedoch auch Mehrarbeit und zusätzliche Kosten mit sich.

Ein neuer Trend aus den USA setzt sich derzeit auch in Deutschland durch und soll Trinkgeld geben vereinfachen und digitaler machen. Bei der Zahlung mit Karte zeigt das Lesegerät vorgefertigte Prozentsätze an, die durch Knopfdruck ausgewählt werden können. Ist das aufdringlich? Das sagen Gastronomen zu dem Trend und den Auswirkungen auf die Höhe des Trinkgeldes.

Digitales Trinkgeld: So funktioniert es

Zunächst: Wie funktioniert das digitale Trinkgeldsystem? Wenn Gastronomen diese Funktion aktiviert haben, erscheint auf den Kartenlesegeräten eine Aufforderung zur Trinkgeldgabe. Die Gäste können dann einen Prozentsatz des Rechnungsbetrags als Trinkgeld auswählen. Die Betriebe können selbst festlegen, welche Auswahlmöglichkeiten auf dem Bildschirm angezeigt werden – zum Beispiel sieben, zehn oder 15 Prozent. Eine kleinere Schaltfläche ermöglicht in der Regel die Optionen „Freie Eingabe“ oder „Kein Trinkgeld“.

Das System hat sich mittlerweile in vielen Ländern und in deutschen Großstädten etabliert. Auffällig ist, dass es nicht nur in den traditionellen Bereichen wie Restaurants Anwendung findet, sondern auch in typischen Mitnahme-Betrieben wie Fastfood-Restaurants, Bäckereien oder auch Imbissständen, wo Trinkgeld bislang eher unüblich war.

Ein Gastronom aus Essen-Rüttenscheid hat das System vor einiger Zeit umgestellt. Zehn, zwölf oder 15 Prozent Trinkgeld kann der Gast bei dem Bezahlvorgang mit Karte geben. „Ich habe das System aus einem Grund umgestellt: Weil meine Angestellten deswegen mehr Trinkgeld bekommen. Einfacher wird es für mich als Gastronom dadurch nicht.“

Dehoga NRW: Mehraufwand gegenüber Barzahlung

Das bestätigt auch Thorsten Hellwig von der Dehoga NRW, Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband von Gastronomie und Hotellerie. „Vom Aufwand ist das digitale Trinkgeldsystem natürlich ein Mehraufwand gegenüber der Barzahlung. Die Gastronomen müssen die Kanäle trennen, damit das Trinkgeld dann auch wirklich bei den Beschäftigten ankommt und sie müssen zusätzlich Kreditkartengebühren auf die Trinkgelder bezahlen“, sagt der Pressesprecher. So läuft es aber auch, wenn man der Kartenzahlung Trinkgeld hinzufügt, ohne das Prozentsystem zu nutzen.

Für die Beschäftigten sieht die Dehoga NRW aber auch große Vorteile. „Gerade in Zeiten, in denen alles digitaler wird, erweitert das die Möglichkeit, Trinkgeld zu geben. Viele haben kein Bargeld mehr dabei“, sagt Hellwig. Trotzdem: „Kein Gast wird dadurch gezwungen, Trinkgelder bleiben immer noch freiwillig.“ Kritische Stimmen sagen dagegen, dass Kunden unter Druck gesetzt würden. „Der Bezahlvorgang ist ein sensibler Prozess. Die Höhe des Trinkgeldes vorzugeben, das setzt Kunden unter Druck – und das finde ich nicht gut“, erklärt René Ressing, Inhaber des Restaurants „Rosemarie Garten & Bar“ in der Essener Innenstadt. Bei ihm laufe der Vorgang noch ganz klassisch.

„Durch die Umstellung auf das Prozentsystem hat sich mein Trinkgeld verdoppelt“, berichtet Vanessa, die als Kellnerin in Rüttenscheid arbeitet. Früher habe sie im Schnitt drei bis fünf Prozent erhalten, jetzt sind es durchschnittlich zehn. „Als Kellnerin freue ich mich natürlich, wenn das Gehalt etwas aufgebessert wird.“ Zudem beschleunige das neue System den Bezahlvorgang. „Manche Gäste fühlen sich allerdings verpflichtet, Trinkgeld zu geben. Wenn ich erkläre, dass das nicht zwingend erforderlich ist, sind die meisten damit einverstanden. Viele schätzen das neue System, weil sie das Gefühl haben, dass das Geld tatsächlich bei uns Angestellten ankommt“, erklärt die 29-Jährige.