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Interview

Experte gibt Auskunft
Ist ein Verbotsverfahren gegen die AfD eine gute Idee?

Lesezeit 4 Minuten
Das Logo der AfD

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Im Gespräch analysiert Jura-Professor Hermann Heußner die juristischen und politischen Aspekte eines möglichen AfD-Verbots, mit besonderem Augenmerk auf die AfD Thüringen.

Sollte die AfD verboten werden, wie es zuletzt einige Bundestagsabgeordnete forderten? Wäre das politisch klug – und wie stehen die Chancen, dass so ein Verbotsverfahren erfolgreich ist? Der Osnabrücker Professor für öffentliches Recht Hermann Heußner hat sich mit der Frage befasst und glaubt: Zumindest bei der AfD Thüringen gibt es diese Möglichkeit.

Herr Heußner, ein Parteiverbot durchzusetzen, ist in Deutschland ja aus gutem Grund gar nicht so einfach. Was muss passieren, damit es dennoch geschieht?

Das ist in Artikel 21 Absatz 2 unseres Grundgesetzes festgelegt: Die Partei muss die freiheitlich-demokratische Grundordnung beeinträchtigen oder abschaffen wollen. Diese Grundordnung garantiert Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat. Nur das Bundesverfassungsgericht darf über das Verbot entscheiden.

Es reicht für ein Verbot ja nicht aus, dass eine Partei die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnt. Sie muss sie auch aktiv bekämpfen. Inwiefern trifft das auf die AfD zu?

Bekämpfen heißt, dass die Partei planvoll und zielorientiert darauf ausgeht, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen. Hier muss man – wie auch sonst – zwischen der AfD insgesamt und der AfD Thüringen differenzieren.

Worin liegen die Unterschiede?

Die AfD im Bund ist bisher „nur“ ein Verdachtsfall. Die AfD Thüringen ist laut Verfassungsschutz jedoch gesichert rechtsextremistisch. Bei ihr ist bei weiteren Ermittlungen der Beweis des Bekämpfens nicht fernliegend. Denn seit 2015 arbeitet der ehemalige Flügel der AfD gezielt auf die Etablierung des „ethnisch-kulturellen“ Volksbegriffes hin, also die Herstellung eines „reinen“ deutschen Volkes. Der gesichert rechtsextremistische Flügel ist maßgeblich von der AfD Thüringen unter der Führung von Björn Höcke gegründet worden. Folgerichtig fordert Höcke die Remigration von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund. Dies verstößt fundamental gegen die Menschenwürde. Er differenziert der Sache nach zwischen Deutschen erster und zweiter Klasse. Dagegen erhebt sich in der Thüringer AfD kein Widerspruch.

Und die AfD im Bund?

Bei ihr ist die Sache noch nicht ganz so eindeutig. Es ist gut, dass Abgeordnete verschiedener Fraktionen des Bundestags einen Antrag einbringen wollen, um einen Verbotsantrag gegen die Bundespartei anzustoßen. Die Bundesregierung ist dann gefordert, zunächst genau zu prüfen, ob die Verbotsvoraussetzungen schon vorliegen.

Man hört oft, die Partei sei ja durch Wahlen demokratisch legitimiert – macht sie das automatisch zur demokratischen Partei? Und wie demokratisch geht man selbst bei einem Verbot mit dem Wählerwillen um?

Die Tatsache allein, dass eine Partei von Bürgern gewählt wird, macht sie nicht demokratisch. Entscheidend ist in einer Demokratie, dass alle Bürger den gleichen Anspruch auf Menschenrechte haben. Nur dann existiert Demokratie. Deshalb darf die Demokratie nicht zulassen, dass Parteien versuchen, die Menschenrechte fundamental zu beeinträchtigen. Denn würden sie durchdringen, wäre die Demokratie abgeschafft.

Wo lauern noch juristische Fallstricke bei einem möglichen Verbotsverfahren gegen die Partei?

Wichtig ist, dass vor Antragstellung beim Bundesverfassungsgericht der Verfassungsschutz seine V-Leute und verdeckten Ermittler „abschaltet“. Für ein Verbot der AfD Thüringen müsste zudem im Bundesverfassungsgerichtsgesetz klargestellt werden, dass sich ein Verbotsantrag auch gegen einen Landesverband einer Partei richten kann. Ein Verbot dieses Landesverbandes könnte auch daran scheitern, dass der Landesverband für zu klein eingeschätzt wird, um eine Gefahr darzustellen. Deshalb ist es notwendig, dass der Bundestag das Bundesverfassungsgerichtsgesetz so ändert, dass auch Landesverbänden von Parteien die staatliche Finanzierung entzogen werden darf. Dann kann das Gericht der AfD Thüringen die Verfassungswidrigkeit attestieren, ohne sie verbieten zu müssen.

Welche Abwägungen muss das Bundesverfassungsgericht treffen, wenn es über ein AfD-Verbot berät – und was ist dabei die größte Hürde?

Insbesondere muss das Gericht eine Gesamtschau aus den unterschiedlichsten Äußerungen und Handlungen der Parteiführung, -mitglieder und -anhänger vornehmen. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Damit zusammenhängend muss das Gericht beachten, dass es auf die wahren Ziele der Partei ankommt, nicht auf die vorgegebenen. Dies gilt deshalb, weil gerade Verfassungsfeinde ihre Vorhaben nicht unbedingt auf dem Präsentierteller vor sich hertragen. Auch das ist komplex.

Welche Chancen sehen Sie, dass ein Verbotsverfahren gegen die AfD Erfolg hat?

Für die AfD Thüringen stehen zumindest die Chancen, dass es zur Attestierung der Verfassungsfeindlichkeit und den Ausschlusses von der staatlichen Finanzierung in absehbarer Zeit kommen könnte, nicht schlecht. Für die AfD im Bund kommt es zunächst auf eine umfassende Prüfung der Verbotsvoraussetzungen an, die durch den Antrag im Bundestag angestoßen werden könnte.

Noch eine Frage zur politischen Dimension: Was juristisch geht, ist ja nicht immer auch klug. Würde ein Verbot der AfD nicht deren Opfermythos befeuern?

Diesem Risiko steht gegenüber, dass ein Verbot die letzte Chance sein kann, die AfD von der Macht fernzuhalten. Dass Verfassungsfeinde erfolgreich sind, zeigt das Beispiel Ungarns. Dort hat Orban mit den Mitteln der Demokratie diese de facto abgeschafft. Mit einem Parteiverbot sind die Wählerinnen und Wähler der AfD und deren Gedankengut zwar nicht aus der Welt. Deshalb ist die politische Auseinandersetzung mit der AfD noch wesentlich stärker zu führen als bisher. Ein Parteiverbot bannt jedoch die größte Gefahr und entfernt den „Wahlzünder“ vom rechtsradikalen „Sprengstoff“.