Eigentlich müssen doch noch viel mehr Windräder an den Start gehen. Da wundert man sich doch, wie oft sich einige gar nicht erst drehen. Wir haben nachgefragt.
Einspeisestopps und „Redispatchs“Warum stehen Windräder eigentlich so oft still?
„Safety first“ – was schon im Alltag oft gilt, ist bei kritischer Infrastruktur wie dem deutschen Stromnetz natürlich der oberste Grundsatz. Dafür müssen Normen eingehalten, Wartungen durchgeführt und manchmal sogar bereits produzierter Strom vom Netz ferngehalten werden. Das Stromnetz muss schließlich vor einer Überlastung geschützt werden. Laut Bundesnetzagentur kommt es deshalb regelmäßig zu temporären Einspeisestopps und sogenannten Redispatchs: einem Kreislauf, den man sich in etwa wie eine Autobahn vorstellen kann, auf der sich auf gar keinen Fall ein Stau bilden darf.
Droht das Szenario eines Stromstaus, wird Kraftwerken an der betreffenden Stelle signalisiert, dass sie weniger Energie ins Netz einspeisen sollen, während andere Stromproduzenten aufgefordert werden, ihre Kapazitäten hochzufahren. So können die Netzbetreiber einen stetigen Fluss gewährleisten, um die Leitungen vor dem Kollaps zu bewahren.
Mehr Übertragungsnetze müssen her
So kompliziert die Problemstellung ist, so einfach wäre der Behörde zufolge die Lösung: Es brauchte schlichtweg mehr Übertragungsnetze, die diese Ungleichgewichte besser ausbalancieren könnten.
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Trotz der gelegentlichen Abschaltungen können laut Bundesnetzagentur Stand heute 97 Prozent des Stroms aus Windenergie transportiert werden. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Drei Prozent grünen Stroms gehen verloren. Betreiber der Verteiler- und Übertragungsnetze sind immerhin dazu verpflichtet, den Anlagenbetreibern die Einbußen auszugleichen.
Unbefriedigend ist dieser Zustand dennoch. Der ehemalige Grünen-Experte für Energie im Bundestag, Oliver Krischer, hat bereits vor Jahren vor der Intransparenz der Kohle-Konzerne gewarnt. Krischer ist heute Umwelt- und Verkehrsminister in NRW. Seine Erklärung leuchtet ein: Kohlekraftwerke seien hierzulande oft 40 oder 50 Jahre alt, weshalb sie kurzfristig kaum heruntergeregelt werden könnten. Eine Abschaltung oder Minderung der Strommenge, die sie produzieren, kann demzufolge Wochen dauern.
Kohlekraftwerke werden kaum gedrosselt
Deshalb läuft es entgegen geltenden Gesetzen in der Praxis häufig so: Die behäbigen Kohlekraftwerke werden kaum gedrosselt und speisen weiter Strom ins Netz ein, während immer öfter Windkraftanlagen angehalten werden. Wobei meist unklar ist, ob die Betreiber der Kohlekraftwerke im Bedarfsfall immer das Maximum an Einsparungen vornehmen.
Stillstehende Rotoren können allerdings noch drei weitere Ursachen haben. Zum einen ist für ein beständiges Drehen der Flügel meist eine konstante Windgeschwindigkeit von drei Metern pro Sekunde erforderlich. Der subjektive Eindruck von unten kann übrigens täuschen: Dreht sich ein Windrad und ein anderes nicht, kann das an unterschiedlichen Windverhältnissen liegen, die schon innerhalb kleiner Abstände enorm variieren können. Starker Sturm ist allerdings auch nicht gut – ab Windstärke zehn werden die meisten Anlagen abgeschaltet, um Schäden zu verhindern.
Ein weitaus seltenerer Grund für eine vorübergehende Abschaltung kann der Sonnenstand sein, weil die Rotoren teils lange Schatten werfen. Liegt eine Siedlung in der Nähe, die nicht mehr als eine halbe Stunde Schatten pro Tag abbekommen darf, wird die Anlage automatisch ausgeschaltet. Darüber hinaus müssen diese regelmäßig gewartet werden. Während einer Instandhaltungsmaßnahme wird der Motor ebenfalls gestoppt. Die Arbeiten sind aufwendig und können mitunter mehrere Tage dauern. Unterm Strich lösen netzbedingte Eingriffe aber mehr Abschaltungen aus. Wenn die Bundesregierung den Widerspruch auflösen will, dass alte Kohlekraftwerke trotz gesetzlichen Vorrangs für erneuerbare Energiequellen bis heute verhindern, dass 100 Prozent Ökostrom durch die Kabel geleitet werden, muss sie den Netzausbau entschieden vorantreiben.