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Rundschau-Debatte des TagesSchafft die EU die Wind-Wende?

Lesezeit 4 Minuten
Hinter zwei Windrädern scheint die Sonne.

Windkraft (Symbolbild)

Lange Genehmigungsverfahren, steigende Rohstoffkosten, billigere Turbinen aus dem Ausland und Inflation: Vieles macht der Windenergieindustrie in Europa derzeit zu schaffen.

Die EU hat ambitionierte Klimaziele - und dafür muss die Windenergie ausgebaut werden, die vor vielen Herausforderungen steht. Die Kommission will mit verschiedenen Maßnahmen anschieben. Was plant sie - und was bringt das, wenn die Probleme in den Ländern liegen?

Um die EU-Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2030 zu erreichen, müssen bis zum Ende des Jahrzehnts deutlich mehr Windräder stehen – nach Angaben der EU-Kommission müssen die Kapazitäten mehr als verdoppelt werden. Um die Windkraft anzuschieben, sollen nach Willen der Brüsseler Behörde die Genehmigungsverfahren für Windräder stärker digitalisiert werden. Das ist eine Maßnahme eines am Dienstag in Brüssel von der Kommission vorgestellten Pakets. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie steht es mit der Windkraft in der Europäischen Union?

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nennt die Windindustrie der Staatengemeinschaft „eine europäische Erfolgsgeschichte“, die derzeit aber vor „einer einzigartigen Mischung von Herausforderungen“ stehe. Tatsächlich hinkt die EU beim Ausbau der Windkraft im globalen Vergleich hinterher, wie aus einer im August veröffentlichten Analyse der Denkfabrik Ember hervorgeht: Während weltweit von Januar bis Juni zehn Prozent mehr Energie aus Windkraft als im Vorjahreszeitraum erzeugt wurde, lag der Zuwachs in den EU-Ländern nur bei fünf Prozent.

Bis 2030 sollen erneuerbare Energien 42,5 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in der EU ausmachen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen nach Angaben der Kommission die Kapazitäten mehr als verdoppelt werden: Mehr als 500 Gigawatt installierte Leistung seien bis 2030 notwendig. Ende vergangenen Jahres waren den Angaben nach 204 Gigawatt installiert.

In Deutschland hat der Ausbau in diesem Jahr Fahrt aufgenommen. In den ersten neun Monaten ging über 50 Prozent mehr Leistung durch neue Anlagen in Betrieb als im Vorjahreszeitraum. Bereits Ende September wurde der Wert des Jahreszubaus von 2022 übertroffen, wie aus vorläufigen Zahlen der Fachagentur Windenergie an Land hervorging.

Deutlich erhöhte sich demnach auch die Zahl der ganz neu genehmigten Windräder hierzulande.

Warum geht der Ausbau der Windenergie nicht schneller?

Dem Windindustrieverband WindEurope zufolge machen den Herstellern von Turbinen etwa hohe Rohstoffpreise und die Inflation zu schaffen, sagte Sprecher Christoph Zipf. Sorge bereite außerdem, dass immer mehr Produzenten aus dem Ausland, vor allem aus China, auf den europäischen Markt drängten.

Auch die langwierige Genehmigung von Windrädern und Windparks hemme den Ausbau, sagte Linda Kalcher von der Brüsseler Denkfabrik Strategic Perspectives. Von der Beantragung bis zum Bau dauert es europaweit mehrere Jahre. „Durch lange Genehmigungsprozesse kommt es nachher auch mit den kalkulierten Kosten nicht mehr hin“, sagte sie.

Was will die Kommission gegen die Schwierigkeiten unternehmen?

Die Brüsseler Behörde will an verschiedenen Punkten ansetzen. Um die Genehmigungsprozesse zu beschleunigen, plant sie etwa noch bis Jahresende ein Online-Tool, das die Mitgliedstaaten bei Genehmigungsverfahren unterstützt. Es soll Antworten auf häufig gestellte praktische Fragen der Länder geben, die im Zusammenhang mit der Umsetzung der überarbeiteten Genehmigungsvorschriften bestehen.

Generell sollen die Verfahren den Plänen zufolge deutlich stärker digitalisiert werden.

Auch die Auktionsverfahren sollen verändert werden. Hier sieht Zipf vom Industrieverband den größten Hebel. Bislang darf in der Regel derjenige Projektentwickler einen Windpark bauen, der bei einer Auktion den niedrigsten Preis bietet. Den Plänen der Kommission zufolge sollen künftig auch andere Faktoren berücksichtigt werden – etwa Nachhaltigkeit, der Schutz von Umwelt, Lieferfähigkeit und Cybersicherheit.

Damit mehr Geld in den Ausbau fließen kann, will die Kommission den Zugang zu EU-Finanzmitteln erleichtern und ermutigt die Länder, im Rahmen der Möglichkeiten die Windkraftindustrie mit staatlichen Beihilfen zu unterstützen. Um sicherzustellen, dass der Windsektor unter gerechten Bedingungen arbeiten kann, will die Behörde außerdem mögliche unfaire Handelspraktiken überwachen, die ausländische Windkraftanlagenhersteller begünstigen.

Angesichts der voraussichtlichen Zunahme des Windenergieausbaus müsse zudem sichergestellt werden, dass genügend Arbeitskräfte in der EU verfügbar seien und sie über die richtigen Fähigkeiten verfügten, hieß es. Daher solle eine Akademie für den Windsektor die Länder bei der Weiterbildung und Umschulung von Arbeitnehmern unterstützen.

Wie viel bringt ein Aktionsplan der EU-Kommission?

Das Paket der Kommission ist kein neues Gesetz, daher gibt es auch keine neuen Verpflichtungen für die Mitgliedsländer. Kalcher hält es dennoch für einen richtigen und wichtigen Schritt – die Kommission trete den nationalen Regierungen damit auch zu den schnelleren Genehmigungsverfahren auf die Füße und lasse nicht locker.

Sarah Brown, Energieexpertin vom Thinktank Ember, sieht das ähnlich. Das Problem liege zwar auf Ebene der Mitgliedstaaten, es sei aber sehr wichtig, dass die Europäische Kommission die Richtung vorgebe und übergreifend einen Plan und ein Ziel habe. Diese Art von Strategien könnten eine „wirklich wertvolle Überbrückung sein, während die Dinge verabschiedet werden“.

Wie fallen Reaktionen auf die Pläne der EU aus?

Der Aktionsplan adressiere wichtige Punkte für einen beschleunigten Ausbau der Windkraft, heißt es vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Wichtig sei etwa der Vorschlag, die europäischen Regeln für die Ausschreibung zu verbessern. „Es gilt jetzt, diese Punkte so schnell wie möglich umzusetzen“, betonte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. (dpa)