Comedian Torsten Sträter spricht im Interview über seine Jugend: Abba-Fan, Mofa, zwei Brüder im Zimmer – und eine stufige Frisur
Torsten Sträter„Irgendwann hat das Arbeitsamt gefragt: Junge, was willste werden?“
Eine Stunde vor seinem Auftritt wirkt Torsten Sträter ziemlich entspannt. Von Lampenfieber keine Spur. Im Gegenteil, für das Interview nimmt sich der Comedian ausreichend Zeit, auch wenn er sich zwischendurch die Bühnenkleidung überstreift. Anzughose oder Jeans? Er bleibt bei schwarzer Jeans. Was der 57-Jährige vor allem in seiner Jugend für Vorlieben hatte, verrät er ganz freimütig.
Herr Sträter, das letzte Mal trafen wir uns vor fünf Jahren. Wie hat sich Ihr Leben verändert, seit Sie reich und berühmt sind?
(lacht und prustet) Völliger Bullshit. Ich habe einen leicht erhöhten Bekanntheitsgrad, bin aber immer noch nicht reich. Dazu habe ich viel zu spät angefangen.
Kann ja noch werden, Sie sind erst 57…
Genau, rechtzeitig zu meiner Einäscherung.
Da könnten Sie dann das Haus in der Toskana abbezahlt haben.
Das wäre mir eine zu weite Anfahrt. Ich bin mehr so ein Fun-Autofahrer. Ich stehe gar nicht mehr drauf, 700 Kilometer zu fahren oder im Fall der Toskana rund 2000.
Haben Sie denn Ihren Mustang noch?
Nein, den habe ich tatsächlich vor sechs Wochen verkauft. Als ein Zeichen echter geistiger Reife.
Warum das jetzt?
Weil das Unsinn ist: Der Wagen hatte rund 500 PS. Außerdem habe ich ja noch meinen alten Mustang. Aber den fahre ich überhaupt nicht. Da wird nur drum herumgegangen und dann sagt man ehrfürchtig „ui-ui-uih“.
Kommen wir mal zu Ihrer Kindheit und Jugend …
Wo soll ich anfangen? Ich bin in Dortmund-Brechten geboren, auf der Couch meiner Oma. Hausgeburt, uneheliches Kind. Am nächsten Tag sind wir nach Waltrop im nördlichen Ruhrgebiet gezogen. Dort wuchs ich auf und ging zur Schule. Danach bin ich mit 16 Jahren erstmal wieder zurück in die Nähe von Oma nach Dortmund-Eving. Achtzigerjahre, hartes Brot.
Respekt, kurz und bündig. Ich habe trotzdem noch ein paar Fragen: Mit 16 schon ein Mofa gehabt oder noch Bonanza-Rad?
Mofa.
Hawaii-Toast oder Pizza?
Ich war und bin kein großer Pizzafan, also Hawaii-Toast.
Freundin oder schüchtern?
Beides. Sehr schüchtern gewesen, und habe spät mein erstes Mal erlebt.
Cordhose oder Jeans?
Jeans. Cordhose habe ich immer konsequent abgelehnt. Komisches Material, musste ich als Kind tragen. Hat so pseudo-wärmende Eigenschaften und trägt auf wie Sau. Ich verstehe das Muster auch nicht: Warum wird da etwas reingefräst? Ich hatte als Kind einen braunen Cordanzug, Jacke und Hose. Hässlich. Nach wie vor bin ich sehr empfindlich, was die Farbe braun betrifft.
Abba oder The Clash?
Abba. Ich mochte die Band immer. Abba hat die besten Popsongs der Welt gemacht und mich in dieser Phase abgeholt, wo du sehr empfänglich dafür bist, obwohl ich eigentlich schon der Kiss-Fraktion angehörte. Aber ich schätzte das Songwriting von Abba, einfach brillant.
Auch den legendären Moderator Mal Sondock auf WDR 2 gehört?
Ja sicher. Immer mit dem Kassettenrecorder gelauert und gehofft, dass er nicht reinlabert in die Songs. Ich mochte den Sprachgebrauch von Sondock, das war ja kurz vor Klingonisch.
Und weiter geht’s in Ihrer Jugend: Kurzhaar oder lang?
Kurz. Damals hatte ich schöne Haare, denen trauere ich wirklich hinterher. Am Anfang ist die Mutti immer mit mir zum Friseur und sagte: Stufig schneiden. Das war das Zauberwort: Stufig. Hinten nicht so lang. Dann liefst du mit einer stufigen Frisur herum, die man unter dem Mofahelm aber gut verstecken konnte. Später in den Achtzigern hieß es dann: Hey, du flippiger Dude, Haare hoch, Cola rein, Haarlack. Ich hatte schöne Haare bis zur Jahrtausendwende, dann fielen sie mir radikal aus.
Zu viel Cola und Haarlack?
Das wird’s gewesen sein. (lacht)
War das mit „Haare hoch“ Ihre Punkphase?
Ich hatte eher eine Gothic-Phase. Punk war mir als Musik nicht melodiös genug, ich alter Mainstreamer. (lacht) Es gab ja so Kirmes-Punks mit Nieten, Bändern, und Sicherheitsnadeln in der Jeansjacke, die meinten, sie wären schon Punks. Aber wer noch nicht zu atonaler Musik auf die Straße geschissen und das System abgelehnt hatte, war für mich kein Punk. Ich habe das System zwar auch abgelehnt, trotzdem aber später meinen Bundeswehrsold und mein Taschengeld vom Staat genommen. So sehr lehnte ich das System dann doch nicht ab.
Sie waren bei der Bundeswehr?
Ja, W-15er, also 15 Monate Grundwehrdienst. Stationiert in Neustadt am Rübenberge. Artillerie-Spezialzug. Wenn du reinkommst, das Gebäude gleich links. Die wollten, dass ich mich verpflichte, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, das ist ein zu weiter Anfahrtsweg.
Wie ging es nach der Bundeswehr weiter?
Ein Jahr kultivierte Arbeitslosigkeit, und zwar auf dem Level Sozialhilfe-Gedöns. Alle zwei Wochen konnte ich mir einen Barscheck abholen über 254 D-Mark. Damit musste ich dann knapsen und weiter bei Mutti wohnen. Alles sehr unangenehm. Irgendwann hat das Arbeitsamt gefragt: Junge, was willste werden? Ich sagte: Schneider. Gut, dann gehst du zu Meister Grothaus. Die Schneiderausbildung war ganz toll.
Was haben Sie davon bis heute beibehalten?
Ich habe das Verständnis für diesen Beruf beibehalten, und einige Techniken, wie zum Beispiel eine Pattentasche einsetzen. Müsste ich mir aber noch mal verinnerlichen. Ich kann auch ein Knopfloch stechen. Oder wie Bruce Lee sagte: Ich habe nicht Angst vor dem Mann, der tausend Tritte kann, die er einmal geübt hat. Sondern ich habe Respekt vor dem Mann, der einen Tritt kann, den er tausendmal geübt hat. Genauso kann ich immer noch handgestochene Knopflöcher. Brauchst du zwar null, aber das geht nie weg, ist wie Schleife binden am Schuh. In der Theorie verstehe ich, was die Textilindustrie und was ein Maßschneider wollen. Und deswegen gehe ich, wenn es finanziell nicht gerade überhandnimmt, auch unheimlich gerne hin.
Wie oft?
Einmal im Jahr lasse ich mir einen schwarzen Anzug maßschneidern. Das ist eine Sache, die man sich bewusst gönnen muss. Trotzdem trage ich von meinen aktuellen drei Maß-Anzügen meistens nur das Jackett und nicht die Hosen.
Herr Sträter, haben Sie eigentlich abgenommen?
Ja, sieben Kilo mindestens. Schön, wenn man es sieht.