CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sieht Versäumnisse bei der Bekämpfung von Antisemitismus bei Zuwanderern. Er plädiert für mehr Härte – auch in der Migrationspolitik.
Interview mit CDU-Generalsekretär Linnemann„Der muslimische Antisemitismus wurde völlig unterschätzt“
Herr Linnemann, war das Gedenken an den 9. November 1938, den Jahrestag der Reichspogromnacht, in diesem Jahr anders als sonst?
Ich spüre eine große Verantwortung. Ich möchte als Politiker, aber auch als Staatsbürger alles dafür tun, dass Antisemitismus bekämpft wird. Wenn man ehrlich ist, haben wir mit dem Gedenken an den Holocaust in den letzten Jahren zu wenig junge Menschen angesprochen. Wir haben auf Warnungen nicht reagiert. Dass „Du Jude!“ ein Schimpfwort auf deutschen Schulhöfen ist, haben wir laufen lassen. Jetzt tritt der Hass auf Juden offen zutage. Das tut mir total weh.
Was folgt daraus?
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Experten wie Ahmad Mansour sagen seit Jahren, dass wir Meldestellen an Schulen brauchen. Wir brauchen De-Radikalisierungsexperten und wir müssen an die Eltern dieser Kinder herantreten. Ich bin froh, dass wir diese Debatten jetzt offen führen können. Der muslimische Antisemitismus wurde völlig unterschätzt, und wenn man das Thema ansprach, wurde man in eine rechte Ecke gestellt. Entscheidend aber ist jetzt, dass wir daraus die richtigen Konsequenzen ziehen. Ich fände es zum Beispiel richtig, wenn jeder Schüler während seiner Schulzeit ein Konzentrationslager oder ein Mahnmal besuchen muss.
Viele Politiker haben in den letzten Tagen gesagt, Antisemitismus werde in Deutschland nicht geduldet. Nutzt sich das nicht ab, wenn er dennoch stattfindet?
Die Regierung macht leider immer noch zu wenig. Das Islamische Zentrum in Hamburg, das ein verlängerter Arm des Mullah-Regimes im Iran ist, ist noch immer nicht geschlossen. Das ist doch das völlig falsche Signal. Innenministerin Nancy Faeser müsste es einfach nur unterschreiben, aber sie macht es nicht. Obwohl der Bundeskanzler das nun schon vor einem Monat angekündigt hat. Das ist doch das völlig falsche Signal. Wir brauchen darüber hinaus ein Bekenntnis aller islamischen Einrichtungen, dass sie das Existenzrecht Israels anerkennen und Antisemitismus ablehnen. Wenn es das nicht gibt, haben sie keine Berechtigung, in Deutschland ihre Arbeit fortzusetzen. Frau Faeser ist sehr aktiv gegen Rechtsextremismus, gegen den islamischen Extremismus unternimmt sie nichts.
Viele Muslime fühlen sich jetzt schon unter Generalverdacht gestellt. Wie kann man das verhindern?
Die große Mehrheit der Muslime will hier in Frieden und Freiheit leben. Der politische Islam will unsere freiheitliche Demokratie zerstören und zu einem Kalifat machen. Wenn wir den politischen Islam entschieden bekämpfen, wäre das ein Befreiungsschlag für die liberalen und säkularen Muslime in Deutschland. Wir müssen klarmachen: Wer unsere Werte teilt, ist Teil unserer Gesellschaft, unabhängig davon, welchen Glaubens er ist. Aber wer sie bekämpft, hat sich das falsche Land ausgesucht.
Olaf Scholz sprach in dieser Woche nach dem Migrationsgipfel von einem „historischen Moment“, Friedrich Merz sagt, der Deutschlandpakt Migration hätte sich erledigt. Warum macht die CDU nun doch nicht mit?
Es ist richtig, dass Länder und Kommunen finanziell entlastet werden. Darauf warten sie seit Langem. Aber der Kern des Problems wird nicht angegangen. Denn die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz führen nicht dazu, dass die illegale Migration eingedämmt wird. Die Aussage von Scholz, es handle sich um historische Beschlüsse, wird ihn wieder einholen. Ich befürchte, dass sein Deutschlandpakt für Migration ein Rohrkrepierer wird. Die Flüchtlingszahlen werden hoch bleiben. Im Grunde hat der Bundeskanzler durch sein Verhalten die Türe zugeschlagen, aber sie ist nicht abgeschlossen. Der Bundeskanzler hat es in der Hand, sie wieder zu öffnen. Entscheidend ist, dass er die richtigen Maßnahmen ergreift, damit die Zahlen runtergehen.
Sie selbst haben gefordert, dass bei dem Thema alle Demokraten an einem Strang ziehen sollten. Dann können Sie doch jetzt eigentlich keinen Rückzieher machen …
Es macht doch für uns nur Sinn, einer Lösung zuzustimmen, die die Probleme auch wirklich löst. Wenn ein Deutschlandpakt für Migration nicht dafür sorgt, dass weniger Menschen nach Deutschland einreisen, ist es eine Mogelpackung. Wir dürfen dabei auf keinen Fall mitmachen. Sonst wird daraus ein Konjunkturprogramm für die Protestparteien. Wir sind weiterhin zu Verhandlungen bereit, aber es darf keine Formelkompromisse mehr geben.
Was wäre denn ein großer Wurf?
Wir müssen dafür sorgen, dass nur nach Europa kommt, wer einen positiven Asylbescheid hat, einen echten Schutzgrund. Dafür brauchen wir Aufnahmezentren in Drittstaaten, in denen diese Asylverfahren durchgeführt werden. Aber das wird insbesondere von den Grünen nicht gewollt. Die Grünen lehnen ernsthafte Maßnahmen zur Eindämmung der illegalen Migration ab. Es kann nur einen Deutschlandpakt geben, wenn ein Umdenken stattfindet und Maßnahmen beschlossen werden, die geeignet sind, um illegale Migration deutlich zu reduzieren. Wir haben in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt pro Jahr 270000 Flüchtlinge registriert, aber rund jeder zweite Asylantrag wird abgelehnt. Es ist eine Mär, dass unser jetziges System besonders human wäre. Im Augenblick kommen vor allem diejenigen, die stark und jung sind. Wer wirklich Hilfe braucht, schafft es gar nicht nach Deutschland.
Gibt es noch mehr Nachbesserungsbedarf?
Wir müssen unsere Sozialleistungen denen unserer europäischen Partner angleichen, um Fehlanreize zu verhindern. Das gilt zum Beispiel auch für das Bürgergeld. Zudem muss das neue Staatsbürgerschaftsrecht zwingend gestoppt werden. Die Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut. Wer sie erhält, muss seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten können und darf kein Straftäter sein.
Die SPD will laut Leitantrag für ihren Parteitag die Schuldenbremse reformieren und eine befristete Krisenabgabe für Wohlhabende einführen. Was halten Sie von den Plänen?
Da hat die SPD mal wieder in ihre tiefrote Mottenkiste gegriffen. Das gesamte Papier atmet den Geist von Umverteilung und Sozialismus. Die Maßnahmen sind ein Frontalangriff auf den Mittelstand und die Familienunternehmen in Deutschland. Es ist doch ein Treppenwitz der Geschichte, eine temporäre Krisenabgabe verlangen zu wollen. Wenn der Bürger „temporär“ hört, hält er die Politik vollends für verrückt. Eine temporäre Abgabe wird schnell zementiert. Den Solidaritätsbeitrag gibt es bis heute. Da werden wir gegenhalten. An der Schuldenbremse müssen wir festhalten. Das schulden wir vor allem unseren Kindern und Enkelkindern. Das ist eine Frage der Generationengerechtigkeit. Der Staat hat kein Einnahmenproblem, er hat ein Ausgabenproblem.