Im Prozess gegen Dominique Pelicot, der jahrelang seine Ehefrau medikamentös betäubte und vergewaltigte, meldet sich nun auch dessen Tochter Caroline Darian zu Wort.
Tochter meldet sichDie „Vergessene“ im Vergewaltigungsprozess Pelicot
Caroline Darian unterdrückt ihre unendliche Wut auf ihren Vater Dominique Pelicot nicht. Als er einmal mehr versichert, er habe seine Tochter niemals angefasst, obwohl Nacktfotos von ihr auf seinem Computer gefunden wurden, verliert sie die Fassung. „Du lügst“, schreit sie. „Du hast nicht den Mut, die Wahrheit zu sagen. Du wirst mit deiner Lüge sterben!“ Es ist nicht das erste Mal in dem zweieinhalb Monate andauernden Prozess, dass sie im Gerichtssaal laut wird. In der vergangenen Woche mahnte sie der Vorsitzende Richter zur Mäßigung. „Ich bin fertig“, gab sie knapp zurück.
Fall Pelicot in Frankreich: Ordner mit Nacktfotos gelöscht?
Caroline Darian, die diesen Nachnamen für öffentliche Auftritte nutzt, aber eigentlich anders heißt, ist die einzige Tochter von Gisèle und Dominique Pelicot. Neben ihrer Mutter und ihren Brüdern David und Florian tritt sie als Zivilklägerin im laufenden Vergewaltigungsprozess in Avignon gegen insgesamt 51 Männer auf. Ihrem Vater als dem Hauptangeklagten wird vorgeworfen, seine Frau Gisèle mehr als neun Jahre lang medikamentös betäubt und im Anschluss Fremde in ihr Haus eingeladen zu haben, um sich gemeinsam an ihrem leblos daliegenden Körper zu vergehen.
Die Fotos und Videos von den Vergewaltigungen stellen eine umfassende Beweislast dar. Doch die Polizei fand nicht nur Aufnahmen von Gisèle Pelicot, sondern eben auch Bilder von ihrer schlafenden – oder bewusstlos gemachten? – Tochter, unbekleidet oder in ihr fremder Unterwäsche sowie einen leeren Ordner mit dem Titel „meine Tochter, nackt“. Hatte er die Inhalte zuvor noch gelöscht? Wieder und wieder appellierten Carolines Anwälte und Brüder an Dominique Pelicot, die ganze Wahrheit zu sagen und sie von der schweren Last des Zweifels zu befreien. Doch er behauptet, er habe keine Erinnerung daran, wie die Fotos entstanden.
Tochter von Gisèle Pelicot fühlt sich verdrängt
Die 45-Jährige selbst betonte, für sie gebe es keinen Zweifel am Missbrauch durch ihren Vater. Sie empfinde sich selbst als „die große Vergessene“ in diesem Prozess. „Gisèle wurde medikamentös betäubt und vergewaltigt, aber der einzige Unterschied zwischen ihr und mir ist das Fehlen von Beweisen, was mich angeht.“ Ihr sei klar geworden, dass sie lange so viel an ihre Mutter und so wenig an sich selbst gedacht habe, dass sie sich in der Verhandlung „verdrängt und unsichtbar gemacht“ fühle.
Als Gisèle Pelicot eine Antwort auf die Frage einer Anwältin verweigerte, ob ihr Ex-Mann Dominique ihrer Meinung nach alles zugegeben habe, auch in Bezug auf Caroline, verließ diese erzürnt den Gerichtssaal. Ein Bruch zwischen Mutter und Tochter wurde erkennbar. Dabei standen die beiden einander immer nahe, wirkten zu Prozessbeginn so geeint.
Vor einigen Wochen ließ sich Caroline Darian zeitweise in eine Klinik einweisen, um nach Wochen der Schlaflosigkeit wieder zu Kräften zu kommen, wie sie in den sozialen Netzwerken mitteilte. Ihr eigenes Leben als Ehefrau und Mutter eines kleinen Jungen hänge „seit vier Jahren in der Schwebe“ – seit sie von den Vorwürfen gegen ihren Vater erfuhr, den sie bis dahin als präsent und liebevoll wahrgenommen hatte. Heute bezeichnet sie „ihren Erzeuger“ als „einen der größten Sexualstraftäter der letzten 20 oder 30 Jahre“.
Fall Pelicot: Hilfsverein gegründet
Früh ging Caroline Darian mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit und gab Interviews, lange bevor ihre Mutter Gisèle beschloss, öffentliche Verhandlungen einzufordern und seitdem für ihren Mut und ihre ruhige Art, mit der sie den Ausflüchten der meisten Angeklagten begegnet, riesige Anerkennung erhält. Darian schrieb das Buch „Und ich habe aufgehört, dich Papa zu nennen“ und gründete einen Hilfsverein für Missbrauchs- und Vergewaltigungsopfer, die über medikamentöse Betäubung gefügig gemacht wurden. Der Kampf um mehr Bewusstsein für das Ausmaß des Problems und konkrete Maßnahmen dagegen helfe ihr durchzuhalten, sagte sie. In den wenigsten Fällen, wie jenem ihrer Mutter Gisèle, gebe es Beweisvideos. Mit ihrem Vater hat sie abgeschlossen. Er werde „alleine enden wie ein Hund“, schleuderte sie ihm entgegen. Und nach seiner Bemerkung, man ende „immer alleine“, gab sie noch hinterher: „Du ganz besonders.“