Das EU-Parlament hat mit überwältigender Mehrheit für eine Resolution gestimmt, die eine Überprüfung der umstrittenen Freigabe von EU-Fördermitteln an Ungarn fordert.
Umgang mit UngarnWut im EU-Parlament auf Ursula von der Leyen wächst
Ursula von der Leyen war längst aus Straßburg abgereist, als das EU-Parlament am Donnerstag überwältigend für eine Resolution stimmte, die gut die aktuelle Wut auf die EU-Kommissionspräsidentin beschreibt. Denn eine überwältigende Mehrheit der Europaabgeordneten beauftragte mit dem Votum die Überprüfung der umstrittenen Freigabe von EU-Fördermitteln an Ungarn und will dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof klagen, sollten sich Hinweise auf Verstöße gegen EU-Recht finden.
Der Unmut gegenüber von der Leyen war groß in Straßburg, nachdem die EU-Kommission im Dezember Budapest bescheinigt hatte, dass es Auflagen zur Justizreform erfüllt habe. Als Folge wurden 10,2 Milliarden Euro an eingefrorenen Geldern freigegeben, ausgerechnet kurz vor dem EU-Gipfel, bei dem der ungarische Ministerpräsident dann sein Veto gegen den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufgegeben hatte, indem er kurz den Raum verließ und drinnen ein Konsens festgestellt werden konnte.
„Sie haben zehn Milliarden Euro dafür ausgegeben, dass Viktor Orbán einmal auf die Toilette gegangen ist“, warf der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner der Kommissionschefin diese Woche vor. „Sie haben sich erpressen lassen.“ Dass jetzt die meisten seiner Parlamentskollegen die fast schon vernichtende Entschließung, mit der sie mit rechtlichen Schritten gegen die Kommission drohen, unterstützt haben, nannte er „einen Warnschuss“ in Richtung der Deutschen. Die Ablehnung im Parlament sei größer geworden, seit sie vor dem Gipfel „diese Flanke wieder aufgemacht hat“, so Körner.
Erneut Spitzenkandidatin
Auch wenn von der Leyen derzeit auf der Brüsseler Popularitätsskala weniger weit oben landet, bestehen mittlerweile kaum noch Zweifel daran, dass sie abermals als Spitzenkandidatin für die christdemokratisch-konservative Europäische Volkspartei (EVP) antreten wird. Offiziell bestätigt hat sie das noch nicht, unter anderem, so wird gemunkelt, um das politische Tagesgeschäft der Brüsseler Behörde so lange wie möglich unbeeinflusst vom Europawahlkampf fortzuführen.
Eigentlich war der große Aufschlag für den 1. Februar im schwedischen Stockholm geplant. Von der Leyen sollte dort vor den zwölf europäischen Staats- und Regierungschefs, die der Parteienfamilie EVP angehören, ihre Kandidatur verkünden. Daraus wird nun nichts, weil just für diesen Tag ein Sondergipfel anberaumt wurde, um die Milliardenhilfen für die Ukraine zu organisieren, gegen die sich Orbán derzeit noch wehrt.
Wann also wird sie sich erklären? In Brüssel schwirrt das Datum des 21. Februar als Deadline herum. Dann läuft die Frist ab, bis zu der EVP-Bewerber für den Posten des Präsidenten der EU-Kommission nominiert werden können. Deshalb ist offenbar vorgesehen, dass von der Leyen ihre Kandidatur Mitte Februar im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin verkünden wird. Bestätigen will die Kommission solche Pläne nicht.
Doch im Rahmen einer CDU-Veranstaltung würde sie dem Parteichef Friedrich Merz den Auftritt im Scheinwerferlicht ermöglichen. Ein wenig wäre es auch ein Versöhnungsangebot. Immerhin stellt ausgerechnet Deutschland die größte Herausforderung für die Niedersächsin dar. Nicht nur sahen etliche ihrer Parteikollegen von der Leyen nie als eine der ihren an. Beinahe seit dem Beginn ihrer Amtszeit als Kommissionspräsidentin prallten auch ihre Agenda mit den Forderungen der Konservativen zusammen. Ob es um Vorschriften für grünen Wasserstoff ging, Verschärfungen für Bauern durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur oder wirtschaftspolitische Vorhaben, die aus Sicht der EVP die unternehmerische Freiheit einschränken – insbesondere bei CDU und CSU sorgte ihr Kurs regelmäßig für Ärger und Widerstand.
Dementsprechend kann sich kaum jemand vorstellen, dass das Konterfei „der deutschen Kommissionspräsidentin, die dem Verbrennungsmotor den Garaus machte“, wie es ein Insider ausdrückte, die Wahlkampfplakate in Deutschland zieren wird. Die Frage sei derzeit vielmehr: Wie wird von der Leyen nicht zu einer Belastung?
Offiziell soll bei einem EVP-Parteikongress in Bukarest am 6. und 7. März ihre Kandidatenwahl stattfinden, inklusive all dem nötigen politischem Tamtam und – für die EVP noch viel wichtiger – von der Leyens Versprechen, in der nächsten Legislaturperiode ein wirtschaftsfreundlicheres Programm ganz im Sinne der Konservativen zu verfolgen. „Die EVP wird ein großes Mitspracherecht bei der Zukunft dieses Kontinents haben“, sagte der Partei- und Fraktionsvorsitzende Manfred Weber (CSU) jüngst. Ein bisschen klang es auch wie eine Aufforderung an Ursula von der Leyen.