AboAbonnieren

Interview mit Bildungsministerin„Wir können nicht immer auf Kosten anderer Generationen leben“

Lesezeit 4 Minuten
Bettina Stark-Watzinger spricht bei der Kundgebung.

Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung spricht bei der Kundgebung „Fridays for Israel“.

Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger hält das Aussetzen der Schuldenbremse für gefährlich. Doch lässt sich so der Haushaltsstreit beilegen? Und was ist mit der Bildung?

Frau Stark-Watzinger, die Union fordert Neuwahlen, in der FDP soll es eine Mitgliederbefragung über den Verbleib in der Ampel geben. Steuert diese Bundesregierung auf ihr Ende zu?

Nein. Wir haben Verantwortung übernommen in Krisenzeiten, um die großen Herausforderungen zu bewältigen. Und als Freie Demokratin füge ich hinzu: Wir haben viel erreicht – spürbare Entlastungen, Planungsbeschleunigung, Bürokratieabbau sowie Investitionen in Bildung und unsere Infrastruktur. Es ist richtig, Teil dieser Regierung zu sein.

Was macht Sie da so sicher?

Die Union hat uns nach 16 Jahren ein Land mit einem riesigen Reformstau und leeren Kassen hinterlassen. Das ist keine einfache Ausgangssituation, zumal in wirtschaftlich und weltpolitisch schwierigen Zeiten. Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass drei sehr unterschiedliche Partner gemeinsam regieren. Dass es da intensive Debatten gibt, ist doch klar. Wichtig ist, dass wir gute Lösungen finden. Das gilt jetzt umso mehr. Wir müssen klare Prioritäten setzen, dann können wir mit dieser Regierung noch viel schaffen.

Im Streit um den Haushalt nach dem Urteil aus Karlsruhe wollen Grüne und SPD die Schuldenbremse auch für das Jahr 2024 aussetzen.

Ich halte das für einen gefährlichen Vorschlag. Nicht jeder Konsolidierungsdruck ist gleich eine Notlage. Das Bundesverfassungsgericht hat die Schuldenbremse gestärkt und damit die Leitplanken gesetzt. Der Auftrag ist also, mit weniger Geld wirkungsvollere Politik zu machen. Daran fühlen wir uns als Freie Demokraten gebunden.

Im Etat 2024 fehlen nun 17 Milliarden Euro. Wo können die eingespart werden?

Das ist Gegenstand der Gespräche in der Koalition. Für mich ist allerdings klar, dass wir trotz der Einsparungen genug Spielraum für die notwendigen Zukunftsinvestitionen brauchen.

Braucht es eine Reform der Schuldenbremse, um langfristige staatliche Investitionen abzusichern?

Ich halte die Diskussion über die Aufweichung der Schuldenbremse für falsch. Wir haben jetzt die Aufgabe, den Haushalt 2024 aufzustellen. Übrigens haben wir hohe Steuereinnahmen. Und die Schuldenbremse bietet schon jetzt einen gewissen Spielraum bei konjunkturellen Einbrüchen. Wir können doch nicht immer auf Kosten kommender Generationen leben.

Nächstes Schuljahr startet das Startchancen-Programm, eines Ihrer wichtigsten Projekte. 4000 Brennpunktschulen sollen mit insgesamt 20 Milliarden Euro gefördert werden. Die Hälfte trägt der Bund. Bleibt es dabei?

Das Startchancen-Programm ist fast vollständig ausgearbeitet und allen Koalitionspartnern ein wichtiges Anliegen. Denn wir wollen es nicht länger hinnehmen, dass in Deutschland die soziale Herkunft stark über den Bildungserfolg entscheidet. Das ist eine Ungerechtigkeit in unserem Land, die wir alle bekämpfen wollen. Das Programm setzt zudem bei den Grundkompetenzen an, bei denen viele Kinder die Mindeststandards nicht erreichen. Ich habe deshalb keinen Zweifel daran, dass das Programm wie geplant zum Schuljahr 2024/25 startet. Es ist eine Zukunftsinvestition.

Wovon hängt ab, ob es ein Erfolg wird? Sie wollen die Zahl der Grundschüler, die nicht schreiben und rechnen können, halbieren.

Das ist ein Ziel. Deshalb sollen 60 Prozent der Startchancen-Schulen Grundschulen sein, weil dort die Grundlagen gelegt werden. Mit dem Programm geben wir etwa 4000 Schulen in herausfordernder Lage ganz andere Fördermöglichkeiten über einen Zeitraum von zehn Jahren. Es wird auch wissenschaftlich begleitet werden. So können wir sehen, wie sich die Kompetenzen verbessern und wo wir nachsteuern müssen.

Das Förderprogramm Digitalpakt Schule läuft im Jahr 2024 aus. Viele Schulen sind jetzt mit W-Lan, interaktiven Tafeln und Laptops ausgestattet. Wird der Bund weiter unterstützen?

Es ist bedauerlich, dass wir 2023 überhaupt noch über die digitale Ausstattung sprechen müssen. Wir wollen unverändert einen Digitalpakt 2.0, weil die Digitalisierung endlich in den Klassenzimmern ankommen muss. Dabei müssen wir jedoch aus der Erfahrung mit dem ersten Digitalpakt lernen. Mir geht es darum, die Schulen noch zielgenauer und unbürokratischer unterstützen zu können. Es muss um mehr als nur Geräte gehen.

Ist die Digitalisierung Fluch oder Segen für den Bildungserfolg?

Das ist mir zu schwarz-weiß. Wir wissen, dass Lehrerinnen und Lehrer die wichtigsten Faktoren für den Bildungserfolg sind. Das wird die Digitalisierung nicht ändern. Sie ist aber wie auch KI eine Chance auf bessere Bildung. Es kommt dabei sehr auf den richtigen und altersgerechten Einsatz an. Gerade beim individuellen Lernen und Fördern kann die Digitalisierung eine große Hilfe sein.

Zum Schluss noch eine Frage zu einem ganz anderen Thema: Die Jüdische Studierenden-Union hat Sie aufgefordert, gegen Antisemitismus an Universitäten vorzugehen. Was werden Sie unternehmen?

Zunächst einmal habe ich ein Gespräch mit Vertretern der JSUD geführt, was mir persönlich sehr wichtig war. Wir sind uns einig, dass für Israel- und Judenhass an deutschen Hochschulen kein Platz sein darf. Hochschulen sind Orte der Vielfalt und der Debatte, aber sie sind kein rechtsfreier Raum. Hier sind vor allem die Hochschulleitungen gefordert. Sie haben ein Hausrecht und das müssen sie nutzen. Ich möchte Hochschulleitungen bestärken, das konsequent zu tun. Es kann nicht sein, dass gewisse Hochschulen zu No-go-Areas für jüdische Studierende werden.