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Bidirektionales LadenWerden E-Autos bald Stromquelle für alle?

Lesezeit 5 Minuten
Ein Elektrofahrzeu wird  aufgeladen. (Symbolbild)

Ein Elektrofahrzeu wird aufgeladen. (Symbolbild)

Fahrzeug-Akkus könnten ganze Nachbarschaften mit Energie versorgen – doch die Politik muss noch viele Fragen klären.

Eigentlich ist ein E-Auto ja zum Fahren da. Die meiste Zeit des Tages steht es aber ungenutzt unter dem Carport und hängt an der Schnur. Das Konzept des bidirektionalen Ladens verspricht nun, dass bald keine Energie mehr verloren geht und unsere Fahrzeuge zu Stromspeichern und -lieferanten werden. Dank „bidirektionalem Laden“, bei dem der Strom in beide Richtungen fließt.

Das wäre vor allem für Menschen interessant, die schon eine PV-Anlage auf dem Balkon oder dem Hausdach haben. Der eigene Strom kostet Verbraucher nur halb so viel wie der vom Versorger, weil auf selbst erzeugten Strom weder Steuer noch Netzentgelte und Umlagen anfallen. An besonders sonnigen Tagen produzieren die Module aber ein Vielfaches an Energie, von der nicht alles gleich genutzt werden kann. Deshalb braucht es spezielle Speicher, um bei Bedarf später darauf zugreifen zu können.

Autofahrer, die zu Hause über keinen Strom aus einer PV-Anlage verfügen, können ebenso profitieren: Kunden eines dynamischen Tarifs würden den Strom dann aus dem Netz ins Auto einspeisen, wenn die Kilowattstunde gerade billig ist. Bei Bedarf kann das E-Auto den Strom wieder abgeben, etwa wenn gerade die Spülmaschine läuft.

Viele Autos sind dazu fähig

Die Idee eines Stromspeichers ist zwar nicht neu, doch herkömmliche Systeme sind ein teurer Spaß. Laut „pv-magazine“ liegen die Kosten für die Geräte zwischen 1000 und 1800 Euro je Kilowattstunde (kWh). Für ein typisches Einfamilienhaus sollte die Speicherkapazität zwischen 5 und 15 kWh liegen. Stattdessen das eigene Auto dafür nutzen zu können, das sowieso vor der Tür steht, wäre eine echte Innovation.

Warum das bislang noch im Konjunktiv formuliert werden muss, dazu gleich mehr. Denn eigentlich sind E-Autos verschiedener Hersteller schon heute zu bidirektionalem Laden fähig. Gängige E-Fahrzeuge wie der Nissan Leaf, Hyundai Ioniq 5, Polestar 3, aber auch Stromer aus dem VW-Konzern wie der ID.3, Cupra Born oder der Skoda Enyaq haben entsprechende Vorrichtungen, sie sind sozusagen „bidi-ready“. Moderne Fahrzeuge können zudem meist mit Updates „over the air“, also softwareseitig vom Hersteller auf den neuesten Stand gebracht werden.

Es gibt verschiedene Stufen bidirektionalen Ladens. In manchen E-Autos befindet sich zum Beispiel eine Schuko-Steckdose, an die sich von unterwegs elektrische Geräte anschließen lassen. Diese Funktion nennt man Vehicle-to-Device (V2D). Das ist vor allem für Camper oder für Handwerker nützlich, um zum Beispiel Kühlschränke zu betreiben oder Werkzeuge aufzuladen.

In der zweiten Stufe, beim Vehicle-to-Home (V2H), kommt die Wallbox ins Spiel. Bestimmte Boxen sind in der Lage, Energie aus dem Fahrzeug-Akku an das Hausstromnetz abzugeben – vorausgesetzt, das Eigenheim verfügt über ein intelligentes Energiemanagement.

Der Ablauf ist hierbei genau der gleiche wie beim Nachladen: Das Auto kommt an die Schnur, während der zuvor gezogene Strom ins heimische Netz fließt, wenn aus sonstigen Quellen, etwa der PV-Anlage, keine Energie abgeschöpft werden kann.

Weil E-Autos mit Gleichstrom (DC) fahren, während im Haus Wechselstrom (AC) fließt, braucht es jedoch eine Umwandlung über die Wallbox. Boxen mit Gleich- und Wechselrichter kosten Stand heute aber bis zu viermal so viel wie eine Standardbox, laut ADAC gut und gerne bis zu 5800 Euro.

Vehicle-to-Grid-Prinzip

Nach zehn Jahren könnte sich die Anschaffung amortisieren – sofern der Besitzer durch die Einsparungen beim Strom jährlich 300 bis 600 Euro rausbekommt. Der Wallbox-Kauf konnte im Rahmen der KfW-Förderung 442 lange mit bis zu 10200 Euro vom Staat gefördert werden. Am 13. Februar teilte das Bundesverkehrsministerium aber mit, dass es für das Förderprogramm kein Budget mehr gibt, und stellte die Finanzspritze ein.

Für die Zukunft ist ohnehin die dritte Stufe das spannende langfristige Ziel: das Vehicle-to-Grid-Prinzip (V2G). Dabei speist ein E-Auto den Strom aus seinen Akkus sogar ins umliegende Stromnetz ein. Durch eine intelligente Steuerung könnten tausende Elektroautos ein virtuelles Kraftwerk bilden, um die Energieversorgung zu diversifizieren und bei Engpässen zu stabilisieren – etwa morgens und abends, wenn überall zur gleichen Zeit das Licht in den Häusern angeht und Bedarfsspitzen entstehen. Für Hauseigentümer könnte sich dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle auftun. Damit V2G bald Realität wird, hat der Gesetzgeber aber noch viel zu tun.

Rechtlich werden E-Autos bislang nur als Pkw geführt. Sie müssten auch als Speicher gelten, damit Rechtssicherheit herrscht, wenn technisch etwas schiefläuft und Haftungsfragen entstehen. Zudem würde schon ein regelmäßiger Einsatz von Vehicle-to-Home dafür sorgen, dass der Akku eines E-Autos viel häufiger be- und entladen wird als im regulären Fahrbetrieb. Solange dafür keine Regelung gefunden ist, könnte sich dies auf die Herstellergarantie auswirken.

Darüber hinaus ist unklar, wie der Strom, der wieder ins Netz eingespeist wird, versteuert werden würde. Einerseits droht die Gefahr einer doppelten Abgabe sowohl bei der Stromauf- als auch bei der Stromabgabe. Andererseits könnten E-Auto-Besitzer ein Schlupfloch nutzen, indem sie steuerbegünstigt beim Arbeitgeber laden und den Strom dann entgeltlich ins Netz einspeisen.

Ampel fördert Entwicklung

Immerhin gibt es seit April 2023 eine offizielle Norm (ISO 15118-20) für das in Europa vorherrschende Ladesystem CCS (Combined-Charging-System). Sie regelt die Grundvoraussetzung für bidirektionales Laden: die Kommunikation zwischen Auto und Ladeeinrichtung. Oft dauert es jedoch einige Zeit, bis Hersteller normkonforme und günstige Angebote auf den Markt bringen.

Auch die Ampel-Koalition hat das Thema auf dem Schirm. Im November lud Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Vertreter aus der Autobranche und der Energiewirtschaft zum Gipfel für bidirektionales Laden nach Berlin.

Für die Entwicklung stellt Habecks Ministerium 80 Millionen Euro bereit, um die Symbiose aus E-Mobilität und deren Netz-Integration zu verwirklichen. Im Förderprogramm Elektro-Mobil gibt es dafür einen extra Schwerpunkt. 37 Forschungs- und Entwicklungsprojekte werden gefördert. Es gilt, die Vision zu ermöglichen, E-Autos von einer potenziellen Belastung fürs Stromnetz zu einem Gewinn für die intelligenten Netze von morgen zu machen.


Verkraften E-Auto-Akkus die vielen Ladezyklen?

Eine Frage, die sich viele Menschen beim Thema „Bidirektionales Laden“ stellen könnten, ist jene nach der Langlebigkeit der Batterie, wenn neben dem normalen Fahrbetrieb eines E-Autos noch weitere Ladevorgänge hinzukommen. Der Wolfsburger Forscher und Batterie-Experte Robin Vanhaelst beschwichtigt. „Häufigere Lade- und Entladevorgänge über die Wallbox sind relativ unkritisch“, sagt der Professor für Batteriesystemtechnik. Das liege daran, dass die Leistung bei dem Vorgang sehr gering ist. Elf Kilowatt seien das maximal. „Im Vergleich dazu ist der Akku eines Elektroautos sehr groß und hat eine Kapazität, die das locker wegsteckt“, sagt Vanhaelst. (daba)