Der „Elektroschock“ und die FolgenBei Autovermietern sind E-Autos im ersten Anlauf gescheitert

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Ein Elektroauto lädt an einer Ladesäule.

Der „Elektroschock“ im Winter war nicht zuletzt ein Tesla-Problem: Weil der amerikanische Hersteller die Listenpreise senkte, verloren die Bestandsfahrzeuge der Autovermietungen schlagartig an Wiederverkaufswert.

Trotz anfänglicher Begeisterung für E-Autos konnten Autovermieter die Erwartungen nicht erfüllen. Mangelnde Kundeninteresse und hohe Betriebskosten bremsen das E-Auto-Comeback.

Vor zwei Jahren herrschte eine riesige Aufbruchstimmung in Sachen E-Mobilität. Auch Vermieter wie Sixt und Hertz rüsteten ihre Flotten mit Stromern auf. Sie wollten zu „Begeisterungsbeschleunigern“ werden und sahen den Durchbruch kommen.

In diesem Winter war die Begeisterung auf einen Schlag weg. „Das E-Auto-Desaster erreicht die Vermieter“, hieß es in knalligen Überschriften. Vom „Elektroschock“ war die Rede. Der massive Wertverlust der Wagen verhagelte die Bilanzen, die Neugierde der Kunden erlosch. Seitdem stechen Diesel und Benziner die Akku-Autos wieder aus – trotz Klimawandel.

„Nein, wir schweifen vom Thema nicht ab. Wir haben eine klare Orientierungsmarke: Wir wünschen uns weiterhin 70 bis 90 Prozent elektrifizierte Fahrzeuge in der europäischen Flotte bis Ende der Dekade!“ Das sagt Vinzenz Pflanz, Vorstandsmitglied bei Deutschlands größtem Vermieter Sixt, vor wenigen Tagen beim Autokongress „New Manufacturing World“ in Böblingen.

Der Anteil reiner Batteriefahrzeuge lag bei Sixt im vergangenen Jahr bei sechs Prozent. Beim 90-Prozent-Ziel bis 2030 werden zwar auch Hybrid-Fahrzeuge mit Elektro- und Verbrennermotor einbezogen. Aber auch um das zu erreichen, bräuchte es ein ganz schnelles und ziemlich gewaltiges Comeback der Strom-Autos. Was spricht dafür?

Reparatur und Wartung

bleiben großer KostenfaktorImmerhin ein Grund für den „Elektroschock“ ist inzwischen überwunden: Und zwar das Problem, dass Vermieter junge E-Autos, für die sie selbst das Restrisiko tragen, nach kurzen Laufzeiten nur mit hohem Verlust wieder loswerden konnten. Das habe man bei Sixt „größtenteils ausgeschwitzt“, verrät Pflanz.

Es war vor allem ein Tesla-Problem. Denn der amerikanische E-Auto-Pionier reduzierte die Listenpreise und war nicht bereit, seine Wagen zu einem Garantiepreis zurückzunehmen. Inzwischen haben Sixt, Hertz und andere ihre Teslas bereits weitgehend „ausgeflottet“. Mit den allermeisten anderen Herstellern hat man Rücknahme-Preise vereinbart.

Wieder durchstarten werden E-Autos in der Vermietung deswegen noch lange nicht. Zwei Bremsen bleiben: Zum ersten sind das Reparatur und Wartung. „Wenn Sie heute ein E-Auto fahren, liegen die Reparaturkosten im mittleren zweistelligen Prozentbereich über denen für Diesel und Benziner“, sagt Pflanz. Nicht, weil die Reparatur komplizierter wäre, sondern weil es schlicht noch nicht genug qualifizierte Werkstätten und rasch verfügbare Ersatzteile gibt. „Das ganze Netzwerk ist noch nicht auf die schnelle Reparatur von E-Fahrzeugen ausgerichtet“, sagt der Sixt-Vorstand.

Wenn ein Wagen acht Tage oder länger ausfällt, ist das verheerend, denn die Erfolgs-Devise der Branche lautet: Der Fahrersitz darf niemals kalt werden! Das ist bei vielen E-Autos auch deswegen noch unmöglich, weil sie schon nach 5000 Kilometern gewartet werden müssen. Diesel und Benziner müssen erst in die Wartung, nachdem sie längst wieder verkauft worden sind. „Alles in allem ist ein Elektroauto für uns im Moment mindestens 50 Prozent teurer als ein vergleichbarer Verbrenner“, sagte Jens Erik Hilgerloh, Chef von Starcar und Präsident des Autovermieterverbandes BAV, dem „Manager Magazin“.

Kunden, die gezielt nach einem

E-Auto fragen, gibt es nichtDie zweite Bremse: Die E-Euphorie der Kunden ist abgeflaut, weil Diesel und Benziner gerade für längere Fahrten immer noch deutlich praktischer sind. Elektroautos, die es etwa von Berlin nach Rügen und zurück mit nur einem Ladestopp schaffen, kosten eine Stange Geld. „Da mieten viele dann doch einen Verbrenner, weil der billiger und verlässlicher ist“, sagt ein Branchen-Insider. Er spricht von einem „Mismatch“ und einer „komplizierten Nachfrage-Lage“. Deutlicher wird Verbandschef Hilgerloh: „Der Kunde, der reinkommt und sagt: Ich möchte ein Elektroauto – den gibt es bei uns nicht.“

Also doch kein Comeback? Noch ist das Rennen offen. Denn dass die Reparaturkosten sinken und die Reparaturzeiten kürzer werden, dürfte eine Frage der Zeit sein. Schließlich ist die Wartung von batterieelektrischen Fahrzeugen viel einfacher als die von Hightech-Verbrennern. Und ob die Kunden die Stromer wiederentdecken, liegt an der technischen Entwicklung. Forscher und Hersteller prognostizieren rasche Fortschritte in Sachen Reichweite, Ladezeit und Verlässlichkeit. Ob E-Autos genauso praktisch wie Diesel und Benziner werden, könnte also auch „nur“ eine Frage der Zeit sein.

Es gibt da aber eine dritte Sache, die den Hochlauf der E-Mobilität insgesamt und auch in der Vermietung verlangsamen, wenn nicht sogar ganz abwürgen könnte: Das wäre die Rücknahme des Verbrennerverbotes der EU ab 2035. Der Druck auf Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, das Aus für neue Diesel und Benziner um fünf Jahre auf 2040 oder noch weiter nach hinten zu verschieben, ist durch die Zugewinne bürgerlicher und rechter Parteien bei der Europawahl massiv gestiegen. Auch die Etappenziele in Richtung null CO2-Emissionen im Verkehrsbereich könnten geschliffen werden. CDU/CSU und FDP pochen darauf. Auch in Teilen der Industrie werden die Rufe nach einem Aufschub beim Klimaschutz immer lauter.

Und Sixt-Vorstand Pflanz stellt unmissverständlich klar: Die angepeilte E-Auto-Quote von bis zu 90 Prozent bis 2030 werde nur dann Bestand haben, wenn bei den EU-Regeln „alles bleibt, wie es ist“. Im Klartext: Bei Rücknahme des Verbrennerverbotes wird es so bald kein Elektro-Comeback in der Vermietung geben.


Studie: Chinesische Autobauer aktuell am innovativsten

Chinesische Autobauer haben ihre Führungsrolle bei Innovationen nach einer Studie des Branchenexperten Stefan Bratzel ausgebaut. Auf diese Gruppe entfielen zuletzt 46 Prozent der globalen Innovationsstärke, hieß es von seinem Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. In die Auswertung flossen Neuerungen ein, die in Serie gefertigt werden. 2019/20 lag der Anteil chinesischer Autobauer bei 21 Prozent.

Die deutschen Autohersteller fielen in Summe zurück: Ihre Innovationsstärke sank im selben Zeitraum von 45 Prozent auf aktuell 23 Prozent.

Das CAM erstellt den Report seit 2005 und aktualisiert ihn jährlich. Die aktuellen Ergebnisse umfassen gut 700 Serien-Innovationen von 30 Konzernen mit mehr als 100 Automarken. Die Autoren bewerten die Neuerungen unter anderem nach Innovationsgrad, Kundennutzen und Originalität. Weder die Opel-Mutter Stellantis noch die US-amerikanischen Hersteller Tesla, GM und Ford sind unter den innovationsstärksten zehn Herstellern vertreten.

Die Branche erlebt laut Studienleiter Bratzel eine „tektonische Verschiebung der Machtbalance zugunsten chinesischer Automobilunternehmen“. (dpa)

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