Die deutsche Luftfahrtbranche fordert niedrigere Standortkosten und weniger Steuern für Airlines und Airports, um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben.
BDL-Chef Lang„Für die Umwelt ist die Erholung der Luftfahrt keine schlechte Nachricht“
Die deutsche Luftfahrtbranche hat es im internationalen Wettbewerb immer schwerer. Das will Joachim Lang ändern. Der 57-Jährige ist seit dem 1. Juli Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) und damit oberster Lobbyist hiesiger Airlines und Airports. Thomas Ludwig hat ihn getroffen.
Herr Lang, die Union geht mit Friedrich Merz als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl. Damit könnte ein Hobby-Pilot Regierungschef werden. Setzen Sie darauf, dass jemand, der selber einen Pilotenschein hat, mehr Verständnis für die Interessen der Luftfahrtbranche hat?
Ich gehe davon aus, dass auch die nächste Bundesregierung arbeitsteilig funktioniert und es unterschiedliche Personen geben wird, die für Verkehr, Finanzen, Umwelt und Wirtschaft zuständig sind. Wenn dann im Kanzleramt jemand sitzt, der etwas von Luftfahrt versteht, ist das immer gut. Trotz der aktuellen Krisen stehen die Themen der Luftfahrt momentan nicht oben auf der Agenda. Darüber müssen wir sprechen.
Die internationale Luftfahrtorganisation IATA erwartet, dass die Zahl der global geflogenen Passagierkilometer 2024 wieder über der von 2019 – dem Jahr vor der Corona-Pandemie – liegen wird. Eine gute Nachricht für die Branche, eine schlechte fürs Klima?
In Deutschland kämpft sich die Luftfahrtbranche deutlich langsamer aus der Krise als in anderen Staaten. Unter anderem deshalb, weil sich die staatlichen Steuern für Luftverkehr seit 2020 fast verdoppelt haben. Wir sind in Europa Drittletzter, was die Erholung im Vergleich zum letzten vollen Jahr vor der Corona-Pandemie angeht. Zwar liegen wir mit touristischen Flügen bei über 100 Prozent, in allen anderen Geschäftsfeldern aber sieht es schlechter aus, sodass wir mit 83 Prozent Erholung insgesamt weit hinter dem EU-Durchschnitt liegen. Airlines ziehen Flugzeuge aus Deutschland ab und/oder bedienen einzelne deutsche Standorte nicht mehr, weil es finanziell unattraktiv ist.
Konkreter Fall hier am Flughafen Münster/Osnabrück: Ab dem Winter-Flugplan entfällt die Verbindung nach Frankfurt, was die Lufthansa mit hohen Kosten begründet hat. Das geht wiederum zu Lasten der Auslastung von Flughäfen. Wenn die Infrastruktur aber nicht ausgelastet ist, wird es für alle, die noch da sind, teurer. Eine fatale Spirale. Die staatlichen Standortkosten für den Luftverkehr hierzulande müssen dringend sinken, sonst werden wir an dieser verhängnisvollen Entwicklung nichts ändern. Allein die Luftverkehrsteuer macht 53 Prozent aller Gebühren aus und beträgt mittlerweile mehr als zwei Milliarden Euro. Das sorgt innerhalb Europas für Wettbewerbsverzerrung, weil es eine vergleichbare Steuer nur in 13 von 27 EU-Mitgliedstaaten gibt, künftig sogar nur noch in 12 Staaten. Schweden schafft die Luftverkehrsteuer zum 1. Juli nächsten Jahres wieder ab.
Das wird in Deutschland kaum passieren, solange die Grünen im Bund mitregieren, für sie hat der Umweltaspekt des Fliegens Priorität. Was ist daran verkehrt?
Für die Umwelt ist die Erholung der Luftfahrt keine schlechte Nachricht, weil mit jeder neuen Maschine, die in Dienst genommen wird, die CO2-Emissionen um bis zu 25 Prozent sinken; die deutschen Airlines haben zusammen über 800 Maschinen, und die Hälfte davon wird gerade neu bestellt. Damit sind wir zusammen mit dem gesunkenen Spritverbrauch, der sich bei der deutschen Flotte seit 1990 mit 3,44 Liter pro Person auf hundert Kilometer nahezu halbiert hat, auf gutem Weg. Wenn wir dann noch mehr nachhaltigen Flugtreibstoff tanken, nähern wir uns dem CO2-neutralen Fliegen auch bei einem in der Zukunft wieder wachsenden Markt mit großen Schritten.
Aber es gibt doch längst nicht genügend nachhaltigen Treibstoff zu kaufen. Ist Ihr Optimismus also nicht Augenwischerei?
Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung dazu verpflichtet, eine der Luftverkehrsteuer entsprechende Summe für die Förderung von nachhaltigem Flugtreibstoff auszugeben. Die Branche zahlt also für ihre eigene Dekarbonisierung. Für den Anfang brauchen wir in Deutschland ungefähr drei Produktionsanlagen, die nachhaltigen Flugtreibstoff im industriellen Maßstab herstellen. Das würde zwischen 2 und 2,5 Milliarden Euro pro Anlage kosten, ließe sich also über die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer über wenige Jahre finanzieren. Jetzt rudert Berlin aber zurück und will mit den zwei Milliarden lieber Haushaltslöcher stopfen. Damit gefährdet die Bundesregierung ihre eigenen Klimaziele.
Gleichzeitig werden aber die Vorschriften zur Beimischung nachhaltigen Kraftstoffs strenger. Wie passt das zusammen?
Gar nicht. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, die Pläne einer auf 2026 vorgezogenen nationalen Beimischungsquote von PtL-Kraftstoff zu begraben. PtL ist momentan auf dem Markt nicht in größeren Mengen zu kaufen. Es gibt zwar viele Forschungsprojekte, aber keine Anlage, wo Sie mal eben 50000 Tonnen bestellen können. Es drohen uns als Branche sogar Millionenstrafen für diese absurde Politik.
Das müssen Sie bitte erklären ...
Es gibt zwei Formen von nachhaltigem Flugtreibstoff: einmal biogenen Ursprungs, also zum Beispiel aus altem Fett. Das andere ist Power-to-Liquid (PtL), ein Treibstoff, der aus grünem Wasserstoff und abgeschiedenem CO2 hergestellt wird. Ab dem 1. Januar 2025 gilt nach EU-Recht eine Beimischungsquote von zwei Prozent, die wir durch den Treibstoff biogenen Ursprungs trotz hoher Preise erfüllen werden. Ab 2030 steigt die Quote auf sechs Prozent, wovon 1,2 Prozent PtL sein sollen. Deutschland hingegen möchte schon 2026 eine PtL-Quote einführen, obwohl es das Produkt noch gar nicht in großen Mengen zu kaufen gibt und die EU-Kommission den Mitgliedstaaten mitgeteilt hat, dass es nationale Regelungen zu PtL neben der EU-Verordnung gar nicht geben darf. Die Bundesregierung sollte sich also europarechtskonform verhalten. Und wenn sich die zuständigen Ministerien nicht einigen können, braucht es eine Entscheidung aus dem Kanzleramt.
Nachhaltiger Treibstoff ist heute fünfmal teurer als Kerosin. Müssen die Verbraucher also nicht so oder so mit steigenden Ticketpreisen rechnen?
Ja, aber das muss nicht so sein, wenn der nachhaltige Flugkraftstoff genauso viel kostet wie Kerosin. Und das hängt eben auch von der Menge ab, die künftig zur Verfügung steht. Je mehr produziert wird, desto niedriger der Preis. Zudem muss die EU ihre Vorgaben überdenken, wonach Airlines aus Drittländern jenseits der EU auf internationalen Flügen zum Teil von diesen teuren Auflagen ausgenommen sind. Das macht es für europäische Airlines schwieriger, mit der internationalen Konkurrenz mitzuhalten. Mit der neuen EU-Kommission muss dringend Bewegung in diese Angelegenheit kommen.